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Eine Aufbau-Agenda für Europa und ein Neustart für die föderale Bildungspolitik

Bildung, Wissenschaft, Forschung: Worauf kommt es an im neuen Jahr? Eine To-Do-Liste für 2021 und darüber hinaus. Ein Gastbeitrag von Ernst Dieter Rossmann.

Foto: "Sunrise", Federico Respini / Unsplash.

DAS JAHR 2020 hat in der Politik für Bildung, Wissenschaft und Forschung viele Antworten gegeben und gleichzeitig viele Fragen aufgeworfen. Diese sind von Jan-Martin Wiarda in seinem ebenso traditionsreichen wie immer wieder anregenden Bildungs- und Wissenschaftsausblick umfänglich und tiefsinnig angesprochen worden.

 

Als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung möchte ich hier den politischen Blick dazu stellen und mir gleichzeitig anmaßen, dies nicht nur aus der Perspektive eines Bundespolitikers zu tun, sondern ganz bewusst auf alle politischen Ebenen von Europa bis zu den Kommunen zu reflektieren. Ist das eigentlich statthaft? Mit scheint es in jedem Fall notwendig, denn nicht zuletzt das Jahr der Corona hat uns allen gezeigt, dass Globales und Lokales nicht voneinander zu trennen sind. Also ganz nüchtern: Was steht auf der To-Do-Liste über 2021 und darüber hinaus?

 

Europa ist immer

im Blick zu halten

 

Nach dem Vollzug des Brexit und dem Anschlag der britischen Konservativen auf das Erasmus-Programm in der träumerischen Hybris, wenn schon nicht Europa zu pflegen, dann die ganze Welt mit britischer Exzellenz zu erobern, sind nun die Scherben zusammenzukehren. Ein neues faires Assoziierungsabkommen 


Ernst Dieter Rossmann ist SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.

Foto: Susie Knoll.


wird so zu verhandeln sein, dass möglichst viel Bildungs- und Wissenschaftsaustausch mit dem Vereinigten Königreich erhalten bleibt. Erbsenzählerei, die Johnson bei Thatcher gelernt hat, wird da nicht der Maßstab sein dürfen. Erasmus ist für die Jugend der Inbegriff des vereinten Europas, und für die Jugend Europas muss es deshalb eine Perspektive auch nach der Bigotterie der Brexiteers und ihrer potentiellen Adepten in anderen Ländern geben. Die Beschädigung von Erasmus ist auch deshalb so bitter, weil unter deutscher Federführung im 


Europäischen Rat eine wirklich bemerkenswerte Steigerung des Programmvolumens für die nächsten sieben Jahre verhandelt werden konnte. Mit Blick auf den vollwertigen Europäischen Bildungsraum 2025 – dieses verlockende Versprechen der Kommissionspräsidentin aus Deutschland – wird 2021 die Agenda von Digitalisierung, Aufwertung der beruflichen Bildung, europäischen Hochschulen und Erasmus-Akademien zur Lehrenden-Qualifizierung von der Kommission konkret umzusetzen und von den Ratspräsidentschaften Portugals und Sloweniens engagiert zu begleiten sein.

 

Dass ausgerechnet Portugal das absolut enttäuschende Ergebnis zur Europäischen Forschungsförderung für die nächsten sieben Jahre mit aufzufangen haben wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, hatten sich doch im Jahr 2000 die Mitglieder der Europäischen Union in ihrer legendären Lissabon-Strategie auf das große Ziel verpflichtet, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Forschung und Entwicklung zu investieren und so zum größten wissenschafts- und innovationsgeleiteten Wirtschaftsraum der Welt werden zu wollen. Dabei sollten alle EU-Staaten mitgenommen werden und die Schere zwischen den forschungsstarken und den forschungsschwächeren geschlossen werden.

