Die HRK sagt: Teilzeit ist kein Unfall. Gut so. Jetzt muss die Politik nur noch die Rechnung zahlen

Foto: Inbal Marilli
Foto: Inbal Marilli

Ist Ihnen das aufgefallen? Seit einer Weile äußert sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), der schon so oft Konturlosigkeit vorgeworfen wurde, ziemlich dezidiert. Sie meldet sich mit Beschlüssen zu Wort, mit denen sie – und das ist als Kompliment gemeint – richtig aneckt.

 

Vor einigen Tagen zum Beispiel hat die HRK verkündet, das Teilzeitstudium müsse „von der Notlösung zur zeitgemäßen Studienform“ werden. Stimmt doch! Wieso also anecken? 



 

Zunächst mal ist die Offenherzigkeit der Hochschulen bemerkenswert. In ihrer Empfehlung schreibt die HRK, bislang habe man sich trotz aller Rhetorik nicht wirklich angestrengt mit gut gemachten Teilzeit-Angeboten. Die Hochschulen seien bislang davon ausgegangen, dass ein formales Teilzeitstudium zwar möglich sein sollte, aber durch „gute Studienberatung und –bedingungen am besten zu vermeiden sei“. Welch Distanz zum realen Alltag von immer mehr Studenten! Eine Distanz, die die HRK nicht mehr ableugnet, sondern zu der sie jetzt sagt: Okay, haben wir kapiert.

Dass die Hochschulen nach fast 20 Jahren dann doch noch erkannt haben, dass das seit Bologna modularisierte (in Teilabschnitte unterteilte) Studium verbunden mit neuen digitalen Formaten besonders geeignet für Teilzeit ist, ist insofern erfreulich. 



 

Nun also zu dem Ärger, den die HRK sich einhandelt. Die Politik in den Ländern war eigentlich ganz froh, dass die Hochschulen nicht zu sehr in „Teilzeit“ gemacht haben, weil die Beratung und Betreuung von Teilzeitstudenten teuer ist und die Konzeption zusätzlicher Angebote aufwändig. Die HRK droht jetzt mit einer genauen Kostenermittlung, und die wird die Wissenschaftsministerien unter Druck setzen. Unter Druck, sich ehrlich zu machen: Belassen sie es bei der guten alten Rhetorik, und nichts ändert sich, oder geben sie den Hochschulen das Geld, das sie brauchen, um diese grundlegende Reform des Lehrangebots umzusetzen? 



 

Zumal, und das ist die Pointe des Ganzen, diese Reform umso teurer wird, je erfolgreicher sie ist. Denn dann dürften noch mehr Studenten Lust aufs Teilzeitstudium bekommen. Einfach, weil es endlich ihrer Lebenswirklichkeit entspricht. Die HRK weiß das und handelt trotzdem. Kompliment.

 

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEITChancen Brief.  

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Kommentare: 1
  • #1

    tutnichtszursache (Montag, 21 November 2016 10:20)

    So begrüßenswert der HRK-Beschluss ist, bleibt er meines Erachtens auf halbem Weg stecken (teilt dies aber mit fast allen hochschulpolitischen Äußerungen von egal wem): "Die Hochschulen" werden als wenig differenzierte Gesamteinheit gesehen. Diese mangelnde Bereitschaft zur Differenzierung trägt zu zahlreichen Problemen bei. Was meine ich damit? Zunächst ein Beispiel, wie Differenzierung (im Groben) funktioniert: Wer kein Präsenzstudium absolvieren möchte, kann Fernstudien an der Universität Hagen oder an zahlreichen privaten Fernfachhochschulen oder an teils ausgegründeten Fernstudieneinheiten staatlicher Hochschulen absolvieren. Hingegen wäre es vollkommen unsinnig und extrem ineffizient, wenn jede einzelne staatliche Hochschule auch Fernstudien anbieten würde.
    Im Prinzip Gleiches gilt für berufsbegleitende Studiengänge. Auch diese sind eigens zu konzipieren und auf die Bedürfnisse dieser speziellen Klientel zuzuschneiden, vgl. die private FOM oder die Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen (Koblenz).
    Beim Teilzeitstudium und auch beim Thema Digitalisierung herrscht hingegen die Auffassung vor, "alle" müssten sich hier engagieren. Warum? Es wäre viel besser, einige machen dies konsequent und durchgängig, andere hingegen nicht bzw. weniger (ein bisschen digital ist immer). Jedes Bundesland könnte einzelne Hochschulen als "Teilzeituniversität" oder "digitale Hochschule" einrichten bzw. den Weg bestehender Einrichtungen dorthin gezielt fördern - ohne dass alle Hochschulen in allen Fächern zu etwas gezwungen werden, das nicht von vornherein Sinn ergibt. Studierende, die an Teilzeitoptionen oder an einem besonders digitalen Studium interessiert sind, könnten dann gezielt diese Einrichtungen wählen.