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Haushaltsausschuss sperrt 190 Millionen Euro Hochschulpakt-Gelder fürs kommende Jahr

Damit reagiere man auf die scharfe Kritik des Bundesrechnungshofs, heißt es aus dem Ausschuss. Auch das neue Programm für die KI-Hochschullehre legen die Haushälter vorerst auf Eis – und setzen Bundesforschungsministerin Karliczek und die Länder unter Druck.

ES IST EIN DOPPELTER SCHLAG. Für die Hochschulen. Für die Länder – und für Anja Karliczek. In seiner jährlichen Bereinigungssitzung hat der Haushaltsausschuss des Bundestages rund 190 Millionen Euro an Hochschulpakt-Gelder, die nächstes Jahr zur Auszahlung anstanden, vorerst gesperrt. Außerdem verfügte das Gremium, dass auch die Finanzierung für das vor zwei Wochen beschlossene Bund-Länder-Programm für "KI in der Hochschulbildung" auf Eis gelegt wird – bis das BMBF ein Konzept vorgelegt hat. Hier sollten bereits nächstes Jahr die ersten von insgesamt 120 Bundesmillionen fließen (zuzüglich zehn Prozent Länderanteil). Umgekehrt planen die Haushaltspolitiker, in den nächsten Jahren insgesamt 1,2 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Forschung auszugeben.

 

Außerdem fasste der Ausschuss heute einen Grundsatzbeschluss, der Karliczek noch zusätzlich schmerzen wird. Der Ausschuss erwarte, heißt es darin wörtlich, "dass ihm die Bundesregierung bei künftigen Bund-Länder-Verhandlungen vor Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Ohne eine angemessene Information und Beteiligung des Haushaltsausschusses wird er keine Mittel für Bund-Länder-Vereinbarungen mehr freigeben."

 

Das BMBF teilte am späten Nachmittag mit, es sei zuversichtlich, "dass die Länder die notwendigen Maßnahmen ergreifen werden, um dem Anliegen des Haushaltsausschusses für eine zeitnahe zweckentsprechende Verwendung der Mittel des Hochschulpakets gerecht zu werden. Es ist im gemeinsamen Interesse von Bund und Ländern, dass die Mittel des Hochschulpaktes für den vereinbarten Zweck verwendet werden können." Womit Karliczek umgehend versuchte, als Reaktion auf den Ausschuss-Beschluss zum Hochschulpakt ein Umleitungsschild in Richtung Länder aufzustellen. Zum geforderten Gesamtkonzept für den Einsatz der KI-Mittel sagte ihr Ministerium, dieses werde werde es dem Haushaltsausschuss "in Kürze vorlegen, um dem aktuellen Anliegen des Ausschusses Rechnung zu tragen". 

 

Der Beschluss hatte sich
schon angedeutet

 

SPD-Haushaltspolitiker Swen Schulz sagte auf Anfrage, bei den gesperrten Hochschulpakt-Mitteln handele es sich um 15 Prozent der bis 2023 vorgesehenen Auslauffinanzierung. Diese umfasst allein 2021 insgesamt rund 1,28 Milliarden Euro, danach gehen die Beträge allerdings schnell zurück. Er begründete die Entscheidung mit "der scharfen Kritik des Bundesrechnungshofes (BRH) an der Umsetzung des Hochschulpaktes durch Bundesländer und Hochschulen. "Die Mittel können entsperrt werden, wenn die Ausgabereste ohnehin niedrig sind oder erkennbar abgebaut und dem Zweck des Hochschulpaktes gemäß für Studienplätze und bessere Lehre eingesetzt werden."

 

Der BRH hatte den Hochschulpakt nach dem vorigen Jahr vor wenigen Wochen in einem zweiten Bericht erneut scharf kritisiert. Den Hochschulen warfen die Prüfer vor, sie hätten bis Ende 2018 mindestens 3,7 Milliarden an Ausgabenresten gebunkert, außerdem hätten sie das Geld teilweise gar nicht für die Verbesserung der Hochschullehre eingesetzt.

