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Föderale Nadelstiche

Im November hat der Haushaltsausschuss des Bundestages das neue KI-Programm für die Hochschullehre gesperrt. Das Ziel der Abgeordneten: Das BMBF zu besserer Kommunikation mit dem Parlament zu erziehen. Derweil sitzen die Hochschulen in den Startlöchern. Lässt sich die Blockade nächste Woche auflösen?

Illustration: Gerd Altmann / Pixabay.

VIEL KONKRETES haben die verschiedenen Bundesministerien bislang nicht vorzuweisen bei der Realisierung der "Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung", die 2018 verabschiedet und zuletzt Ende 2020 fortgeschrieben wurde. Zeit wird es: Bis 2025 sollen nämlich inzwischen statt den ursprünglich geplanten drei jetzt sogar fünf Milliarden in die KI-Investitionen des Bundes fließen. Aufgestockt wurde mithilfe des "Konjunktur- und Zukunftspaketes".

 

Doch ausgerechnet einem der wenigen spruchreifen Projekte hat der Haushaltsausschuss des Bundestages dann auch noch Ende November vorläufig die Mittel gesperrt: dem Bund-Länder-Programm "KI in der Hochschulbildung", 120 Bundesmillionen (zuzüglich zehn Prozent Länderanteil) schwer, das die Hochschullehre modernisieren soll. Der Haushaltsausschuss verfügte, dass er die erste Tranche erst freigeben wird, wenn das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ihm ein Konzept vorgelegt hat. Ein Beschluss, den auch die Groko-Abgeordneten im Ausschuss mittrugen. Denn, wie die Parlamentarier übereinstimmend berichteten, das BMBF sei mehreren Aufforderungen, beim Thema KI-Vereinbarung inhaltlich Aufklärung zu schaffen, nicht nachgekommen.

 

Das Programm liegt auf Eis,
die Hochschulen sind genervt

 

Jetzt liegt das Programm also auf Eis, die Hochschulen sind genervt. Umso mehr, weil das KI-Programm das einzige Trostpflaster ist, das ihnen nach Absage eines Digitalpakts Hochschule durch Ministerin Karliczek bleibt. Auch einige Fachpolitiker fanden die Reaktion ihrer Kollegen aus dem Haushaltsausschuss übertrieben, und die für Anfang Januar vorgesehene Förderbekanntmachung lässt auf sich warten.

 

Dabei hatte die scharfe Reaktion des Ausschusses nur teilweise mit der Kommunikation ums KI-Vorhaben zu tun – und umso mehr mit den grundsätzlich gestörten Beziehungen zwischen den Haushaltspolitikern und dem BMBF. Seit Jahren schon kritisieren Bundestagsabgeordnete auch der Regierungsfraktionen, dass die Bundesregierung das Parlament über den Stand laufender Bund-Länder-Verhandlungen immer wieder nur unzureichend informiere und auf dieser Basis millionen- oder gar milliardenschwere Abkommen mit den Ländern abschließe. Für die der Bundestag dann aber anschließend die Haushaltstitel bewilligen solle. 



Weil aber gerade im Bildungsbereich die Zuständigkeiten höchstens formal klar, in der Finanzierungspraxis der Bund-Länder-Vereinbarungen aber oft ineinanderliefen, stehe die Bundesregierung umso stärker in der Pflicht, transparent zu handeln. Die KI-Sperre solle laut der grünen Haushaltspolitikerin Ekin Deligöz deshalb als Nadelstich dienen und als Signal: "Wir lassen uns nicht mehr von euch durch unzureichende Informationen an der Nase herumführen." Zugleich sei sie eine Ansage: "Wenn ihr euer Verhalten nicht ändert, kann euch das künftig öfter passieren."

 

Ganz in diesem Sinne fasste der Haushaltsausschuss Ende November zusätzlich einen Grundsatzbeschluss, der Karliczeks Ministerium künftig noch beschäftigen wird. Der Ausschuss erwarte, heißt es darin wörtlich, "dass ihm die Bundesregierung bei künftigen Bund-Länder-Verhandlungen vor Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Ohne eine angemessene Information und Beteiligung des Haushaltsausschusses wird er keine Mittel für Bund-Länder-Vereinbarungen mehr freigeben."

 

Doch was bedeutet all das für die Hochschulen, die gern zeitnah ihre KI-Ambitionen in der Lehre vorantreiben wollen? 

