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"Kein Überblick"

Erneut kritisiert der Bundesrechnungshof das Bundesbildungsministerium. Diesmal geht es ums BAföG.

DER BUNDESRECHNUNGSHOF (BRH) erhebt erneut Vorwürfe gegen das Bundesbildungsministerium, und wieder geht es um die mangelnde Kontrolle der Länder bei deren Umgang mit Bundesmitteln. Das Haus von Anja Karliczek habe keinen Überblick über offene BAföG-Rückforderungen in Höhe von 139 Millionen Euro, kritisieren die Prüfer im BRH-Jahresbericht. BMBF und Bundesfinanzministerium hätten es versäumt, die nötigen Voraussetzungen für eine bessere Kontrolle zu schaffen – und das obwohl der Bund seit 2015 die Studienfinanzierung allein bezahlt. 

 

Im Frühjahr hatte der Bundesrechnungshof bereits massive Kritik an der bisherigen Abwicklung des Hochschulpakts geübt. Das 2006 beschlossene Bund-Länder-Programm habe wichtige seiner Ziele verfehlt, schrieben die Prüfer in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages. Es sei gekennzeichnet durch "Fehlentwicklungen, Verstöße im Haushaltsvollzug und ein intransparentes Berichtswesen". Es sei fraglich, ob die Bundesländer die Gesamtfinanzierung des Hochschulpakts im mit dem Bund vereinbarten Umfang gesichert hätten, doch sei das aufgrund des intransparenten Berichtswesens kaum nachvollziehbar. 

 

Im Vergleich zu den 20,2 Bundesmilliarden beim Hochschulpakt mag sich das jetzt bemängelte Volumen beim BAföG bescheiden ausnehmen, doch unangenehm sind die neuen Vorwürfe für das BMBF trotzdem.

 

Die Hälfte der Länder konnte
dem Bund nicht adäquat berichten

 

Ihr Hintergrund ist technisch komplex: Der Bund finanziert das BAföG zwar zu 100 Prozent, doch für die Abwicklung vor Ort sind weiter die Länder zuständig. Wie erfährt nun der Bund, was mit seinem Geld passiert? Dafür existiert normalerweise das sogenannte Kassenverfahren des Bundes, das auch ein Zentrales Überwachungsverfahren umfasst. Beim Elterngeld zum Beispiel, das ebenfalls der Bund zahlt und die Länder verteilen, sind letztere verpflichtet, die Verfahren des Bundes zu nutzen. Mit dem Ergebnis, dass der Bund detaillierte (die Prüfer sagen: "belastbare") Informationen zur Mittelverwendung erhält, aber auch zu den Rückforderungen und ihren Ursachen. 

 

Beim BAföG, kritisiert der BRH, sei das anders: BMBF und Bundesfinanzministerium hätten das Haushaltsrecht seit 2015 nicht entsprechend angepasst. Mit dem Ergebnis, dass nicht einmal bekannt sei, wie viele der Rückforderungen am Ende als Ausfälle abgeschrieben werden müssten. 

 

So schreiben die Prüfer: Auf die regelmäßigen Anfragen des Bildungsministeriums seien "nicht alle Länder" in der Lage gewesen, "dem BMBF Details zu Fallzahlen oder Rückforderungen zu melden." Dies sei auch so geblieben, nachdem das BMBF aufgrund einer früheren Prüfung des Bundesrechnungshofes das Meldeverfahren erweitert hatte. "Zum nächsten Abfragetermin konnte die Hälfte der Länder keine vollständigen Meldungen liefern. Als Grund gaben sie an, dass sie die vom BMBF verlangten Angaben zur Struktur der Forderungen nicht erfassen oder elektronisch auswerten. Überdies stellte das BMBF zum Teil signifikante Abweichungen zu vorher übermittelten Daten fest."

 

Auch mit den IT-Systeme der Länder, berichten die Prüfer, gebe es Probleme: Sie müssten nicht die "die Anforderungen des Bundes an eine ordnungsmäßige und sichere Bewirtschaftung" erfüllen. Die Folge seien "teilweise deutliche Mängel…, vor allem beim Vier-Augen-Prinzip."

