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Das Wintersemester soll ein Präsenzsemester werden

Wie geht es weiter an den Hochschulen? Die Hamburger Studentin Nele Steinbrecher hatte in ihrem Gastbeitrag von der Politik verlangt, die Distanzlehre nicht einfach weiterlaufen zu lassen. Heute antwortet ihr die Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank.

Wann ist hier wieder was los? Das Audimax der Universität Hamburg. Foto: Pauli-Pirat, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.

HOCHSCHULE IST MEHR als Lehrveranstaltungen besuchen. Campusleben ist bunt, vielseitig, kreativ und manchmal auch laut und unbequem. Mensa, Bib, Café oder Fachschaftsparty – nur im Vielklang vibriert das studentische Leben. All das ist Inspirationsquelle für einen neuen Lebensabschnitt, ein neues Gefühl und eine besondere Phase, die wir als "coming of age" kennen. Von daher kann ich nur allzu gut diejenigen verstehen, die nach drei digitalen Semestern genervt, ungeduldig oder gar frustriert sind

 

Was für viele als erster großer Ausflug in die Freiheit des Lebens begann, endete schon bald jäh in der Enge des WG- oder Wohnheimzimmers. Ohne neue Freund:innen, dazu kaum soziale Kontakte und wenig zwischenmenschliche Gefühle – für all  das, was das neue Leben verhieß.

Viele Lehrveranstaltungen nur digital, nette Kommiliton:innen, die man schon seit Monaten per Zoom oder Skype kennt, aber noch nie persönlich getroffen hat.

 

Das ist bitter und das hat hoffentlich bald ein Ende. Für die Wissenschaftspolitik waren die vergangenen 15 Monate ein extremer Lernprozess voller Herausforderungen inmitten einer globalen Krise. Niemand von uns hat diese Erfahrungen bislang so erlebt. 

 

Unter schwierigen Bedingungen

Großartiges geleistet

 

Unsere Hochschulen haben in den letzten Monaten unter schwierigen Bedingungen Großartiges geleistet und die digitalen Lehrangebote ausgebaut. Einige Expert:innen sagen, dass die Krise so auch rund zehn Jahre Digitalisierungsstau aufgelöst hat. Fähigkeiten und die Geduld der Studierenden bei einem fortdauernden "Learning by Doing-Prozess" sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen, hat mich sehr beeindruckt. 

 

In der gesamten volatilen Lage der Pandemie hat sich eines als besonders stabil erwiesen: Die Belastbarkeit und Geduld aller Beteiligten – Studierende, Lehrende, Verwaltung – aber auch die verschiedenen Leitungsebenen der Hochschulen haben durch ihr unglaublich hohes Engagement, viel Kreativität und der hohen Flexibilität die vergangenen digitalen Semester überhaupt möglich gemacht. Beindruckt hat mich dabei die ausgesprochene Geschwindigkeit und die Solidarität an den Hochschulen und in der Wissenschaftscommunity.  


Katharina Fegebank, 44, ist Grünen-Politikerin und seit 2015 Zweite Bürgermeisterin in Hamburg sowie Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke. 

Foto: Daniel Reinhardt / Senatskanzlei.



Nicht nur das Lernen wurde digital, auch die Prüfungen. Gleichwohl auch weiterhin Prüfungen in Präsenz abgenommen worden, für Tausende Studierende wurden Online-Prüfungen auf den Weg gebracht. Die Erfahrungen, die die Hochschulen bei der Durchführung solch digitaler Prüfungen in den vergangenen Semestern gemacht haben, sind überwiegen positiv, so dass hier künftig beides möglich sein wird. Der Mut, der dieser Krise entsprang, neue Wege einzuschlagen, Dinge auszuprobieren und damit auch einen kulturellen Wandel zu erzeugen, wird bleiben. All das gibt Kraft und macht Mut.

 

Doch Uni-Leben findet auch außerhalb des Campus statt. Ein Großteil der Studierenden finanziert sich – zumindest einen Teil ihres Lebensunterhaltes – dazu. Die Möglichkeiten in den vergangenen Monaten zu jobben waren allerdings gering. Weil Kinos, Theater, Cafés und Restaurants geschlossen waren, blieb vielen nur der Minijob beim Bäcker, im Supermarkt oder beim Pizzadienst. Das waren entbehrungsreiche Monate. 

 

War der starke Fokus auf Kita-
und Schulkinder ungerecht?

