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Jenseits von Berlin

Bund und Länder verhandeln in der Bildungspolitik weiter, als würde es die GroKo-Krise gar nicht geben. Gut so.

MANCHMAL KANN EINEM als Journalist für Bildung und Wissenschaft in diesen Tagen der Gedanke kommen, wozu man sich eigentlich so reinhängt. Besonders am vergangenen Freitag ging mir das so. Während die Nachrichtenportale und die Titelseiten der großen Zeitungen voll waren mit Berichten über den Machtkampf zwischen Merkel und Seehofer, während andere fleißig über einen bevorstehenden Koalitionsbruch spekulierten, hing ich am Telefon mit Kultus- und Wissenschaftsministern.

 

Wir sprachen über die Zukunft der Kultusministerkonferenz, den Digitalpakt, den Bildungsrat und die NC-Reform, ich hörte Stimmungsberichte aus dem Treffen der Kultusminister mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), und die ganze Zeit hatte ich zwei Fragen im Kopf. 

 

Erstens: Wen interessiert eigentlich an einem Tag wie heute, was die KMK beschließt? Und zweitens: Was sind Abmachungen zwischen Bund und Ländern noch wert, wenn demnächst schon wieder Wahlkampf herrschen sollte?

 

Zwischendurch las ich einen Tweet von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), die diesen Zwiespalt in folgender Feststellung verarbeitete: "Jenseits des Dramas in Berlin haben Bund und Kultusministerkonferenz über die Parteigrenzen hinweg heute freundschaftlich und konstruktiv in Erfurt wesentliche Verabredungen zu Bildungsthemen getroffen."

 

Nun kann man über die Qualität der Ergebnisse vom vergangenen Freitag geteilter Meinung sein, ich persönlich tendierte zu einer insgesamt hoffnungsvollen Bilanz. Unabhängig davon aber wurden mir im Laufe des Tages und auch am darauffolgenden Wochenende ebenfalls zwei Dinge klar.

 

Erstens: Was die KMK beschließt, interessiert trotz Berliner Koalitionskrise viele. Vielleicht ja, weil wir durch das monatelange Warten auf eine Bundesregierung bereits gelernt haben, mit politischen Unsicherheit zu leben und trotzdem weiterzumachen. Die Diskussionen in den sozialen Medien besonders über Digitalpakt und Bildungsrat waren rege. Und gerade daran, dass einige Kommentatoren die Verhandlungen um den Bildungsrat ärgerlich als Stillstand kritisierten, zeigt, dass vom Bund weiter Handlungsfähigkeit erwartet wird. Und dass ihm diese Handlungsfähigkeit auch zugetraut wird. Wie wohltuend konstruktiv.

 

Zweitens: Gerade angesichts der Unsicherheit im Bund ist es ein Riesenvorteil, dass unser Bildungs- und Wissenschaftssystem föderal organisiert ist. Dass die Länder in der KMK, so reformbedürftig sie sein mag, agieren und in vielen Fällen gar nicht auf den Bund angewiesen sind bei ihren Entscheidungen. 

 

Gerade in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik muss die Devise in diesen Tagen lauten: Business as usual. Selbst wenn das in diesen Tagen unspektakulär oder sogar – welch Widerspruch! – unpolitisch wirken kann. Das einzige, was am Ende gegen Fremdenangst und deren politische Instrumentalisierung hilft, ist Aufklärung. Und die liefern eben nur Bildung und Forschung.  

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