 

Dass die Haushälter reagieren würden, hatte sich bereits angedeutet. "Das können wir als Ausschuss nicht einfach so stehen lassen", hatte Schulz kürzlich im Interview zu Protokoll gegeben. "Und einige der Beispiele, wofür die Hochschulen Paktmittel ausgegeben haben, von neuen Parkplätzen bis zu irgendwelchen Räumen der Stille, sind haarsträubend. Geld, das der Bund den Ländern überweist, damit die Hochschulen damit neue Studienplätze aufbauen und die Lehre verbessern können, muss dann auch da ankommen, wo es gebraucht wird." Der Chef-Haushälter der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg, hatte im selben Interview hinzugefügt: "Teilweise fragt man sich, was in Landesregierungen vorgeht, die so agieren, dass der Bundesrechnungshof überhaupt solche Beispiele finden kann. Mir kann keiner erzählen, dass das alles unbemerkt von den politischen Verantwortlichen passiert ist."

 

Grüne: Der Ausschuss nimmt
Karliczek an die kurze Leine

 

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (ebenfalls CDU) könnte beim Hochschulpakt neben den Verantwortlichen in den Ländern (siehe das BMBF-Zitat oben) außerdem noch auf ihre Vorgängerin Johanna Wanka verweisen, die die zugrundeliegende Verwaltungsvereinbarung verantwortet hatte. Letzteres hat Karliczek zwar nie getan, zugleich aber mehrfach versichert, dass beim 2021 beginnenden Hochschulpakt-Nachfolgeprogramm "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken" die Ausgabenkontrolle besser funktionieren werde.

 

Keinerlei Ausrede aus Sicht der Haushaltspolitiker hat Karliczek indes beim der neulich mit ihren Länderkollegen geschlossenen Verwaltungsvereinbarung zur KI-Hochschulbildung. Die Kritik, die Schulz, Rehberg und ihre Kollegen fraktionsübergreifend üben, ist die seit Jahren immer aufs Neue geübte: dass die Exekutive (also BMBF und Finanzministerium) den Haushaltsgesetzgeber (also das Parlament) vor dem Abschluss millionen- oder gar milliardenschwerer Verträge nicht einmal informiert, geschweige denn um Einvernehmen bittet – dann aber erwartet, dass die Abgeordneten die Vereinbarungen im Paket abnicken. SPD-Politiker Schulz formuliert das so: Mit der Sperre der KI-Mittel "haben wir deutlich gemacht, dass der Haushaltsausschuss künftig vor dem Abschluss solcher Vereinbarungen von Bund und Ländern von vornherein einbezogen werden und seine Ansichten einbringen können muss."

 

Die grüne Haushaltspolitikerin Ekin Deligöz sagte nach dem heutigen Beschluss: "Die vielen Mittelsperrungen durch den Haushaltsausschuss zeigen einmal mehr, dass das BMBF gut darin ist, viel Geld und Projekte ins Schaufenster zu stellen, aber in der eigentlichen Umsetzung ein großes Defizit aufweist. Hier nimmt der Ausschuss die Ministerin erneut an die kurze Leine."

 

Ähnlich äußerte sich der Digital- und Haushaltspolitiker Tankred Schipanski (CDU):  "Der Haushaltsausschuss nimmt unsere parlamentarischen Rechte wahr. Wiederholt hat das BMBF die Hinweise der Fachpolitiker ignoriert, stärker in den Controlling-Prozess einbezogen zu werden sowie selbstverständlich vor den Abschluss von etwaigen Bund-Länder-Vereinbarungen oder Verwaltungsvereinbarungen beteiligt zu werden." Der Beschluss des Ausschusses sei daher "vollumfänglich zu begrüßen. Nach der jüngsten Odyssee des BMBF um die Errichtung der KI-Kompetenzzentren nach Grundgesetz-Artikel 91b in der GWK war ein solcher Beschluss fällig. Über den Haushalt entscheidet das Parlament und nicht das Ministerium."