 

Ende November versicherte das BMBF auf Anfrage, das geforderte Gesamtkonzept für den Einsatz der KI-Mittel werde es dem Haushaltsausschuss "in Kürze vorlegen, um dem aktuellen Anliegen des Ausschusses Rechnung zu tragen".  

 

Ist gar nichts passiert in den
vergangenen zwei Monaten?

 

Acht Wochen später kommt aus Karliczeks Ministerium immer noch die fast identische Mitteilung: "Das BMBF strebt eine zeitnahe Aufhebung an und wird dem Haushaltsausschuss die dafür nötigen Informationen in Kürze zuleiten."

 

Also nichts passiert in der Zwischenzeit? Nicht ganz. Die Bund-Länder-Vereinbarung war zwar bereits am 13. November in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von den Wissenschaftsministern abgenickt worden – doch fehlte in der Sitzung mindestens einem von ihnen noch die Zustimmung seines Finanzministerkollegen. Weshalb die Vereinbarung formal erst im Umlaufverfahren beschlossen werden konnte – was laut BMBF noch einmal fast einen Monat, nämlich bis zum 10. Dezember gedauert hat.

 

Seitdem steht sie unter anderem auf der GWK-Website – wenn man weiß, wohin man klicken muss. Da kann man jetzt ganz offiziell nachlesen, dass mit dem Programmgeld erstens "KI als Studieninhalt" implementiert werden und zweitens die "Qualität, Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit" der Hochschullehre insgesamt verbessert werden sollen. Dass sich die Hochschulen mit einem Einzelantrag oder mit anderen Hochschulen im Verbund bewerben können. Und dass über die Anträge dann in einem wissenschaftsgeleiteten Auswahlverfahren entschieden wird. Pro Einzelantrag gibt es bis zu zwei Millionen Euro, für Verbundanträge bis zu fünf Millionen. 

 

Drückt das BMBF jetzt tatsächlich aufs Tempo? Fest steht: Voraussichtlich nächsten Mittwoch kommt der Haushaltsausschuss zu seiner nächsten Sitzung zusammen, dann könnte und müsste das Ministerium die Karten eigentlich auf den Tisch legen. Noch allerdings hat das Ministerium nichts geliefert; der entsprechende TOP fehlt bislang auf dem Entwurf der Tagesordnung für die Sitzung.

 

"Unkomplizierte"
Haushälter?

 

"Wir Haushälter können ganz unkompliziert sein, wenn es schnell gehen muss", verspricht Haushälterin Deligöz schon mal. Und ist gespannt, was das BMBF unter den "nötigen Informationen" versteht.

 

Ihr SPD-Kollege Swen Schulz verdeutlich derweil schon mal, dass es dafür eine Mindest-Messlatte geben wird. "Wir warten entspannt ab, was uns Länder und BMBF präsentieren", sagte er. "Ein überzeugendes Konzept wird von uns nicht verzögert oder gar blockiert." 

 

Das Gerangel zwischen Haushaltsausschuss und Ministerium dürfte sich bei künftigen Bund-Länder-Vereinbarungen fortsetzen. Indes stehen die Chancen gut, dass in Sachen "Künstliche Intelligenz in der Hochschullehre" dann tatsächlich noch dieses Jahr nicht nur der Wettbewerb startet, sondern auch erste Gelder fließen. Es wäre ein kleines Stück mehr Leben für die KI-Strategie der Bundesregierung.


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Kommentare: 2
  • #1

    Th. Klein (Donnerstag, 21 Januar 2021 10:36)

    Der Vollständigkeit halber sei auf folgende Ausschreibung hingewiesen, die im Januar veröffentlicht wurde:
    KI-Nachwuchs@FH (Schaffung, Verstetigung und Bündelung attraktiver Arbeits- und Forschungsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs an HF/ HAW im Bereich KI), nicht für Lehre und Unis, aber zumindest für den Wiss. Nachwuchs und die FHs/HAWs - gilt als Teil der KI-Strategie der Bundesregierung

  • #2

    Werner Lange (Montag, 25 Januar 2021 09:04)

    Warum übernimmt der Bund nicht einfach die Forschungsförderung, über DFG und die Außeruniversitären, und die Länder die Hochschulfinanzierung? Klare Zuständigkeiten und wenn einer Seite die Mittel fehlen, wird die Steuerverteilung angepasst.