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Viel Geld für die KI-Forschung, weniger für die KI-Hochschullehre

Bund und Länder einigen sich auf zwei Programme zur Künstlichen Intelligenz – der Digitalpakt Hochschule dürfte damit endgültig vom Tisch sein.

BUND UND LÄNDER HABEN heute zwei neue Bund-Länder-Programme zur KI-Förderung an den Hochschulen "auf den Weg gebracht", wie es in der Pressemitteilung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) heißt. "Auf den Weg gebracht" – weil die Verwaltungsvereinbarung "Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung" noch im Umlaufverfahren beschlossen werden muss. Die GWK versicherte jedoch, man habe sich "auf alle Einzelheiten des neuen Programms verständigt". Dem Vernehmen nach muss noch mindestens ein Landeswissenschaftsminister die Zustimmung seines Finanzministerkollegen einholen – was aber als Formalie gilt. 

 

Insgesamt sollen für KI in der Hochschullehre über die nächsten vier Jahren bis zu 133 Millionen fließen. 120 Millionen davon übernimmt der Bund und gibt damit 20 Millionen Euro mehr als zunächst angeboten. Die Länder beteiligen sich mit 10 Prozent bzw. 13 Millionen Euro an der Finanzierung. Die Mittel sollen über ein wissenschaftsgeleitetes Auswahlverfahren vergeben werden. Für Einzelanträge sind bis zu zwei Millionen Euro vorgesehen, für Verbundanträge bis zu fünf Millionen. 

 

Die Fördersumme für die KI-Forschung ist weitaus höher als für die Lehre. Die seit 2019 zunächst befristet geförderten fünf KI-Kompetenzzentren an verschiedenen Universitätsstandorten sollen vom 1. Januar 2022 an zu Dauereinrichtungen werden und dann auch dauerhaft von Bund und Ländern finanziert werden – vorbehaltlich einer erfolgreichen wissenschaftlichen Begutachtung.

 

Dreimal so viel Geld für die Kompetenzzentren
wie für die Hochschullehre

 

Der Bund gibt für die institutionelle Förderung künftig pro Jahr 50 Millionen Euro, was pro Kompetenzzentrum auf 7,5 bis 12,5 Millionen hinausläuft. Die Sitzländer geben nochmal 50 Millionen dazu. Macht 100 Millionen – und damit dreimal so viel wie der jährliche Förderbetrag für die Lehre. Die Weiterentwicklung des seit langem bestehenden Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das ebenfalls im Rahmen der Kompetenzzentren-Förderung Geld erhielt, solle parallel dazu "vorangebracht werden", teilt die GWK mit. Eine entsprechende Zusatzerklärung wurde auf Betreiben des Saarlandes, wo sich der DFKI-Hauptsitz befindet, ins GWK-Sitzungsprotokoll aufgenommen. 

 

Die fünf Zentren sind Zusammenschlüsse von Teilbereichen mehrerer Hochschulen, auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen können sich beteiligen. Sie befinden sich in Berlin (BIFOLD – Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data), Baden-Württemberg (TUEAI – Tübingen AI Center), Bayern (MCML – Munich Center for Machine Learning), Nordrhein-Westfalen (ML2R – Kompetenzzentrum Maschinelles Lernen Rhein-Ruhr) und in Sachsen (ScaDS.AI – Center for Scalable Data Analytics and Artificial Intelligence in Dresden/Leipzig). 

 

Im Vorfeld der heutigen Entscheidungen hatte es ein deutliches Rumoren in den Ländern ohne Kompetenzzentren, aber auch in den Regierungsfraktionen im Bundestag gegeben. So hatte der forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek, in einem Brandbrief an Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) eine "zukunftsfähige Lösung" gefordert. Der Mittelansatz für KI-Hochschullehre sei zu niedrig im Verhältnis zur vorgesehenen Fördersumme für die Kompetenzzentren. Für ein ausgewogenes Verhältnis sei es notwendig, dass das BMBF für die Hochschullehre mindestens so viel Geld pro Jahr zur Verfügung stelle wie für die Kompetenzzentren. Zudem hatte die SPD-Fraktion im Bundestag eine KI-Forschungsförderung unterhalb der Kompetenzzentren gefordert. Diese sei nötig, damit die KI-Forschungslandschaft über die Verstetigung der Kompetenzzentren hinaus "so bewegungsfähig und flexibel" bleibe, dass "ein Maximum an wissenschaftlicher Kompetenz aufgebaut werden kann".

 

Der digitalpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tankred Schipanski, hatte vergangene Woche kritisiert, Karliczek habe ohne den Bundestag entschieden, die KI-Kompetenzzentren zukünftig über den Grundgesetz-Artikel 91b finanzieren zu wollen. "Sinn dieser Verfassungsreform ist ausweislich der Gesetzesbegründung und der damaligen Bundestagsdebatte zufolge, Exzellenz in der Spitze und Breite zu fördern. Es soll somit eine Unwucht im Wissenschaftssystem vermieden werden." Nun gelte es, die gesamtstaatlichen Interessen zu wahren. "Das heißt denklogisch, dass die Bundesländer, die von einer  Bundesförderung in der Spitze nicht profitieren, einen Ausgleich erhalten müssen. "Was sich das BMBF und die GWK diesbezüglich  vorstellen, ist dem Bundestag bisher noch nicht bekannt", sagte Schipanski weiter. Von einer solchen ausgleichenden Förderung war von der GWK zumindest heute nichts zu hören.