 

20 Jahre danach muss leider festgehalten werden: Die Schere ist nicht geschlossen worden. 21 von 27 Mitgliedsländern liegen nach den Eurostat-Zahlen noch immer unter dem Durchschnittswert und acht von 27 haben einen BIP-Anteil von unter einem Prozent. Hier braucht es einen durchgreifenden Konvergenzplan, eine Aufbau-Agenda, bei der nicht Forschungskonkurrenz, sondern Forschungskooperation das Leitbild für das Zusammenwachsen von Zentrum und Peripherie und für den Abbau des Nord-Süd-Gefälles ist. Und es braucht mehr zweckgebundene Forschungsmittel der EU. Was Europa in Forschung und Entwicklung und in Anwendung und Umsetzung leisten kann und muss, haben Corona und die Suche nach den Vakzinen in 2020 deutlich gemacht. Die Fehler und Lücken werden hier in 2021 aufzuarbeiten sein.

 

Aus der Stärke des Bundes

darf keine Schwäche werden

 

Es ist ja ohne Zweifel richtig, dass Bildung, Forschung und Innovation im Bundeshaushalt in der absoluten Höhe einen Stellenwert in 2020 bekommen haben, wie es vorher in diesem Ausmaß noch nie der Fall gewesen ist. 20,8 Milliarden allein im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sind ein Allzeithoch, das Zeichen setzt und für die Zukunft verpflichtet. Denn diese Mittel müssen 2021 auch tatsächlich nach Plan verausgabt werden, sonst sind Kürzungsauflagen in 2022 zwangsläufig. Und sie müssen in ihrer Wirksamkeit und Zukunftsfähigkeit mit Kompetenz, Überzeugung und Optimismus vertreten werden.

 

Bund, Länder und Kommunen stehen dabei in einer gemeinsamen Finanzierungsverantwortung für eine dauerhafte Qualität in der dauerhaften digitalen Ertüchtigung von Schulen, Berufsschulen und Hochschulen. Bund, Länder und Kommunen müssen den Rechtsanspruch auf Ganztagsschule in Qualität gemeinsam und dauerhaft stemmen. Haushaltskürzungen in 2022 und den Folgejahren dürfen jedenfalls nicht die Antwort auf die dramatischen Lernzeitkürzungen für die Jugend in Deutschland in den Jahren 2020 und 2021 sein. Das muss schnell klargestellt werden. Und zwar unmissverständlich.

 

Im Gegenteil: Das Allzeithoch insbesondere für die Forschung und die Innovation im Haushalt 2021 muss die Bildungsförderung auf Bundesebene mitziehen und für 2022 einen weiteren nachhaltigen Finanzierungsaufbau für die berufliche und die akademische Aus- und Weiterbildung vorbereiten. Exzellente Wissenschaft und Hightech-Forschungsstrategien sind in der Umsetzung angewiesen auf das Risiko- und Investitionskapital der für Innovationen aufnahmefähigen Unternehmen, vom Startup bis zum Weltchampion. Wenn Forschung in Wertschöpfung umgesetzt werden soll, braucht es dafür aber auch die Angelernten, die Fachkräfte, die Techniker, die Entwickler und Ingenieure, die ausreichend Zeit und Belohnung für ihre ständigen Weiterbildungsbemühungen bekommen müssen.

 

Auch dass das Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise mit einer zusätzlichen Förderung von Weiterbildung im Mindestumfang von 120 Stunden und weiteren Anreizen für mehr Weiterbildung in der Kurzarbeit ab Juli 2021 verknüpft wird, ist hier eine richtungweisende Wegmarke. Das Ziel muss der Rechtsanspruch auf eine mindestens dreijährige Erstausbildung sein, ob beruflich oder akademisch, und  auf mindestens drei Jahre Weiterbildung im Erwerbsleben, ob allgemein oder beruflich. Die Ausfüllung dieser Bundeskompetenz muss in 2021 endlich angegangen werden, damit aus einer aktuellen Stärke an Wirtschaftskraft nicht eine mittelfristige Schwäche an innovativer Wertschöpfung für Deutschland wird.

