· 

Schluss mit den Selbsttäuschungen!

Die finalen Stunden bei den Verhandlungen um die Wissenschaftspakte haben begonnen. Wenn Bund und Länder bereit sind, sich jeweils an entscheidender Stelle ehrlich zu machen, kann der Durchbruch heute Nacht gelingen.

HEUTE ABEND GEHEN die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern in Klausur. Kamingespräch nennt sich das Format, auch wenn es gar keinen Kamin im Bundesforschungsministerium gibt. Abseits des Protokolls wollen sie den Verhandlungsknoten durchstoßen, um am Freitag nach ihrer offiziellen Sitzung doch noch eine Einigung verkünden zu können. 

 

Der Erwartungsdruck ist gewaltig: Vom Ergebnis der sogenannten Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern hängt ab, wie die Wissenschaft in den 20er Jahren finanziert werden kann. Wie eng das Korsett wird für Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Ob genug Luft für Bewegung und für neue Ideen bleibt. Drei Wissenschaftspakte und insgesamt über 100 Milliarden Euro stehen zur Abstimmung. Mit am Tisch sitzen auch mehrere Finanzminister, was die seit Monaten andauernde Suche nach einem Kompromiss noch schwieriger macht.

 

Doch es hilft nichts. Die Minister müssen liefern, das wissen sie. Ein Scheitern, erst recht an Scheitern am finanzpolitischen Hickhack, wäre ein fatales Signal für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wissenschaft im Vorfeld eines womöglich heftigen Konjunktureinbruchs.  

 

Zwei Selbsttäuschungen und eine Wunsch

 

Alle Seiten müssen sich bewegen. Die Wissenschaftspolitiker. Die Finanzpolitiker. Der Bund. Die Länder. Wenn Bund und Länder bereit sind, jeweils eine Selbsttäuschung hinter sich zu lassen, sich an jeweils entscheidender Stelle ehrlich zu machen, könnte das gelingen.

 

Selbsttäuschung Nummer eins: Der Bund fordert von den Ländern im Hochschulpakt zu Recht den Einstieg in mehr Dauerstellen. Doch die Forderung wird hohl, wenn er nicht parallel anerkennt, dass Dauerstellen dauerhaft Preis- (sprich: Tarif-)steigerungen unterliegen. Weshalb es inkonsistent ist, den Ländern zugleich ein jährliches Plus zu versagen, wie es beim für die außeruniversitären Forschungsorganisationen gedachten Pakt für Forschung und Innovation seit bald anderthalb Jahrzehnten Gang und Gäbe ist. Das absolute Minimum wäre eine einmalige Erhöhung in der Laufzeit des Pakts. Ja, lieber Olaf Scholz, das wird zusätzliches Geld kosten. Aber das haben Sie dem BMBF ja gerade erst abgenommen. 

Selbsttäuschung Nummer zwei: Die Länder müssen aufhören, sich beim Pakt für Forschung und Innovation etwas vorzumachen. Es ist richtig: Der Bund hatte 2014 zugesagt, vorübergehend das jährliche Plus allein zu tragen. Doch im GroKo-Koalitionsvertrag von 2018 steht nun einmal eindeutig, dass in der nächsten PFI-Runde wieder die traditionellen Finanzierungsschlüssel gelten sollen. Die Länder müssen also nachzahlen und auch künftig wieder mehr zahlen. Es geht in Ordnung, sich auf längere Übergangsphasen zu einigen, wenn auch der Bund sich darauf einlässt. Was nicht in Ordnung wäre: die Anpassung an die alten Schlüssel mit einem geringeren Pakt-Plus zu erkaufen, denn das würde schnell an die Substanz von Max Planck & Co gehen. Ja, liebe Länderfinanzminister, ihr werdet also etliche Millionen im Jahr mehr zahlen müssen als geplant, und zwar jeder und jede von euch. Aber zum Abschied von der Selbsttäuschung gehört eben auch, dass etliche Ministerpräsidenten den GroKo-Vertrag mit beschlossen haben. In dem sowohl von den alten Schlüsseln als auch von mindestens drei Prozent mehr die Rede ist. Schon vergessen?

