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Zu viel Polemik gegenüber den Hochschulen?

Nach Krachs Hochschulgesetz-Vorstoß: Was sagen die Berliner Hochschulen, Studierenden und Abgeordneten? Und wie geht es jetzt weiter? Eine Umfrage.

BERLINS HOCHSCHULSZENE reagiert gemischt auf die Kompromiss-Signale aus der Wissenschaftsverwaltung. Staatssekretär Steffen Krach (SPD) hatte im Interview hier im Blog skizziert, wie er die geplante Novelle des Berliner Hochschulgesetzes trotz hitziger Debatten noch in dieser Legislaturperiode über die Bühne bringen will. Gleichzeitig verwahrte er sich gegen die Kritik der Rektoren, versprach dennoch Nachbesserungen, sagte aber auch, unter welchen Umständen er die Reform lieber doch ganz abblasen würde. 

 

Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Sabine Kunst, sagte, sie hätte sich "weniger Polemik gegenüber den Argumenten der Hochschulen" gewünscht. Bessere Rahmenbedingungen für Beschäftigung, Teilzeitstudium, Gleichstellung und Diversität hätten die volle Unterstützung der Universitäten. "Neue Strukturen gehen aber zulasten von Forschung und Lehre, wenn sie nicht zusätzlich finanziert werden." Kunst verwies in dem Zusammenhang auf eine Berechnung der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen (LKRP), die im Falle der Umsetzung des bisherigen Entwurfs auf Mehrkosten von 35 Millionen Euro pro Jahr kam. 

 

Krach hatte die bisherige Kritik der Hochschulleitungen am Gesetzentwurf im Interview mit der Bemerkung gekontert, diese sei teilweise "sehr zugespitzt" gewesen. "Ich hätte eine etwas intelligentere und vor allem sachlichere Stellungnahme erwartet." Was die Hochschulleitungen behauptet hätten, "stimmt inhaltlich schlicht nicht". Auch schienen manche in den Präsidien und Dekanaten nicht mehr in Erinnerung zu haben, "was alles miteinander besprochen wurde, aus welchen Gründen auch immer."

 

Gleichzeitig machte Krach den Hochschulleitungen auch Zugeständnisse. So soll vor den nächsten Hochschulvertragsverhandlungen doch keine neue Kommission aus Abgeordneten, aus der Senatsverwaltung und Mitgliedern der Landesrektorenkonferenz eingerichtet werden. Eine weitere im Entwurf vorgesehene Gesetzesänderung werde der Senat abschwächen, kündigte Krach an. Mit dem Ergebnis, dass die Hochschulen ihre künftigen Struktur- und Entwicklungspläne der Senatsverwaltung doch nicht zur Zustimmung vorlegen müssen, sondern nur zur Kenntnisnahme.

 

Doch auch die Nachbesserungen, die Krach in Aussicht gestellt habe, reichten nicht aus, sagt HU-Präsidentin Kunst. "Die uns vorliegende Neufassung der Erprobungsklausel würde die künftigen Gestaltungsspielräume der Hochschulen beschneiden und uns in Verbindung mit den Übergangsbestimmungen zwingen, bewährte Regelungen rückabzuwickeln."

 

Die Berliner LandesAstenKonferenz betonte derweil, Steffen Krach habe zu recht herausgestellt, dass es aktuell die Hochschulrektor:innen, Präsident:innen und Dekan:innen seien, "die den ganzen Prozess in Frage stellen. Nach mehreren Jahren konstruktiver Gespräche mit der Politik wünschen wir uns als Studierendenvertretungen, dass sich die Politik der Probleme annimmt, die die Verantwortlichen in den Hochschulen jahrelang nicht angegangen sind." Dafür hätten sich die Studierenden konstruktiv in den Prozess eingebracht und der Politik Vorschläge vorgelegt, "die vor allem in den Bereichen, die Herr Krach ebenfalls als Problemfelder identifiziert hat, Lösungen nahelegen und die Probleme ernsthaft angehen." Dass nicht alle davon mehrheitsfähig seien, sei der LandesAstenKonferent bewusst. "Dennoch führt kein Weg an einer ernsthaften Reformierung der Hochschulen vorbei."