 

BMBF: Das bestehende
Verfahren hat sich bewährt

 

Das BMBF weist die Problemdarstellung des BRH als unzutreffend zurück. Das Ministerium lasse sich im Rahmen seiner Bundesaufsicht laufend von den Ländern zum Stand der offenen Forderungen "umfassend berichten. Es bedarf somit auch keiner grundlegenden Revision des bestehenden Zahlungsverfahrens im BAföG."

 

Die Mittel für die Studienfinanzierung seien haushaltsrechtlich als "sonstige Zuweisungen an die Länder" eingestuft und würden von den Ländern grundsätzlich in ihre Haushalte übernommen. Mit dieser "Vereinnahmung" handele es sich "aus kassenrechtlicher Sicht – auch nach Einschätzung des Bundesministeriums der Finanzen" nicht mehr um Bundesmittel. Im Übrigen sei das bestehende Kassenverfahren "seit mehr als 40 Jahren bewährt" und gewährleiste die rechtzeitige Auszahlung des BAföG an die Leistungsberechtigten.

 

Auf eine gewisse Tradition kann freilich auch der Bundesrechnungshof verweisen. Bereits 2012 hatte er das BMBF dafür kritisiert, dass es "die Ausführung des BAföG durch die Länder nicht wirksam beaufsichtigt" habe. Und das war noch vor der großen Reform von 2015, die die Sache nochmal dringlicher gemacht hat. 

 

Auch die Digitalisierung der Antragstellung
klappt bislang nicht richtig

 

Unter Druck stehen Bund, vor allem aber die Länder in Sachen BAföG noch an anderer Stelle. Eine parlamentarische Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Jens Brandenburg hatte kürzlich ergeben, dass derzeit nur jeder 500. Antrag auf Studienfinanzierung online gestellt wird. 

 

Die Bundesregierung sprach in ihrer Antwort von "Verbesserungspotential bei der Online-Antragstellung… in Hinblick auf die Nutzerfreundlichkeit der Anträge". Eine sehr zurückhaltende Wertung. Oppositionspolitiker Brandenburg wurde deutlicher: "Das ist eine Blamage für die Länder, die das BAföG seit Jahren digitalisieren sollen." Auch sei "beschämend", fügte Brandenburg hinzu, dass die online verfügbaren BAföG-Rechner keine verlässlichen Ergebnisse lieferten. "Das hält viele eigentlich Förderberechtigte schon von der aufwändigen Antragstellung ab. Das monatelange Warten auf den Förderbescheid verschärft die Unsicherheit enorm."

 

Doch die Bundesregierung verspricht Besserung. Bund und Länder arbeiteten gemeinsam daran, die Online-BAföG- Antragstellung "künftig bundesweit einheitlich nutzerorientiert anzubieten". Die erste "digitale Skizze" eines Prototyps liege vor: In einem "Digitalisierungslabor" sei in den vergangenen Monaten "in einem nutzerzentrierten, agilen Vorgehen eine digitale Zielvision eines BAföG-Online- Antrags entwickelt" worden, ein "sogenannter Klick-Dummy". Der Prototyp sehe zunächst die Antragstellung per Web-Anwendung vor, in einer "späteren Ausbaustufe" sei eine App vorgesehen. 

 

Klingt noch ziemlich unbestimmt, zumal eine genaue Zeitangabe fehlt und  die Länder sich  seit Jahren mit einer anderen Bildungs-Digitalisierungsbaustelle herumschlagen: der Hochschulzulassung. Beim BAföG werde das viel schneller und besser gehen, hört man demgegenüber aus Projektkreisen. 

 

Auch zur Bearbeitungsdauer äußerte sich die Bundesregierung: Die hierfür erforderliche Personal- und Sachausstattung liege "in der alleinigen Verantwortung der Länder". Die Verfahrensdauer der BAföG-Antragsbearbeitung werde durch die Bundesregierung nicht gezielt und systematisch überprüft. Was davon wohl der Bundesrechnungshof hält?

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Kommentare: 1
  • #1

    Elmar Neitzert (Freitag, 13 Dezember 2019 13:36)

    Das Problem liegt doch schon in System begründet.
    Der Bund gibt Geld für Themen bei denen die originäre Zuständigkeit bei den Ländern liegt. Wenn das (politisch) so gewollt ist, dann müssen auch die Länder für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung gradestehen.