 

HRK: Bund und Länder müssen jetzt
gemeinsam eine Lösung finden

 

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt, sagte, die Sperrung von Bundesmitteln zur Ausfinanzierung des Hochschulpakts bis 2023 schmerze. "Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Leistung der Hochschulen, die seit Beginn des Hochschulpakt etwa 1,5 Millionen zusätzliche Studienfängerinnen und Studienanfängern aufgenommen haben. Die Mittelsperre selbst sowie deren Konditionalisierung über einen beschleunigten Abfluss noch nicht verausgabter Mittel unterläuft die Realität mittelfristiger Finanzplanungen der Hochschulen, die Einnahmen aus dem Hochschulpakt nicht einfach zurückgehalten haben, sondern für konkrete und terminierte Zwecke in Studium und Lehre über mehrere Jahre zurückgestellt haben." Die HRK forderte von Bund und Länder Beratungen über ein gemeinsames Vorgehen, "das den Erwartungen des Haushaltsgesetzgebers entspricht, dabei aber die Anzahl der Studienplätze und die Qualität von Studium und Lehre nicht gefährdet und die Interessen der Hochschulen einbezieht".

 

Positiv hob Alt hervor, dass der Haushaltsausschuss mit seinem heutigen Beschluss den Zukunftsvertrag unterstütze. "Damit wird eine nachhaltige Finanzierungsperspektive für Studium und Lehre der Hochschulen gewährleistet, was angesichts der zunehmenden Aufgaben und Leistungen der Hochschulen in diesem Bereich einen notwendigen Schritt darstellt, um den zurecht hohen Erwartungen an die Qualität akademischer Lehre an deutschen Hochschulen weiterhin entsprechen zu können." 

 

Die schleswig-holsteinische Wissenschaftsministerin Karin Prien (CDU) sagte, sie bedaure die Entscheidung des Haushaltsausschusses. Die Länder hätten die Vereinbarung mit dem Bund eingehalten. "Auch Rücklagenbildungen durch die Hochschulen widersprechen der Vereinbarung keineswegs, sondern sind fast zwangsläufige Folgen der besonderen Bedingungen des Hochschulpakts." Offenbar sei es aber weder dem BMBF noch den Wissenschaftsministerien der Länder bislang gelungen, den Haushaltsausschuss diese Gründe anschaulich darzulegen. "Das müssen wir nachholen, um Schaden von unseren Hochschulen, die sich keine Unregelmäßigkeiten vorzuwerfen haben, abzuwenden." Der Hochschulpakt sei ein großer Erfolg, fügte Prien hinzu: Die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger sei von rund 350.000 im Jahr 2005 auf jährlich gut 500.000 gestiegen. Auch die Erhöhung des Frauenanteils am Personal sowie die Stärkung der Fachhochschulen und der MINT-Fächer seien nachweisbar erreicht worden. Trotz deutlich steigender Studierendenzahlen und der für viele Studienfächer nicht auskömmlichen Pauschalvergütung, die der Hochschulpakt vorsehe, habe die Betreuungsrelation stabil gehalten werden können. "Dies war nur mithilfe steigender Landeszuschüsse für die Hochschulen möglich."

 

Das föderale Pingpong-Spiel 

geht in die nächste Runde

 

Mit den Haushaltssperren und dem Grundsatzbeschluss wiederholt sich derweil das föderale Pingpong-Spiel aus dem vergangenen Jahr. Damals, wenige Wochen vor Unterzeichnung von Zukunftsvertrag, Pakt für Forschung und Innovation und weiteren milliardenschweren Bund-Länder-Abkommen, hatte der Haushaltsausschuss von Karliczek gefordert, ihnen unverzüglich den Wortlaut der frisch verabredeten Wissenschaftspakte offenzulegen. Karliczek hatte dem Ausschuss erwidert, ohne Zustimmung der Länder, die ja in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) ihre Verhandlungspartner waren, dürfe sie das nicht – um dann nur einen Tag vor der entscheidenen Ausschuss-Sitzung doch Einsicht zu gewähren. Auf der Zielgeraden hatte Karliczek die Parlamentarier auch insofern beschwichtigen können, dass diese ihre Forderung nach neue Beteiligungsrechte des Bundestages bei künftigen Pakt-Verhandlungen zwischenzeitlich zurückstellten. Damit ist es jetzt vorbei.