 

Länderpolitik ist

mehr als Schulpolitik

 

Es war ein gutes Zeichen für die gemeinsame Bildungspolitik der Länder, dass Stefanie Hubig 2020 die europäische Bildung zum Leitthema ihrer einjährigen Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz (KMK) gemacht hatte. Erfolgreich hat Hubig die KMK zudem zum Abschluss der neuen gemeinsamen Ländervereinbarung zur Bildung führen können. Allerdings war es ein mehr als bedauerlicher Rückschlag für die Bildungsrepublik Deutschland, dass der gemeinsame Bildungsrat von Bund, Ländern und Kommunen durch das Vorgehen von zwei Ländern der "Lega Süd" in Deutschland auf eine Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK zurückgestuft wurde, kurz nachdem viel Geld des Bundes für die Hochschulen und Digitalisierung abgegriffen war.

 

Der Bund hat sich von diesem Affront einiger Länder in seiner Souveränität nicht beeindrucken lassen und in der Corona-Krise für die schnellere Digitalisierung an den Schulen noch einmal kurzfristig 1,5 Milliarden draufgelegt. Diese Souveränität und Kooperationsbereitschaft sollten die Länder wiederum in 2021 auch gegenüber dem Bund einerseits und den Kommunen andererseits zeigen können, denn beide Seiten gehören nun wirklich nicht an den Katzentisch einer Ständigen Wissenschaftlichen Kommission, wenn es um die Zukunft des Bildungswesens insgesamt geht. Schließlich ist die Kultusministerkonferenz auch keine Schulministerkonferenz, und so sollten auch die für die Kommission zu berufenden Wissenschaftler nicht ausschließlich Schulexperten sein.

 

Es muss entsprechend dem Nationalen Bildungsbericht, der sich als wichtiger Sachstandsbericht zur Bildungssituation in Deutschland etabliert hat, auch in der Arbeit der Kommission und der KMK um die ganze Bildungsbiographie von der frühen Kindheit bis ins Alter gehen. So sehr es in der Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen bei Digitalisierung, Ganztagsausbau, bei Bildungsintegration und Inklusion in 2020 auch geruckelt und geknirscht hat, der nicht nur von Corona erzeugte Zwang zur Kooperation und deren wirklich bedeutende Leistungen und Ergebnisse sollten allen Beteiligten als Erfahrung für 2021 und darüber hinaus eine Lehre sein. Wenn die Bildungsrepublik wirklich gelingen soll, wird dieses nur mit einem Kooperationsgebot etwas werden können. Oder dieses hehre Ziel versackt im Stellungskrieg zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

 

Solidarität von der gemeinsamen Sache her wird für die Zukunft auch notwendig sein, um Chancengleichheit überall in Deutschland zu sichern und die soziale Diskriminierung und Bildungsarmut als offene Wunde des deutschen Bildungssystem erfolgreich anzugehen. Jede internationale Vergleichsstudie für die Schulen zeigt, dass Deutschland einen Sockel an fehlender Kompetenz und Leistungsfähigkeit hat, der wie festgemauert erscheint und mit Arbeitslosigkeit, materieller Armut und Bildungsferne korreliert.

 

Zugleich werden Bildungsmittel in Deutschland noch immer nach Verteilungsschlüsseln an die Länder und die Kommunen gegeben, die dem Matthäus-Prinzip folgen und nicht der sozialen Bedarfslage in Kommunen, Schulen und Familien. Dass Bayern und Baden-Württemberg für ihre verhältnismäßig geringe Zahl von Kindern in Bedarfsgemeinschaften, um einen prägnanten Indikator von relativer Armut zu nennen, pro Kopf das Vierfache von dem ertrotzt haben, was Bremen oder Berlin erhalten, um damit digitale Endgeräte für ihre Kinder in Armut ausgeben zu können, das darf sich als "erpresserischer Raubzug" jedenfalls nicht wiederholen. Es ist an der Zeit, dass das Ziel der gleichen Bildungschancen über einen Bund-Länder-Finanzausgleich zur Bildungsförderung positiv neu durchbuchstabiert wird.

