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Übergangslösung für die Universität Göttingen zeichnet sich ab

Reinhard Jahn soll nach Möglichkeit kommissarischer Präsident werden, Peter Strohschneider soll in den Stiftungsrat einziehen.

INMITTEN DER FÜHRUNGSKRISE an der Universität Göttingen zeichnet sich überraschend eine Interimslösung ab. Zwei prominente Wissenschaftler sollen die angesehene Hochschule auf dem Weg zu einem Neuanfang begleiten. Der emeritierte Max-Planck-Direktor und Leibniz-Preisträger Reinhard Jahn würde demnach übergangsweise die Universität als Präsident leiten. Der amtierende DFG-Präsident Peter Strohschneider wiederum könnte den Sitz des zurückgetretenen Wilhelm Krull im Stiftungsrat übernehmen.

 

Zu beiden Personalien gab es Gespräche zwischen den Universitätsgremien und dem niedersächsischen Wissenschaftsministerium. Während Strohschneider vom Ministerium bestellt und vom Senat der Universität bestätigt werden müsste, müsste bei Jahn der Senat wählen und der Stiftungsrat bestätigen. Und genau an dieser Stelle bestehen, so scheint es, noch juristische Unsicherheiten, wie genau sich die Berufung Jahns, der seit 1997 Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie war, korrekt bewerkstelligen lässt. Inhaltlich, ist zu hören, gebe es für beide Personen viel Zustimmung in den Universitätsgremien.

 

Offiziell wollte die Universität die Personalien nicht bestätigen. Auf Anfrage teilte Sprecher Thomas Richter lediglich mit, die Gremien der Stiftungsuniversität dächten gerade gemeinsam darüber nach, "wie die Zeit bis zur Wahl und zum Amtsantritt eines gewählten Präsidenten bzw. einer Präsidentin überbrückt werden und die Arbeit des Präsidiums gestärkt kann". Die nächste reguläre Sitzung des Senats finde am 18. September statt, die des Stiftungsausschusses Universität am 13. November. 

 

Minister Thümler drohte
mit "Staatskommissar"

 

Frühestens dann würden also die Personalien offiziell festgezurrt werden. Vorgesehen ist, dass Jahn von Dezember an das Präsidentenamt übernimmt. Im Falle seiner Berufung soll er dann so lange im Amt bleiben, bis die erneute Suche nach dem regulären Nachfolger oder der Nachfolgerin der bisherigen Präsidentin Ulrike Beisiegel in einer erfolgreichen Wahl mündet. Experten gehen bis zur Berufung von einem Zeitraum von neun bis zwölf Monaten aus. Beisiegel gibt ihr Amt bereits zum 30. September ab, bis Dezember würde wie bereits geplant Vizepräsidentin Valerie Schüller die Amtsgeschäfte führen.

 

Dass die Universitätsgremien überhaupt so schnell vorangekommen sind, hat auch mit dem enormen Druck von außen zu tun. In den vergangenen Tagen hatte Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) die zerstrittenen Universitätsgremien öffentlich aufgefordert, "die Reihen zu schließen". Inoffiziell hatte er dem Vernehmen nach mit der Option gedroht, selbst tätig zu werden und einen kommissarischen Präsidenten einzusetzen, sollte die Universität nicht bald eine von allen Seiten akzeptierte Übergangslösung präsentieren können. Allerdings war umstritten, ob für ein solches ministerielles Einschreiten überhaupt die vom Niedersächsischen Hochschulgesetz verlangten Voraussetzungen gegeben waren. 

 

Jetzt ist die Option "Staatskommissar" offiziell vom Tisch – zumindest insofern die Berufung des 68 Jahre alten Zellbiologen gelingt. Dies sei, sagen manche, schon von seinem Alter her schwierig, weil das Landeshochschulgesetz eine Obergrenze setzt. Andere Juristen sehen dagegen kein Problem.

 

Strohschneider soll in einem zweiten Schritt
Vorsitzender des Stiftungsrates werden

 

Dass Peter Strohschneider Mitglied des Stiftungsrates werden soll, kommt für viele Beobachter ebenfalls überraschend. Er soll, ist zu hören, Anfang Januar ernannt werden – also genau dann, wenn seine Amtszeit als Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft endet. In einem zweiten Schritt soll der 63 Jahre alte Mediävist dann dem Vernehmen  auch den Vorsitz des Stiftungsrates übernehmen, den seit Krulls Rücktritt Barbara Ischinger kommissarisch führt. Allerdings müsste Strohschneider dazu noch extra vom Stiftungsrat gewählt werden.

 

Universitätssprecher Richter bestätige, dass das Ministerium der Universität einen Vorschlag für Krulls vakanten Platz im Stiftungsausschuss Universität unterbreitet habe, den der Senat in seiner Sitzung am 18. September beraten und gegebenenfalls beschließen werde. Mit der Bestellung zum Mitglied im Stiftungsausschuss Universität gehe rechtlich die Übernahme der Mitgliedschaft im Stiftungsrat einher.

 

Im Juni hatte der Senat der Universität Göttingen Sascha Spoun mit großer Mehrheit zu Beisiegels Nachfolger gewählt, die Wahl war vom Stiftungsrat bestätigt worden. In der Folge war es zu Protestnoten von Professoren und zu zwei Konkurrentenklagen gekommen. Als bekannt wurde, dass die Kandidatenauswahl durch die Findungskommission unzureichend dokumentiert worden war, hatte Spoun vor zwei Wochen seinen Rückzug angekündigt. Einen Tag später hatte Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, als Vorsitzender des Stiftungsrates und der Findungskommission ebenfalls seinen Rücktritt erklärt.

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Kommentare: 3
  • #1

    Peter Kornblum (Freitag, 06 September 2019 03:56)

    Das wäre ja eine gute Variante, die der tatsächlichen Reputation dieser Einrichtung für den Moment gerecht würde. Hoffentlich können sich die internen Gremien jetzt schnell einigen.

  • #2

    Th. Klein (Freitag, 06 September 2019 13:41)

    z.K.
    Strohschneider war laut Vita bereits 2011/2012 Mitglied des Stiftungsrates der Universität Göttingen. Ist also kein unbekanntes Gremium für ihn und der "Wechsel" damit teilweise erklärbar.

  • #3

    Isabell (Freitag, 06 September 2019 15:42)

    Die immer gleichen Männer kommen in die Führung. Statt Querdenker wie Spoun zu rekrutieren. Mutlos - so werden deutsche Universitäten nicht zeitgemäß!