ExStra: Was die heutige Ausschreibung fürs Wissenschaftssystem bedeutet. Eine erste Bilanz

So, nun ist sie also raus, die Ausschreibung für die Exzellenzstrategie, und Ernüchterung macht sich breit. Nicht weil da irgend etwas Niederschmetterndes oder Unerwartetes drinsteht, sondern weil es jetzt endlich vorbei ist mit der Mystik um die im Geheimen ausgehandelte neue ExStra. Eine Mystik, die selbst die Veröffentlichung der Verwaltungsvereinbarung überlebt hatte.

 

Vorbei die Spekulationen und die Kaffeesatzleserei, wie denn diese oder jene Politikeräußerung gemeint sein könnte oder wie allzu wolkige Passagen der Verwaltungsvereinbarung interpretiert werden müssen. Insofern ist Ernüchterung in diesem Zusammenhang für mich ein positiv besetzter Begriff, hat sich doch Hochschuldeutschland in den vergangenen Monaten zu häufig zu viele Gedanken gemacht über ein Programm, das, sind wir mal ehrlich, nur einen geringen Ausschnitt der gesamten Forschungsförderung bedeutet. 

 

Jetzt kann, jetzt wird es an die Arbeit gehen, wobei auch hier zur Wahrheit gehört: Wer schlau war, hat natürlich längst vor dem heutigen Tag mit der Vorbereitung seiner Exzellenzcluster begonnen, ist schon seit Wochen und Monaten dabei, neue Verbünde zu schmieden und alte Allianzen wieder aufleben zu lassen. Andere wiederum waren schon vor heute so schlau und bleiben es hoffentlich auch weiterhin, sich nicht vom allgemeinen ExStra-Fieber anstecken zu lassen. Nicht jede Universität muss dabei mitmachen, und nicht jede Universität sollte Ressourcen darauf verwenden. 

Nach der wohltuenden Ernüchterung ist es Zeit für einen analytischen Blick auf das, was Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und Wissenschaftsrat (WR) heute vorgelegt haben. 

 

Eines fällt schon mal gleich ins Auge: das Logo. Auf dem per Pressemitteilung veröffentlichten Ausschreibungstext prangt ganz oben der Schriftzug, an den wir uns von nun an werden gewöhnen können. Nicht überkandidelt, nicht teuer von irgendeiner Agentur inszeniert. Aber doch eindrücklich: DFG und WR schön paritätisch nebeneinander, darunter der Schriftzug: "Die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder". Erstaunlich eigentlich, dass Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) damit einverstanden war, dass ihr Ministeriumslogo nirgends auftaucht. Auf anderen und online zum Teil parallel verwendeten Versionen sind zumindest alle Länder- und das Bundeswappen drauf. 

 

Inhaltlich gilt: Wenig Überraschungen, und wenn, dann sind es nur Nuancen, auf die man stößt. So hat die Verwaltungsvereinbarung keine Aussage zur Zahl der universitären Partner in einem Clusterverbund gemacht, die Ausschreibung spricht nun von ein oder zwei antragstellenden Universitäten, nur "in Ausnahmefällen" von drei. Auch bei den Exzellenzuniversitäten ist die Zahl der Verbundpartner auf drei begrenzt. Bei den Clustern heißt es zudem, die "Gleichwertigkeit" der Beteiligung der einzelnen Universitäten müsse nachgewiesen werden. Die Cluster-Förderkriterien wiederum sind in der Ausschreibung selbst nur knapp beschrieben, entsprechen aber dem Geist der Verwaltungsvereinbarung. Ebenso wie die Details, die der DFG-Vordruck "ExStra110" enthält. 

 

Beschlossen haben die Ausschreibung ja die 39 Wissenschaftler im Expertengremium, doch, auch das wenig überraschend, entspricht der Text im Wesentlichen den Vorlagen von DFG und WR. Insofern müssen auch die beiden, vor allem aber in diesem Fall der WR, sich den Vorwurf gefallen lassen, ein bisschen,  wenn auch wirklich nur ein klein wenig, bei der Ausschreibung der Förderlinie "Exzellenzuniversitäten" geschummelt zu haben. Steht da doch bei den Förderkriterien lediglich eine längliche Wiedergabe der in der Verwaltungsvereinbarung genannten, die eine ziemlich hohe Flughöhe haben. Und dann folgt ein Hinweis aufs Kleingedruckte: "Weitergehende Informationen... sind den Kriterienlisten und Merkblättern des Wissenschaftsrats zu entnehmen, die im April 2017 zur Verfügung gestellt werden." Sind wir mal ehrlich: Eine vollwertige Ausschreibung ist das, anders als DFG und WR insinuieren, noch nicht. 