 

Während die Hochschulen die Beschluss daher doppelt schmerzen, gibt es für Karliczek immerhin auch gute Nachrichten aus der Bereinigungssitzung. So erhöhten die Haushaltspolitiker die Finanzierung für den Rettungsschirm Ausbildung um 150 Millionen auf 500 Millionen Euro, und für die gerade bis zum Ende des Wintersemesters verlängerte Corona-Überbrückungshilfe und die vergünstigten KfW-Studienkredite gaben sie weitere 200 Millionen Euro frei. Zum Vergleich: Bislang hatte das BMBF für beide Programme 150 Millionen im Topf. Von den 100 Millionen für die Überbrückungshilfe waren noch knapp 30 Millionen übrig.  

 

Die zusätzlichen Mittel für die Überbrückungshilfen könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese strukturell an den Bedarfen von notleidenden Studierenden vorbeigingen, sagte die grüne Haushaltspolitikerin Deligöz. "Dass Frau Karliczek sich lieber mit dem eingestellten Geld rühmt, als auf die Appelle der Studierendenvertretungen und den tatsächlichen Nöten einzugehen, ist komplett verfehlt und kaltschnäuzig."

 

Für digitale Schulbildung genehmigte der Haushaltsausschuss 100 Millionen. Der größte Brocken davon, 90 Millionen, ist für den Aufbau der geplanten bundesweiten Bildungsplattform für alle Bildungsbereiche vorgesehen, inklusive der parallel vorgesehenen digitalen Plattform für die berufliche Bildung – und außerdem für die vom Koalitionsausschuss Ende August beschlossenen "Bildungskompetenzzentren für digitalen und digital gestützten Unterricht". Wobei auch hier die Botschaft für Karliczek eine bittersüße ist: Denn der Haushaltsausschuss hat auch diese 90 Millionen gesperrt – bis zur "Vorlage eines Umsetzungskonzeptes". 

 

Spendabel zeigen sich die Haushaltspolitiker in Richtung Universitätsmedizin. Der Der Erfolg des entstandenen Netzwerkes habe "so überzeugt, dass wir es verstetigen und thematisch ausweiten wollen: 290 Millionen Euro stehen dafür bis 2024 zur Verfügung", sagte Schulz. Mehr Geld soll es auch für die Demenzforschung, die Sozial- und Geisteswissenschaften, die Alternativen zu Tierversuche, die Pflanzenzüchtung und die Wissenschaftskommunikation geben, außerdem für die Alphabetisierung. 

 

Schließlich werden diverse neue Forschungseinrichtungen finanziert: ein Fraunhofer-Zentrum für Biogene Wertschöpfung und Smart-Farming mit Standorten in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, Fraunhofer-Standorte Immunologie, Infektions- und Pandemieforschung in Bayern, Hamburg, Potsdam und Berlin sowie ein neues Fraunhofer-Institut für Öffentliche Sicherheit in Berlin. Darüber hinaus erhielten Helmholtz-Einrichtungen zusätzliche Mittel für Infektionsforschung, teilte SPD-Politiker Schulz mit. "Nicht zuletzt wird das Universitäre Herzzentrum abgesichert mit 100 Millionen Euro bis 2028." Insgesamt stünden über 1,2 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung in den nächsten Jahren zur Verfügung. 

 

2021 kann das BMBF damit rund 20,8 Milliarden Euro ausgeben, 500 Millionen mehr als zuvor veranschlagt. In den Folgejahren kommen gegenüber der bisherigen Planung weitere fast 700 Millionen Euro hinzu.

 

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung und Forschung, der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann, sprach von einem "wichtigen Signal "an die Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer und Wissenschaftsinstitutionen im ganzen Land. Diese Mittelerhöhung ist der besonderen Lage in der Corona-Pandemie aber auch angemessen, denn wir müssen dafür sorgen, dass Bildungsarmut verhindert und digitale Bildungsteilhabe ermöglicht wird." Gleichzeitig sei die Bundesrepublik mehr denn je auf Spitzenforschung im eigenen Land angewiesen und wolle auch den europäischen und internationalen Bildungsaustausch weiter voranbringen. "Die Corona-Krise hat außerdem gezeigt, wie wichtig verlässliche Informationen in der öffentlichen Debatte sind. Deshalb bin ich froh, dass der Haushaltsausschuss auch über zwei Millionen Euro mehr für die Wissenschaftskommunikation beschlossen hat, die jetzt für digitale Innovationen im Wissenschaftsjournalismus, mehr Weiterbildung und neue Forschungsprojekte eingesetzt werden können."