 

Karliczek: Diskussion um Digitalpakt
Hochschule "obsolet"

 

Eigentlich hatten die Bundesländer im Frühjahr einen Digitalpakt Hochschule gefordert, was Karliczek mit dem Angebot des Programms für die KI-Hochschullehre gekontert hatte. Im Interview heute hier im Blog sagte die Bundesministerin: "Ich verstehe ja das Anliegen, mehr Mittel an Land zu ziehen." Doch stecke im "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken" viel Geld für die Digitalisierung an den Hochschulen. "Ab 2021 bis 2023 fließen zunächst einmal 1,88 Milliarden an Bundesmittel in Hochschulen, für die die Länder zuständig sind. Die Länder haben sich in dem Pakt verpflichtet, durch die Digitalisierung Qualitätsverbesserungen in Studium und Lehre zu erreichen."

 

Mit Blick auf die heute verabschiedeten KI-Programme und die ebenfalls heute gestartete neue Stiftung für Hochschullehre sagte Karliczek, es würden durch neue Maßnahmen in den nächsten vier Jahren bis zu einer halben Milliarde Euro an BMBF-Haushaltsmitteln in das Hochschulsystem fließen, "um Universitäten und Fachhochschulen in der Breite bei der Transformation im digitalen Zeitalter zu unterstützen". Insofern dürfte die Diskussion um einen Digitalpakt Hochschule "bald obsolet" sein. 

 

In jedem Fall dürften die Länder mit ihrer heutigen Zustimmung zu den KI-Programmen ihren letzten Hebel, um doch noch zu einem Digitalpakt Hochschule zu kommen, aus der Hand gegeben haben.

 

Dass für die Verstetigung der Kompetenzzentren deutlich mehr Geld als für die Hochschullehre fließen soll, verteidigte Karliczek. Es handele sich um "Leuchttürme der Spitzenforschung, die über einen Wettbewerb ausgewählt wurden und sich in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt haben. Sie strahlen auch auf die gesamte Hochschullandschaft aus und es gibt viele Kooperationen mit Universitäten und Fachhochschulen."  

 

Der SPD-Bildungspolitiker Kaczmarek sagte heute auf Anfrage, der Beschluss der GWK sei "ein richtiger Schritt". Der Bund übernehme damit nicht nur Verantwortung für die Spitzen- sondern auch für die Breitenförderung. "Ich hätte mir gleichwohl einen größeren Schritt in eine ausgewogene Förderung der künstlichen Intelligenz in Spitze und Breite gewünscht. Dies bleibt jetzt eine Aufgabe für die Vergabe der KI-Mittel aus dem Zukunftspaket." 

 

Kaczmarek CDU-Kollege Tankred Schipanski sagte, die GWK-Beschlüsse seien "grundsätzlich zu begrüßen". Die KI-Kompetenzzentren würden erstmals über den neuen Grundgesetz-Artikel 91b finanziert. "Damit wird Exzellenz durch den Bund gefördert, die betroffenen Sitzländer zudem stark entlastet." Durch die Protokollnotiz zum DFKI und das Programm zur KI-Hochschullehre  engagiere sich der Bund aber auch in der Breite. Insofern werde der Bund dem Grundgedanken des Artikels 91b gerecht. Der dürfe "immer nur spiegelbildlich zur Anwendung kommen. Das haben wir gemeinsam mit den Ländern durchgesetzt, denn vom BMBF war es ursprünglich anders geplant."

 

Es zeige sich, betonte Schipanski, dass es wichtig sei, dass Parlament "zukünftig in die Entscheidung der Finanzierungen nach Artikel 91b einzubeziehen". Eine kaum verhohlene Kritik an Ministerin Karliczek. Angesichts seiner kernigen Forderungen noch vor einer Woche (Stichwort "Ausgleich" für die Länder ohne Kompetenzzentren) klang Schipanskis Statement allerdings heute deutlich genügsamer.


Bund und Länder küren acht NHR-Rechenzentren

Ebenfalls in ihrer heutigen Sitzung beschloss die GWK die erstmalige Aufnahme von acht Rechenzentren in die gemeinsame Förderung des Nationalen Hochleistungsrechnens an Hochschulen (NHR). Pro Jahr fließen bis zu 62,5 Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln in die NHR-Rechenzentren, die Forschern an Hochschulen überall in Deutschland genug Rechenkapaztitäten für ihre Arbeit zur Verfügung stellen sollen. 

 

Gefördert werden: das IT-Center der Technischen Hochschule Aachen, das Zuse-Institut der Berlin University Alliance, das Hochschulrechenzentrum der Technischen Universität Darmstadt,   

das Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen an der TU Dresden, das Regionale Rechenzentrum Erlangen an der Universität Erlangen-Nürnberg, die Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung an der Universität Göttingen, das Steinbuch Centre for Computing am Karlsruher Institut für Technologie und das Paderborn Center for Parallel Computing an der Universität Paderborn.

 

Begutachtet wurden die eingereichten Bewerbungen durch die DFG, die Bewertung übernahm ein von der GWK eingesetzter "unabhängiger Strategieausschuss".



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