 

Carsten Busch, Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), forderte, es müsse jetzt "Schluss mit den Spielchen sein", jetzt gelte: "Auf den Tisch mit dem konkreten Gesetzentwurf und ab ins Parlament damit." Dort gehörten Gesetze hin und entschieden. "Die Berliner Hochschulen brauchen klare Rahmenbedingungen und haben sie verdient." Dabei könne ein neues Gesetz helfen. Die Absicht, mehr Diversität zu ermöglichen könne er nur unterstützen, die Forderung nach mehr sicheren Stellen ebenfalls, "das kostet dann aber auch." Und was das von Krach hochgehaltene Ziel von mehr Demokratie an den Hochschulen angehe, lautet Buschs Replik: "Gern, allerdings hat Berlin wenige Institutionen, die mehr Mitbestimmung und Gremien pflegen als die Hochschulen." Busch erneuerte seine Forderung nach dem Promotionsrecht für Fachhochschulen, das im Gesetzentwurf fehlt: "Das 2-Klassen-System war schon im letzten Jahrhundert ein schlechter Witz."

 

Aus Sicht seiner Fraktion sei die scharfe Kritik der Hochschulen am Entwurf der Hochschulgesetz-Novelle berechtigt gewesen, sagt Adrian Grasse, der hochschulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Schließlich habe das bestehende Gesetz die Basis der positiven Entwicklung der Hochschulen gebildet, die darin enthaltene Erprobungsklausel habe ihnen die notwendige Flexibilität gesichert. "Diese positive Entwicklung nun aufs Spiel zu setzen, indem man die Novelle im Hauruckverfahren durchs Parlament peitscht, wäre fahrlässig." Daher sei er Krach "für seine ehrliche und abwägende Einschätzung des Verfahrens sehr dankbar". Beim weiter vorgesehenen flächendeckenden Teilzeitstudium etwa oder auch bei den „überbordenden Gremienstrukturen“ werde die CDU aber sicher nicht mitgehen, sondern im Abgeordnetenhaus eigene Änderungsanträge zum Gesetzesentwurf vorlegen. Eine große Novelle noch vor der Wahl lehnte Grasse ohnehin ab. „Die sollte dann in der kommenden Legislaturperiode erfolgen".

 

Tobias Schulze, stellvertretender Vorsitzender und wissenschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, warnte den Senat dagegen vor einem Spielen auf Zeit. "Ein weiteres Verschleppen des Verfahrens werden wir nicht akzeptieren. Zur Not holen wir den Gesetzentwurf vorzeitig ins Parlament." Viele sinnvolle Regelungen seien bereits im Senatsentwurf enthalten, die von Krach in Aussicht gestellten Nachbesserungen begrüßte Schulze ebenfalls. "Ich persönlich sehe die größten Modernisierungsbedarfe darüber hinaus bei den Themen Hochschulverträge, bei der Personalstruktur sowie im Bereich Studium und Lehre." Zum Promotionsrecht für Fachhochschulen sagte Schulze, die Fraktionen würden dafür sorgen, dass dies ebenso wie die Open-Science-Strategien der Hochschulen ins Gesetz komme. Zugleich kritisierte Schulze, dass die Orientierung auf Exzellenzwettbewerb, Drittmittel und die Erhöhung der Studierendenzahlen Kehrseiten habe. Wer in die Hochschulen hineinhöre, werde viel Frust bei Beschäftigten und Studierenden finden." Wer diesen Frust zugunsten der hochglänzenden Oberfläche links liegen lässt, gefährdet die Leistungsfähigkeit unseres Hochschulsystems auf lange Frist."




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Kommentare: 3
  • #1

    Fassungslos (Donnerstag, 20 Mai 2021 10:57)

    "Die Absicht, mehr Diversität zu ermöglichen könne er nur unterstützen, die Forderung nach mehr sicheren Stellen ebenfalls, "das kostet dann aber auch.""

    Ich würde mir wünschen, dass die Politik hier endlich mal klar macht, dass die Einhaltung von Gesetzen auch für die Hochschulen nicht fakultativ ist. Wenn ich daran denke, wie häufig in den unverbindlichen Absichtserklärungen der Hochschulen entgegenkommend darauf hingewiesen wird, dass sie "Stellen den Vorrang vor Stipendien" geben wollen - so als wäre der §611a BGB für sie außer Kraft gesetzt und sie könnten nach persönlichem Gusto entscheiden, wann sie Stellen einrichten oder Stipendien vergeben. Gibt es eigentlich irgendeine andere Personengruppe als die Kanzler und Rektoren der Hochschulen, die immer wieder öffentlich mit äußerster Selbstverständlichkeit erklärt, dass sie nur dann beabsichtigen, sich an Gesetze zu halten, wenn man sie dafür bezahlt?

