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Beschluss der Kultusminister lässt auf sich warten

Es gibt weiter Diskussionen über die gemeinsame KMK-Erklärung. Jetzt soll sie wohl am Dienstag kommen. Eine grundsätzliche Neupositionierung ist allerdings nicht zu erwarten.

AM FREITAG WAREN die Kultusminister zur Videoschalte verabredet, doch auch bis Montagabend haben sie sich noch nicht auf einen gemeinsamen Beschluss einigen können. 

 

Es gebe keinen grundsätzlichen Dissens, versichern Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK) im Hintergrund. Darin, dass sie am täglichen schulischen Regelbetrieb so lange wie möglich festhalten wollen, seien sich die Ressortchefs alle einig. Allerdings besteht offenbar Uneinigkeit darüber, ob und in welcher Form die KMK in ihrer Erklärung direkt Bezug auf die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) nehmen soll. Das RKI hatte Schwellenwerte unter anderem für das Tragen von Masken auch während des Unterrichts und für das Umschalten auf den teilweisen Distanzunterricht formuliert, diese allerdings (im Gegensatz zu zahlreichen Presseberichten) bewusst nicht als automatischen Übergang definiert. 

 

Fest scheint schon jetzt zu stehen, dass die Kultusminister keine gemeinsame Haltung bei der Maskenfrage verkünden werden. Das RKI empfiehlt das Tragen auch im Unterricht für alle Schüler ab Klasse 1, sobald ein Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage erreicht wurde, wobei die Empfehlungen den Behörden explizit einen Ermessensspielraum lassen.

 

Als "alternative bzw. ergänzende Indikatoren (bezogen auf lokales/regionales Infektionsgeschehen" nennt das RKI: "Größere einzelne oder mehrere Ausbrüche o. community transmission (Infektionsketten nicht mehr nachvollziehbar oder. nachverfolgbar, zunehmender oder hoher Anteil an Fällen ohne bekannten Quellfall); hohe Testpositivenrate in repräsentativer Stichprobe", eine "Überlastung" des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder der Gesundheitsversorgung".  

 

Allerdings soll sich der Ermessensspielraum auf die regionale Ebene beziehen, doch unterscheiden sich die von den Kultusministern beschlossenen Regeln eher von Land zu Land. So gilt zum Beispiel in NRW ab Klasse fünf Maskenpflicht im Unterricht, im Saarland für alle Schüler ab Klasse zehn, Niedersachsen oder Bremen hingegen verzichten gänzlich darauf. Was wiederum vollends gegen die RKI-Logik läuft (siehe unter anderem zur Maskenfrage meinen Kommentar vom Freitag).

 

Ansonsten waren sich die Kultusminister einig, dass sie künftig alle regelmäßig die Zahlen der infizierten Schüler und Lehrer und der von Infektions-/Verdachtsfällen betroffenen Schulen erheben wollen – so dass es bundesweit aggregierte Statistik geben könnte. 


In der Kultusministerkonferenz geht man davon aus, dass die gemeinsame Erklärung morgen veröffentlicht werden kann.

 

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, kritisierte unterdessen im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) die Kultusminister. Das Ziel, die Schulen in der Pandemie offen zu halten, teile sein Verband voll und ganz. "Alle Lehrer wissen: Unter Schulschließungen leiden vor allem die Schüler, die zu Hause nicht so gut gefördert werden können. Die Lehrer wollen nichts lieber tun, als in der Klasse ihre Schüler zu unterrichten." Doch: "Ich sehe aber nicht , dass die Minister das Notwendige dafür tun."

 

Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben unterdessen ihr Spitzengespräch zu weiteren Corona-Maßnahmen angesichts der weiter exponentiell steigenden Zahlen von Freitag auf Mittwoch vorverlegt.  


Aufwärts und abwärts

Deutlich mehr Kinder und Jugendliche infizieren sich mit dem Coronavirus, doch die Dynamik bleibt geringer als in der Gesamtbevölkerung. Und: In den Ländern mit Herbstferien haben sich die Schüler sogar etwas häufiger angesteckt.

 

Die Zahl der nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Kinder und Jugendlichen ist in der vergangenen Woche auf einen neuen Rekordwert geklettert. Den vorläufigen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge wurde die Infektion deutschlandweit bei 5803 Menschen zwischen 0 und 14 festgestellt, das sind gut 2300 (+66,1 Prozent) mehr als in der Woche zuvor. Trotzdem entwickelte sich der Anteil der neuinfizierten Kinder und Jugendliche weiter unterdurchschnittlich, weil die Neuinfektionen binnen Wochenfrist um mindestens 72 Prozent zulegten. Aktuell liegt der Anteil der Kinder und Jugendlichen an allen Neuinfizierten damit bei 8,09 Prozent –nach 8,38 Prozent in der Vorwoche und einem Höchststand von 15,5 Prozent Mitte August.

 

Noch stärker unterdurchschnittlich entwickelten sich übrigens die Neuinfektionen bei den 15- bis 19-jährigen Schülern. Sie legten im vorläufigen Wochenvergleich "nur" um 59 Prozent  auf 4680 Fälle zu, ihr Anteil an allen Neuinfektionen sank von 7,04 auf 6,52 Prozent. 

 

Dass bei jüngeren Kindern insgesamt deutlich weniger Neuinfektionen festgestellt werden, ist seit langem bekannt. Ein Vergleich der absoluten Zahlen zeigt dies eindrucksvoll. Die 0- bis 4-Jährigen stehen in der vergangenen Kalenderwoche mit 1433 neuen Fällen in den RKI-Datenbanken, die 15- bis 19-Jährigen, von der Kohortengröße vergleichbar, mit besagten 4680 Corona-Meldungen. Auch deshalb plädieren Forscher dafür, im Falle eines Lockdowns zwischen jüngeren und älteren Kindern zu differenzieren und Kitas und Grundschulen in jedem Fall offenzuhalten. 

 

Interessant ist der Vergleich zwischen den neun Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein), die in den vergangenen zwei Kalenderwochen Ferien hatten, und den fünf Ländern (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen), in denen die Kinder währenddessen zur Schule gehen mussten. Dabei fällt auf, dass den vorläufigen Daten zufolge die Zahl neuinfizierter 5- bis 19-Jähriger in den Ferienländern in der zweiten Ferienwoche sogar etwas stärker gestiegen ist (+63,9 Prozent) als in den Ländern, wo keine Herbstferien waren (+61,0 Prozent). Der Unterschied ist nicht gewaltig, deutet aber darauf hin, dass Schulen trotz häufiger werdender Ausbrüche keine große Rolle im Pandemiegeschehen spielen.  

 

Einschränkend ist festzuhalten, dass die Testzahlen für die vergangene Woche vom RKI erst morgen bekanntgegeben werden. Sollten diese in der genannten Altersgruppen deutlich niedriger ausgefallen sein als in der Vorwoche, hätte sich dies auf die Zahlen ausgewirkt. Allerdings war ein ähnlicher Schuleffekt (bremsende Wirkung auf die Neuinfektionen) bereits im Spätsommer zu beobachten gewesen. 


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