 

Zuletzt ein dringender Wunsch: Und wenn die Versuchung noch so groß werden sollte, liebe GWK-Mitglieder: Lasst die Finger vom Qualitätspakt Lehre. Es ist das einzige Element, das systematisch neue Ideen und eine dringend nötige Debatte über exzellente Hochschullehre verspricht. Und es ist zugleich der mit Abstand kleinste Pakt. Trotzdem gab und gibt es Politiker, die meinen, man könnte ja die versprochenen 100 Bundesmillionen als Steinbruch für die anderen beiden Pakte benutzen. Für einen gewissen Aufwuchs beim Hochschulpakt. Oder für die Schlüsselkorrektur beim PFI. Auch wenn das Geld so in Rekordzeit verfrühstückt wäre. Ein kapitaler Fehler, der die Beschlüsse insgesamt entwerten würde.  

 

In der Vergangenheit haben die GWK-Kamine regelmäßig Ergebnisse und annehmbare Kompromisse produziert. Und es wenn es bis zum Morgengrauen dauert: Nie war es so wichtig, dass das auch diesmal gelingt. 

 

Dieser Kommentar erschien heute in gekürzter Fassung zuerst im ZEITChancen Brief.


Hochschulpakt mit Ewigkeitsproblem

Es ist ein Passus, den man leicht überlesen kann. In Paragraph 10 ("Schlussbestimmungen") des Vertragsentwurfs steht: "Kommt eine Anpassung nicht zustande oder ist sie einer Vertragspartei nicht zumutbar, können der Bund oder mindestens acht Länder die Vereinbarung mit auflösender Wirkung für die Zukunft kündigen."

 

So weit so gut. Der künftig "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken" genannte neue Hochschulpakt kann also beendet werden, wenn der Bund oder mindestens die Hälfte der Länder das wollen. 

 

Die Bestimmung, die einigen Landeswissenschaftsministern aufstößt, steht jedoch im ersten Satzteil: Zwar wollen Bund und Länder den Zukunftsvertrag regelmäßig den Realitäten an den Hochschulen anpassen, aber diese Anpassung ginge dem Entwurf zufolge nur einstimmig. Was faktisch einem komplett neuen Vertragswerk entspräche.

Wenn der Bund sich jetzt also einem regelmäßigen Hochschulpakt-Plus verweigert, fürchten die Wissenschaftsminister, bekommen sie es auch in ein paar Jahren nicht. Weil sich immer ein Bundesland finden werde, das aus irgendwelchen Eigeninteressen einer Änderung der Vertragsbedingungen nicht zustimmt.

 

Sind solche Ängste begründet oder übertrieben? Der GroKo-Koalitionsvertrag formulierte die Anforderungen an den neuen Hochschulpakt jedenfalls zurückhaltender: "Die konkreten Förderkriterien können alle sieben Jahre periodisch mit den Ländern und Hochschulen ausverhandelt werden." Die Förderkriterien. Nicht der Vertrag als Ganzes. 

 

Worin sich alle Länder einig sind: Die Kombination aus auf unbestimmte Zeit geschlossenem Zukunftsvertrag und der fehlenden Dynamisierung führt auf Dauer zwangsläufig zur Entwertung der Vereinbarung. 


Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Klaus Diepold (Donnerstag, 02 Mai 2019 09:24)

    Lieber Herr Wiarda,

    vielen Dank für diesen Weckruf. Insbesondere den letzten Abschnitt möchte ich hervorheben.

    Klar ist es wichtig die Wissenschaft zu stützen und zu fördern - in welchem Umfang ist Verhandlungssache.

    Bei der Förderung der Bildung gibt es keine Alternativen zu den staatlichen Geldern, es sein denn wir wollen uns in Richtung eines privatwirtschaftlichen Bildungsmarkt begeben. Dafür sehe ich aber keine wirkliche Intention.

    Am Geld für Bildung, sei es für Schulen oder für Hochschulen zu sparen ist langfristig der größte Schaden für die Innovationsfähigkeit und damit für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas. Dann kommt es auf ein paar Millionen hin oder her für die Forschung/Wissenschaft auch nicht mehr darauf an. Ohne gut ausgebildete junge Leute aus den Hochschulen können auch die MPGs, FhGs usw. nichts leisten und bewegen.

    Wenn die außeruniversitäre Forschung und Wissenschaft ihr Geld wert ist, dann gibt es auch genug Interessenten, die bei der Finanzierung mitwirken können.

    Wie gesagt, für die Bildung und sei es nur für den Qualitätspakt, gibt es keine Alternative.

    In gespannter Hoffnung
    kldi