  • #2

    Carsten Busch (Freitag, 21 Mai 2021 13:52)

    Liebe/r "Fassungslos",
    welche Hochschule meinen Sie? Ihr Text lässt ahnen, dass Sie persönlich betroffen sind und ich hoffe, dafür finden sich gute Lösungen. Für die HTW Berlin muss ich Ihre Unterstellungen ganz klar zurückweisen: Wir halten uns an Gesetze, wir fahren einen sehr klaren Diversity- und Antidiskriminierungskurs und wir schaffen so viele sichere Stellen, wie irgend möglich. Jederzeit nachweisbar. Wenn aber der Gesetzgeber sagt, es solle mehr Stellen oder neue Aufgaben geben, sollte er auch die Finanzierung klären: 3 Paar Schuhe kosten einfach mehr als 2.

  • #3

    Tina Salomon (Freitag, 21 Mai 2021 20:31)

    Sehr geehrter Herr Busch, ich bin "Fassungslos" und möchte Ihnen für Ihre Antwort danken, weil sie mMn eine wichtige Diskussion eröffnet. Sie haben Recht: Ich bin persönlich betroffen, nicht in Berlin, aber von den gleichen Rahmenbedingungen, denn ich war in der Wissenschaft tätig. Ich habe den Kanzler der Hochschule, an der ich beschäftigt war, wegen Nötigung angezeigt und der Hintergrund meiner Anzeige war die immer wieder behauptete Unterfinanzierung. Gegenstand der Anzeige war ein Semester, in dem ich unter Druck gesetzt wurde, ohne Arbeitsvertrag vier Seminare abzuhalten, weil die Universität vor dem Hintergrund des Hochschulpaktes zusätzliche Studienplätze eingerichtet hatte, aber aufgrund exzessiver Befristung keine Lehrenden mehr fand. Die Universität behauptete, dass meine befristete Beschäftigung als Universitätslektorin aufgrund einer möglichen Befristungskontrollklage ein unvertretbares "rechtliches Risiko" darstellen würde. Zu dem Zeitpunkt war ich auf einen Arbeitsvertrag angewiesen, weil ich zumindest rudimentäre Stabilität für eine Traumatherapie brauchte, da mein "Doktorvater" wegen einer Auseinandersetzung über eine mögliche Vorteilsannahme die Begutachtung meiner Dissertation zurückhielt. Meine Entrüstung über Ihre Aussage entsteht daraus, dass ich mich für eine mögliche Amtshaftungsklage in die Hochschulfinanzierung einarbeiten musste (ich bin Volkswirtin). Bei den öffentlichen Hochschulen ist es dem demokratisch gewählten Gesetzgeber vorbehalten, die strategische Ausrichtung und die Rahmenbedingungen festzulegen. Wenn sich der Berliner Senat für die Einrichtung von mehr Dauerstellen entscheidet, dann ist es Aufgabe der Rektorate und Präsidien, diese Vorgabe umzusetzen, auch ohne zusätzliche Mittel - Hochschulautonomie bedeutet an dieser Stelle, dass sie eigenverantwortlich prüfen müssen, an welchen Stellen sie Abstriche machen können, um "Umschichtungen" zugunsten der Mitarbeiter vornehmen zu können. Da es eine Reihe von Parallelen zu meinem Fall gibt (Stadtstaat, keine Drittel- oder Viertelparität, Globalhaushalte an den Hochschulen, angespannte Haushaltslage auf Landesebene, linke Regierung) habe ich auch eine Anregung dazu, wo noch "Umschichtungen" möglich sind. In dem Punkt stehen wir auf der gleichen Seite: Setzen Sie sich doch mal mit ihren Kollegen an den Universitäten zusammen und sprechen Sie mit denen über Solidarität auf Landesebene.

    https://www.forschung-und-lehre.de/karriere/professur/differenz-bei-realer-w-besoldung-steigt-3338/