 

Die kommunalen Seite

endlich ernst nehmen

 

Die Gemeinden und Zweckverbände in Deutschland stellen in absoluten Zahlen mit 36,9 Milliarden Euro zwar nur ein Drittel der Länderausgaben für Bildung, aber mehr als dreimal so viel wie der Bund. Hinzu kommt: Die Kommunen geben fast 58 Prozent mehr für Bildung aus als vor zehn Jahren, die Länder aber nur 48 Prozent, der Bund nicht einmal 35 Prozent zusätzlich. Dass ein Großteil der kommunalen Mehrausgaben in Kindertagesstätten und die frühkindliche Bildung floss, wird nur von Menschen abwertend kommentiert werden, die ignorant sind gegenüber diesem wichtigsten Abschnitt in der gesamten Bildungsbiographie jedes Menschen.

 

Ein solcher Einwand würde auch das Potential verkennen, dass Kommunen in Ausstattung wie Qualität von der frühkindlichen Bildung über die Infrastruktur bei den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen bis hin zur Bildungssozialarbeit und der immer wichtiger werdenden allgemeinen Weiterbildung, sprich Erwachsenenbildung und Seniorenbildung, entwickeln und noch weiter ausbauen können. Die Kommunen sind der Ort für Initiativen zur sozialen Stadt, die auch immer Bildungsförderung einschließen sollten, zur Pflege von Bildungspartnerschaften, der hauptamtlichen Schulassistenz, der ehrenamtlichen Bildungsunterstützung und Familien – und der Nachbarschaftshilfe. Gerade diese Erkenntnis sollte nach den Coronazeiten nicht wieder vergessen werden: Für gute Bildung braucht es starke Kommunen. Kommunen, die zur Bildungsförderung bereit sind und zum Kampf gegen die Bildungsarmut besonders engagiert. 

 

Dafür ein konkretes Beispiel: Mit dem 2011 geschnürten und 2020 erweiterten Bildungs- und Teilhabe-Gesetz haben rund 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren einen Anspruch auf eine "schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung…, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen", so Paragraph 28(5) des Sozialgesetzbuches II. Hieraus müssten die Kommunen doch gezielt etwas machen können und machen wollen im Kampf gegen Bildungsarmut, erst recht in Zeiten von Corona, aber auch darüber hinaus. Die erfolgreiche Klage von zehn Städten aus Nordrhein-Westfalen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die zu niedrige Bundesfinanzierung muss 2021 zwingend geheilt werden. Aber Geld ersetzt nicht das konkret gelebte kommunale und schulische Engagement. Und das wird gebraucht.

 

Und was sonst
noch zu tun ist

 

"Gut gebrüllt, Löwe", mag mancher an dieser Stelle ironisch denken mit Blick auf die knappe Zeit, die in dieser Legislaturperiode für die Arbeit im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und im Bundestag insgesamt noch bleibt. Das ist gewiss richtig, denn von den 72 Ausschusssitzungen dieser 19. Legislaturperiode sind nur noch 12 übrig. 

 

Große Gesetzesarbeit ist dabei nicht mehr zu erwarten. Die Themenvorausschau für den Ausschuss weist vor allen Dingen die Behandlung wichtiger Berichte aus. Zu nennen sind der 8. Bildungsbericht "Bildung in Deutschland 2020", das Jahresgutachten zur Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschland 2021, der Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs, der Berufsbildungsbericht, der Abschlussbericht der Enquete-Kommission "Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt", der Bologna-Bericht und der Bericht zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. Es werden die Nationale Bioökonomiestrategie genauso diskutiert wie die Rahmenprogramme zu Mikroelektronik und Quantentechnologien, die MINT-Strategie und die Strategie der Bundesregierung zur künstlichen Intelligenz. 

