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Selbstverständlich wichtig

Arbeitgeber und Hochschulen formulieren Regeln zu Industriepromotionen. Deren Neuigkeitswert ist gering – das Signal dafür überfällig.

EIGENTLICH SOLLTE DAS Positionspapier gar nicht nötig sein. Es betont Selbstverständliches. Das Promotionsrecht obliege ausschließlich den promotionsberechtigten Hochschulen, schreiben Arbeitgeber, Hochschulrektorenkonferenz und Stifterverband in ihrer gemeinsamen Wortmeldung, die gestern veröffentlicht wurde. Die Liste der vermeintlichen Trivialitäten setzt sich fort: Alle Recht und Pflichten im Promotionsverfahren regle die jeweilige Promotionsordnung verbindlich. Und ob ein Doktorand und sein Forschungsthema überhaupt angenommen werden, liege ganz allein bei der Hochschule.  

 

Warum das Positionspapier trotzdem überfällig ist? Weil die sogenannten Industriepromotionen, denen sich BDA, BDI HRK und Stifterverband widmen, in Verruf geraten sind. Deren Idee scheint verlockend: Unternehmen finanzieren Doktoranden, deren Projekte sich dann an den Forschungsinteressen der Unternehmen orientieren. Im Idealfall erhält das Unternehmen zweierlei: neue Erkenntnisse und die Loyalität eines hochqualifizierten Nachwuchsforschers. 

 

Doch was bekommt die Uni im Gegenzug? Genau hier setzte im vergangenen Jahr die Kritik der im TU9-Verband organisierten Technischen Universitäten an: Es sei "irritierend, dass in jüngerer Zeit vermehrt Personalmanager aus der Wirtschaft das Promotionsversprechen als nützliches Werbeinstrument entdeckt haben". Sie verschleierten, dass die Abnahme der Promotion bei der Hochschule liegen muss und ließen die Bewerber über die konkrete Betreuungssituation im Unklaren. Sogar von "Kuckucksei"-Promotionen war in der TU9-Brandpapier die Rede, wenn zumeist international tätige Unternehmen so täten, als könnten sie eigene Promotionsprogramme ausschreiben. Die TU9 waren nicht die ersten mit derart harscher Kritik. Ein Jahr zuvor hatte der Deutsche Hochschulverband (DHV) eine ähnlich drastische Warnung formuliert. "Die Universität ist kein mittelbar finanzierter Zulieferer des MINT-Arbeitsmarktes. Sie ist allein verantwortlicher Träger des Promotionsverfahrens und will von ihrem Partner als solcher wahrgenommen und gewürdigt werden", sagte DHV-Präsident Bernhard Kempen damals. 

 

Und jetzt ist also alles wieder gut nach dem so große Einheit demonstrierenden neuen Positionspapier? Sicher nicht. Daran ändert auch die Tatsache, dass die meisten Promotionsverfahren wirklich in großer Eintracht und Professionalität zwischen Hochschulen, Promovierenden und Unternehmen laufen, nur wenig. Hängen bleibt, dass sich in der Vergangenheit einige Universitäten und Professoren darauf eingelassen haben, entscheidende Inhalte von Doktorarbeiten langfristig geheimzuhalten. Weil die finanzierenden Unternehmen ihre Interessen bedroht sahen. Hängen bleibt auch, dass sich offenbar einzelne Professoren für die Betreuung der Promovierenden mit externem Arbeitsvertrag (so ihre offizielle Bezeichnung) ein Extra-Honorar bezahlen ließen.

 

Derlei sollte nach den vereinbarten (bzw. eigentlich nur neu beschworenen) Regeln ausgeschlossen sein. Trotzdem bleibt die Sache mit den Industriepromotionen kompliziert, weil die Interessenlagen es sind. Man kann es an einzelnen Formulierungen im Positionspapier erkennen, über die ganz offensichtlich lange gerungen worden ist: Arbeitsverträge sollen erst nach vorheriger Absprache mit der Hochschule, nach gemeinsamer Festlegung des Promotionsthemas und nach der Betreuungszusage durch einen Prof wirksam werden – also in der Regel. Und, siehe oben, Dissertationen sind zu veröffentlichen – aber unter Umständen erst nach einer "angemessenen Frist". Was das heißt, bleibt also Aushandlungssache. Genauso kann auch für den Austausch vertraulicher Daten eine Geheimhaltung vereinbart werden.

 

Und doch helfen die aktuellen Klarstellungen. Sie polieren das arg angekratzte Image der Industriepromotion ein wenig auf, sie demonstrieren den guten Willen der Beteiligten. Vor allem aber dienen sie als plakative Leitlinien für all jene Unternehmen, Doktoranden und Hochschulen, die das Beste aus dieser Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft machen wollen. Vielleicht wäre es an der Zeit, über diese positiven Seiten mal wieder etwas häufiger zu reden.   


Dieser Kommentar erschien heute in gekürzter Form im ZEITChancen Brief. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Klaus Diepold (Freitag, 23 März 2018 07:56)

    im Kontext der Industriepromotionen ist es durchaus erforderlich hin und wieder die Selbstverständlichkeiten klar zu formulieren. Zu oft geraten diese in Vergessenheit. Das Thema ist insgesamt zu vielschichtig und es gibt zu viele "eigenartige" Episoden, als dass es mit einem Positionspapier erledigt wäre.