 

Aufschlussreich sind dafür die Passagen, die sich mit den zusätzlichen Anforderungen an die Bewerbung von Universitätsverbünden im Rahmen der Förderlinie "Exzellenzuniversitäten" befassen. In der Ausschreibung heißt es, entscheidend sei die "Qualität und strategische Ausrichtung der praktizierten übergreifenden und sichtbaren Zusammenarbeit", die "Erkennbarkeit der Synergien sowie des wissenschaftlichen und strukturellen Mehrwerts... für jede anstragstellende Universität und für den Universitätsverbund insgesamt." Und schließlich wird eine strategische Ausrichtung und Langfristigkeit gefordert.

 

Im Kern stand das so ähnlich schon in der Verwaltungsvereinbarung, und doch senden DFG und WR, abgesegnet von den 39 Experten, nochmal ein klares Signal an alle Wissenschaftspolitiker und übereifrigen Wissenschaftsmanager im Lande: Das Formen von Beutegemeinschaften ohne schon bislang ausreichend sichtbare und in sich stimmige wissenschaftliche Fundierung wird bei der Begutachtung nicht goutiert werden. 

Apropos Beutegemeinschaften: Womöglich erinnern Sie sich an die vor einer Weile von mir aufgeworfene Frage, ob innerhalb der Exzellenzverbünde ein Hickhack über die Konsortialführerschaft bevorsteht – mit dem Ergebnis, dass  es am Ende Partner erster und Partner zweiter Klasse geben könnte. Die Aussage in der Ausschreibung zu den Finanzströmen bestärkt mich in meiner Skepsis: "Bei einer Antragstellung als universitärer Exzellenzverbund benennen die antragstellenden Universitären eine Universität, welche die Mittel verwaltet." Die Diskussionen dazu etwa in Berlin zwischen Freier Universität und Humboldt-Universität kann ich mir bereits vorstellen. Am Ende aber ist auch dieser Passus klug formuliert: Wer sich schon bei der Frage im Vorfeld nur mit Mühe (oder politischem Druck) einig werden sollte, lässt es lieber ganz mit der Verbundbewerbung. 

Insgesamt schafft die Ausschreibung an vielen, wenn auch nicht an allen, Stellen eine erfreuliche Klarheit. Besonders hervorzuheben ist der mitgelieferte, sehr detaillierte Zeitplan zu Bewerbungs-, Abgabe- und Begutachtungsfristen sowie zum jeweiligen Förderbeginn. Der Zeitplan bindet alle Akteure und macht die ExStra transparent in einem Rahmen, wie wir es nicht von Anfang an gewöhnt waren.

 

So ist meine letzte Bemerkung für heute zugleich Ausdruck einer Hoffnung. Die Verhandlungen um die Zukunft der Exzellenzinitiative haben im Verschwiegenen begonnen und blieben bis zum formalen Beschluss durch die Ministerpräsidentenkonferenz am 16. Juni offiziell unter Verschluss. Das war nicht klug von der Politik, die sich vor Einflussnahme schützen wollte, aber dadurch gleichzeitig riskiert hat, die Expertise der Hochschulöffentlichkeit nicht einzubeziehen und so Unzulänglichkeiten in der Ausgestaltung der neuen ExStra zuzulassen. Umso mehr schaffen die heutige Ausschreibung und vor allem der Zeitplan Zuversicht, dass wir von nun an in eine neue Phase der ExStra eintreten: in eine Phase der Offenheit und der klar kommunizierten Erwartungen und Konditionen, die an die Stelle der Überhöhung vermeintlich so geheimer Absprachen und Namenslisten treten. Ein Tag der Ernüchterung: ein guter Tag. 

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