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Nicht teilen, größer machen!

Kommt die Große Koalition, wird sie mit Symbolakten den Neuanfang beschwören. Womöglich sogar mit einem Superministerium für Innovation. Es wäre ein Riesenfehler, dafür das BMBF zu fleddern.

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Artikelbild: Nicht teilen, größer machen!

ES IST EINES dieser Schlagwörter, die jeder gutfinden muss. Innovation. Wollen wir alle. Brauchen wir mehr von. Als die FDP 2005 in Nordrhein-Westfalen das Wissenschaftsministerium übernahm, taufte der neue Minister Andreas Pinkwart es um in Innovationsministerium. Die SPD-Opposition lästerte. Nach dem Regierungswechsel 2010 behielt Pinkwarts SPD-Nachfolgerin Svenja Schulze die Bezeichnung bei.

Es spricht viel dafür, dass demnächst auch ein Bundesministerium das Schlagwort "Innovation" im Namen führen wird. Allerdings, so wird gemunkelt, dürfte es das für Wirtschaft sein.

Es entspräche dem Zeitgeist. Als Schwarz-Gelb 2017 in NRW die Wahlen gewann, wurde Pinkwart erneut Minister. Wirtschaftsminister. Den Titel "Ministerium für Innovation" nahm er mit. Seitdem heißt das Wissenschaftsministerium wieder nur Ministerium für (Kultur und) Wissenschaft.

Nach ihrem Sondierungserfolg wollen die möglichen Koalitionspartner CDU, CSU und vor allem die SPD nun im Bund signalisieren, dass sie einen echten Neuanfang wollen. Wenn schon nicht mit neuem Personal, dann wenigstens mit schönen Worten und spektakulären Ressortzuschnitten. Ein Bundesministerium für Wirtschaft und Innovation könnte ein echtes Super-Ministerium werden, womöglich ergänzt um das zweite Super-Schlagwort: Digitalisierung. >>


WEITERE AKTUELLE THEMEN

o BILDUNGSRAT JA – ABER RICHTIG! ZU DEN SONDIERUNGSERGEBNISSEN VON UNION UND SPD

o "EIN HUNGER FÜR WISSENSCHAFT IST DA, DOCH WIR STILLEN IHN NICHT." EIN GESPRÄCH ÜBER WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION ZWISCHEN WILHELM KRULL UND JOHANNES VOGEL

o KEINE REAKTION IST AUCH EINE REAKTION: EIN GASTBEITRAG ZUR AKKREDITIERUNG UND DER DIALOGBEREITSCHAFT DER WISSENSCHAFTSMINISTER

o SUSANNE EISENMANN ZIEHT BILANZ IHRER KMK-PRÄSIDENTSCHAFT: "WIR HABEN ES MIT EINEM GRUNDSÄTZLICHEN KONSTRUKTIONSPROBLEM ZU TUN."


>> Das Problem ist, wenn zu den schönen Worten die Taten kommen müssen. Innovation, das bedingt Forschung, und grundlegende Teile der Forschung könnten vom Wissenschafts- ins Wirtschaftsministerium herüberwandern. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen etwa, die komplette Programmforschung. So stellen sich das zumindest einige Sondierer vor und führen dafür zwei Argumente an. Erstens: Wirtschaftlicher Fortschritt und wissenschaftliche Erkenntnis sind eng gekoppelt. Zweitens: Das BMBF muss künftig auch Schulpolitik machen.

Beide Argumente stimmen. Es gibt Bundesländer wie Thüringen oder Sachsen-Anhalt, in denen Wirtschaft und Wissenschaft und Digitalisierung deshalb ganz unter dasselbe Dach gekommen sind. Und was die Bildung angeht, so ist klar, dass ein möglicher Nationaler Bildungsrat, vor allem aber die zusätzlichen Milliarden, die die Koalitionäre springen lassen wollen, und die weitere Einschränkung des Kooperationsverbots dem Bund einen Machtzuwachs bringen werden – und damit dem BMBF.

Trotzdem wäre es ein Riesenfehler, Hochschulen, Wissenschaft und Forschung auseinanderzureißen. Auch angewandte, auch Programmforschung ist Teil des Systems Wissenschaft und lebt vor allem von ihren Bezügen zur Grundlagenforschung, zur Hochschullehre, zur Bildung. Deshalb war die Wissenschaftspolitik der vergangenen Jahre darauf ausgerichtet, die Versäulung in Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen abzubauen.

Vorausgesetzt die Koalition kommt überhaupt, was angesichts der Debatten in der SPD alles andere als sicher ist: Wenn Union und SPD dann Symbole für ihren Aufbruch suchen, wenn sie ein Superministerium brauchen, sollten sie dafür das bisherige Bundesministerium für Bildung und Forschung nehmen. Ungeteilt. Mit mehr Wissenschaft und mit mehr Bildung. Das Etikett "Innovation" dürfen sie gern draufkleben.

Dieser Beitrag erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.


Ansgar Koreng: "Berlin Bundesministerium für Bildung und Forschung.jpg", CC BY 3.0de

Kommentare

#1 -

Klaus Diepold | Mo., 15.01.2018 - 17:41
Seit den Tagen von Francis Bacon (1561-1626) hält sich hartnäckig der Glaube, dass Wissenschaft zu Innovationen führt. Man tut sich allerdings sehr schwer einen empririschen Nachweis für diese Beahuptung zu finden. Den Experten fällt es oft einfacher den umgekehrten Weg zu belegen, nämlich dass Innovationen die wissenschaftliche Forschung befruchten und beflügeln. Innovationen sind Ideen, die implementiert sind und dann von irgend einer Form von Markt akzeptiert werden. Somit ist das Thema "Innovation" stärker mit der Wirtschaft verbunden als mit der Wissenschaft. Viele werthaltige Innovationen sind ohne unmittelbare Forschung entstanden. Mein Lieblingsbeispiel ist das Reisegepäck mit Rädern oder auch die Geburt des WWW. Man betrachte dazu auch den Wandel in der EU Förderpolitik der vergangenen Jahre im Rahmen von Horizon2020.

Die Forderung und Erwartung, dass wissenschaftliche Forschung, noch dazu in den Hochschulen, Innovationen hervorbringt behindert und schadet mehr als das es hilft. Wissenschaft steht seit den Zeiten Humboldts in engem Zusammenhang mit der Bildung, was die Aufgabe der Hochschulen ist. Dementsprechend würde ich mir wünschen, dass die Innovation zum Wirtschaftsministerium geht, aber die wissenschaftliche Forschung nebst Hochschulen und dem Bildungsthema beim Wissenschaftsministerium bleibt. Bleibt noch zu klären auf welcher Seite die FhG einzusortieren ist ...

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