"Wir müssen nicht die besten Freunde der Regierung sein"


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Kommentare: 3
  • #1

    Karla K. (Donnerstag, 26 November 2020 20:16)

    Wenn Karin Prien das Unverständnis über die Rücklagen der Hochschulen als Kommunikationsproblem einstuft und behauptet, die Hochschulen hätten "sich keine Unregelmäßigkeiten vorzuwerfen", dann bestätigt sie letztlich das Kernproblem: Die zuständigen Landesministerien haben jeglichen Zugriff auf ihre befreiten Hochschulen verloren und versuchen verzweifelt zu vertuschen, dass ihnen die Hochschulleitungen auf der Nase herumtanzen können. Es ist insbesondere auch dieser Schulterschluss zwischen unwilligen Ministerien und autokratisch agierenden Hochschulleitungen, der die Zustände vor Ort immer desaströser werden lässt. Vielleicht sollte Frau Prien mit ihren Kolleg*innen mal in die Niederungen des Hochschulalltags herabsteigen und sich nicht von Hochglanzbroschüren und Marketinggeschwätz blenden lassen.

    Und was die Verwendung von Steuergeldern betrifft, ist es doch ganz einfach: Tranzparenz und öffentliche Rechenschaftslegung! Dann kann sich jede*r selber ein Bild davon machen, ob es sich um Unregelmäßigkeiten oder um ein Kommunikationsproblem handelt.

  • #2

    Benjamin B. (Freitag, 27 November 2020 13:20)

    Interessante Denkweise meiner Vorrednerin. Sie fordern Trasparenz ein (immer gut), aber wollen schon vorab wissen, dass "autokratische Hochschulleitungen" wem auch immer auf der Nase herumtanzen?

    Wenn Sie doch so gut informiert sein wollen, was sagen Sie denn zu dem gut 10 Jahre tatsächlich vorhandenem Problem, dass die HP-Mittel immer nur befristet für wenige Jahre versprochen waren, man aber gleichzeitig erwartete, dass man damit langfristig Personalzuwächse schafft? Jedem halbwegs vernünftig kaufmännisch denkenden Mensch - und davon gibt es innerhalb der "befreiten Hochschulen" viel mehr, als Sie offensichtlich vermuten - ist doch klar, dass man dann Mittel ansparen muss.
    Siehe oben: Ab 2021 extrem stark sinkende Zuschüsse. Wer nun Planungen gemacht hat, diese Mittel bis 2023/24 (schon vorher bekannte Ausgabengrenze) konstant auszugeben, hat dann eben genau diese Mittel noch auf der hohen Kante, um sie dann auszugeben, wenn es keine bzw. nur noch geringe Zuweisungen gibt.

  • #3

    Karla K. (Samstag, 28 November 2020 14:33)

    Lieber Herr B.,

    mit dem Bogen, den Sie schlagen, dass eine Einschätzung "autokratische Hochschulleitungen, die irgendwem auf der Nase herumtanzen" als unzulässiger Vorgriff auf die Erkenntnisse von Transparenz zu verstehen wäre, hängen Sie mich dann doch ein bisschen ab - Sie nutzen zwar einzelne von mir verwendete Formulierungen, konstruieren dabei aber einen Zusammenhang, der nicht der meine ist, um sich von diesem abzugrenzen und mir diesen vorzuhalten. Der Wertung als "autokratisch" liegen viele Facetten zugrunde, in denen sich dies im Hochschulalltag ausdrückt. Ich freue mich aber über jeden Hinweis auf Hochschulen, deren Leitung ernsthaft und umfassend Partizipation und Beteiligung als zentrale Handlungsprinzipien lebt.