 

Bei allem bemerkenswerten Konsens, den die Fraktionen im Bundestag in der Priorität für Bildung, Wissenschaft und Forschung haben, wird sich in den nächsten Monaten das Profil der Parteien schärfen, wie es in einem Jahr mit einer Bundestagswahl und sechs wichtigen Landtagswahlen zur demokratischen Pflicht der Parteien gehört und notwendig ist. Der Bedarf ist groß an zukunftsfähigen Konzepten für ein leistungsfähiges BAföG und ein allgemeines Ausbildungsgeld, für das Recht auf Erstausbildung und Weiterbildung, für mehr Planungssicherheit am Arbeitsplatz Wissenschaft, für mehr Förderung für Frauen in der Forschung, für schnelleren Transfer der Forschung in die Anwendung und für eine nachhaltige Wertschöpfung in Deutschland. Die Ergebnisse werden dann im nächsten Jahr in einer neuen Koalitionsvereinbarung zu bewerten sein.

 

Die Krisenmanagement von Regierungen und Parlamenten bei der Bewältigung der Corona-Pandemie wird allerdings bis auf Weiteres auch im Jahr 2021 im Zentrum stehen. "Bildung zuerst", muss hier die Devise bleiben. Mit möglichst viel Konsens und mit möglichst wenig Besserwisserei und Alarmismus, mit der notwendigen gesundheitlichen Absicherung für die Kinder und Jugendlichen und für ihre Lehrkräfte in den Schulen und Hochschulen – und mit möglichst viel Unterricht und Lehre in Schulen und auf dem Campus direkt. Zu hoffen bleibt, dass Frustration und Ermüdung durch Motivation, Hoffnung und gemeinsame Anstrengungen aufgefangen werden können.

 

Die politischen Akteure sollten dabei Vorbild sein und notwendige Kräfte auch noch für weitere wichtige Anliegen und Zukunftsprojekte mobilisieren, die 2021 auf der Agenda stehen. Ich möchte abschließend fünf nennen:

 

1. Der "Wisskomm"-Prozess der Bundesregierung muss im April 2021 mit greifbaren Ergebnissen zum Abschluss geführt werden. Wissenschaftskommunikation ist demokratie- und zukunftsrelevant. Die konkrete Förderung des Wissenschaftsjournalismus darf dabei nicht ausgespart werden.

 

2. Deutschland hat über fünf Millionen Menschen im Erwerbsalter mit großen Schwächen in der Literacy und der Grundbildung. Die Alpha-Dekade von Bund und Ländern hat 2021 ihre Halbzeit. Hier braucht es eine selbstkritische Bestandsaufnahme für einen neuen Aufbruch. Das fehlende Tempo der jetzigen Erfolge verlängert dieses Drama sonst bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts. Das ist zu spät. 

 

3. Ohne eine ausreichende Zahl an pädagogischen Fachkräften von den Erzieherinnen und Erziehern bis zu den Lehrkräften für die allgemeinen und berufsbildenden Schulen fahren alle Bildungsambitionen absehbar gegen die Wand. Über die KMK muss es hier 2021 zwingend zu einer belastbaren Bedarfsprognose kommen, um dann die Ausbildungskapazitäten rechtzeitig verbindlich und gemeinsam in einer Allianz von Bund, Ländern und Kommunen zu erweitern.

 

4. Wissenschaft und Forschung können sich in einer Welt von Autokratie, Konkurrenz und Abschottung mehr denn je als Plattform für Freiheit, Kooperation und gemeinsame Verantwortung und Erfolg erweisen. Deutschland sollte mit und für Europa mittels neuer und konkreter Initiativen in der Außenwissenschaftspolitik in 2021 gezielt vorangehen.

 

5. Die schlimmste Pandemie seit 100 Jahren hat allen gezeigt, dass die großen Herausforderungen der Zukunft für die Menschheit nur gemeinsam zu bestehen sind: im Gesundheitsschutz, im Kampf gegen die Überhitzung der Erde, im Erhalt der Biodiversität und bei der Sicherung der natürlichen Ressourcen und Ernährungsgrundlagen. Dafür braucht es Grundlagenforschung in Freiheit und ohne Tabus. Und es braucht eine Konzentration von Hightech und Lowtech auf die wirklichen Bedürfnisse und Bedarfe anstatt auf Macht-, Markt- und Profitinteressen. Auch für diese große Debatte darf es im Jahr 2021 keinen Aufschub mehr geben. 


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