    Auch der Zusammenhang bzw. die Problematik von HSP-Zuweisungen und der Erwartung langfristiger Personalzuwächse erschließt sich mir vorliegend nur bedingt (auch, wer diese Erwartung formuliert, die Sie problematisieren und eine Positionierung meinerseits einfordern). Abstrahieren wir es doch mal kaufmännisch: Ich (Hochschule) erhalte Geld (HSP-Mittel), um ein bestimmtes Produkt (Studienplätze) zu liefern. Der Auftraggeber (Bund und Länder) erwartet, dass ich zunächst das Volumen des Produkts kontinuierlich steigere, geht aber davon aus, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt die Nachfrage sinken wird, so dass das Volumen des Produkts entsprechend runtergefahren werden kann. So würde ich (sehr vereinfacht) die Logik begreifen, die hinter der ursprünglichen Planung der zunächst steigenden, dann zum Ende des Programms hin sinkenden HSP-Zuweisungen steht. Hinsicht der kaufmännischen Perspektive wäre dann der Personalbestand, der zur Erbringung des jeweiligen Produktvolumens erforderlich ist, in der letzten Phase entsprechend reduziert zu kalkulieren. Mit einer solchen Kalkulation (des gegen Null sinkenden Bedarfs) aber das 2-Fache des HSP-Jahresvolumens (in seiner maximalen Ausbaustufe) als Rücklage zu begründen, darf meines Erachtens dann durchaus infrage gestellt werden. (Dass die HSP-Annahme des sinkenden Bedarfs der tatsächlichen Entwicklung nicht entsprach, steht außer Frage, braucht aber hier für die HSP-inhärente Argumentation nicht berücksichtigt zu werden.)

    Hinzu kommt nun, dass die Begründung der Hortung von HSP-Mitteln für schlechte Tage, in denen es keine HSP-Mittel mehr geben wird, auch deshalb fragwürdig ist, weil sich Hochschulfinanzierung ja nicht nur auf die HSP beschränkt und insbesondere in den letzten Jahren ihre Basis verloren hat: Dass es, aufgrund des nicht-sinkenden Bedarfs, ein Nachfolgeprogramm werden würde, zeichnete sich seit langem ab, auch wenn Höhe und Modalitäten nicht im Detail feststanden. Aber selbst wenn man lange nicht von einem Nachfolgeprogramm ausgegangen wäre: Spätestens mit der Vereinbarung des "Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken" hätten die Haushälter in den Hochschulen die Verausgabung des überwiegenden Teils der angesammelten Gelder angehen können.

    Schauen wir uns die Situation in NRW an, macht die Begründung letztlich sogar ziemlich sprachlos: In NRW wurde bereits 2016 festgelegt, dass 250 Mio. Euro des Hochschulpakts (ca. ein Viertel) aufwachsend verstetigt und in die Hochschulhaushalte überführt werden. Wenn vor diesem Hintergrund der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Universitäten in NRW, Lambert T. Koch, konsequent das Argument der finanziellen Unkalkulierbarkeit bemüht und gleichzeitig die geschaffene Sicherheit vorsätzlich verschweigt (wie zuletzt in seinem Beitrag in der Novemberausgabe von "Forschung & Lehre"), dann bleibt eigentlich nur Erstaunen über so viel Chuzpe. (Dass ein solcher Beitrag ungeprüft und unkommentiert in der "Forschung & Lehre" erscheinen darf, kann dann durchaus auch als bedenklich eingestuft werden.) Ebenfalls unter den Tisch fallen lässt Herr Koch, dass den Hochschulen in NRW seit vielen Jahren 250 Mio. Euro zur Qualitätsverbesserung von Studium und Lehre zur Verfügung stehen (als Kompensation der früheren Studiengebühren), und zwar unbefristet und hinsichtlich der Verausgabung weitgehend zur freien Verfügung (ohne, übrigens, dass sich dies in einem substanziellen Anstieg des Anteils unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse widerspiegeln würde). Ich belasse es an dieser Stelle damit (auch wenn sich zur Rolle der "zuständigen" Ministerien noch viel schreiben ließe, ebenso, auf wessen Kosten die HSP-Hortungen gegangen sind und gehen).

    Ich schlage lediglich noch den Bogen: Wären die Hochschulen in der Pflicht einer öffentlich zugänglichen detaillierten Rechenschaftslegung, wären Beiträge wie der von Herrn Koch und Äußerungen wie die von Frau Prien und zuletzt auch Frau Bauer wohl eher nicht vorstellbar.