 

Hamburg war zudem eines der ersten Bundesländer, das bereits im Frühjahr 2020 betroffene Studierende schnell und unbürokratisch mit einer Corona-Notfallhilfe in Form eines zinslosen Darlehens unterstützt hat. Erst auf unser Einwirken, hat der Bund die Überbrückungshilfe in Form eines Zuschusses überhaupt zur Verfügung gestellt. Während der Bund noch gezögert hat, ist Hamburg vorweggegangen, um die Studierenden in dieser Notlage unbürokratisch und schnell zu unterstützen. 

 

Vielleicht war der starke Fokus auf Kita- und Schulkinder aus Sicht vieler Studierender ungerecht. Mit den Kenntnissen der Wissenschaft war es allerdings kaum möglich, die gleichen Kriterien für Kita-Kinder und Schüler:innen anzulegen, wie für junge Erwachsene an unseren Hochschulen.

 

Viele Studierende haben – unabhängig von der für sie schweren Situation – über Monate einen immens wichtigen Beitrag zum Überstehen dieser Zeit geleistet: vom Einkaufen für die ältere Generation, bis hin zur Rücksichtnahme in der Impfpriorisierung, damit die Eltern- und Großelterngeneration zuerst geschützt werden kann.

 

Dies ist nicht nur Altruismus, sondern auch abverlangt worden. Und das war für viele schwer und schien auch ungerecht. Ich finde die Solidarität – gerade der jungen Generation, zu der viele Studierende gehören – großartig und bedanke mich ausdrücklich für die überwältigende Bereitschaft diesen Weg mitzugehen.

 

Wir kommen der Normalität jeden Tag
einen kleinen Schritt näher

 

Wir sind noch nicht am Ende dieser Zeit, die derzeit noch keinen normalen Hochschulalltag zulässt, aber wir kommen dieser Zeit immer näher. Jeden Tag einen kleinen Schritt.

 

Momentan werden die meisten Lehrveranstaltungen – mit Ausnahme von Laboreinheiten und Veranstaltungen an den musisch-künstlerischen Hochschulen – grundsätzlich in digitaler Form angeboten. Dort war schon in den vergangenen Semestern bereits mehr möglich. Denn das Formen einer Plastik im Atelier oder eine Meisterstunde an der Geige erfordert meist nicht mehr als den Studierenden und den oder die Dozentin; meist dazu in einem großen Raum.

 

Die BWL- oder Politikvorlesung mit mehr als 1.000 Teilnehmenden wurde da zur Hochrisikoveranstaltung und musste notgedrungen digital stattfinden.

 

Hamburgs Hochschulen haben bereits im Wintersemester 2020/21 umfangreiche Hygienemaßnahmen auf den Weg gebracht und umgesetzt. Auch das war ein Kraftakt, genauso wie das erste Pandemie-Semester im vergangenen Jahr, dass nur umzusetzen war, weil alle an einem Strang gezogen haben und zielgerichtet und entschlossen zusammen gearbeitet haben, um den Lehrbetrieb weiter aufrecht zu erhalten. 

 

Mir ist bewusst, dass dies nicht das Ideal war und ist – aber das Bestmögliche ob der gegebenen Parameter. Schon jetzt sind Veranstaltungen und Präsenzlehre im Freien mit bis zu 100 Personen, in geschlossenen Räumen mit bis zu 50 Personen zulässig. Seit dem 17. Mai haben die Bibliotheken, die ihr digitales Angebot umfangreich ausgebaut haben, wieder zum Lernen  vor Ort geöffnet. Meine Behörde hat rund 180.000 Schnell- und Selbsttests für Mitarbeitende der Hochschulen besorgt - ein richtiges Instrument, um die Sicherheit bei Zusammenkünften auf dem Campus zu erhöhen.

 

Worauf es in den
nächsten Monaten ankommt

 

Die Hochschulen haben seit Beginn der Pandemie differenziert und verantwortungsbewusst gehandelt und das Ziel verfolgt, das Infektionsrisiko nachhaltig zu reduzieren und dabei zugleich den Studierenden ihr Studium ohne Nachteile zu ermöglichen. Klar ist auch: Dies sorgt bei einigen für Ungewissheit und Sorge, solange sie noch nicht geimpft sind. Wir haben eine große Verantwortung nun allen denjenigen, die an der Reihe sind, ein Impfangebot zu machen. In wenigen Wochen, können sich alle an einer Impfung Interessierten einen Termin geben lassen. 

 

Bald haben wir eine hohe Impfquote – und damit auch wieder volle Hörsäle und leere Intensivstationen. Nun ist der Punkt, den Blick nach vorne zu richten. Dabei sind mir drei Aspekte ein besonderes Anliegen: 

 

Erstens: Das Wintersemester 2021/2022 soll wieder in Präsenz stattfinden. 

 

Zweitens: Wir müssen uns gerade um diejenigen, die vor kurzem ein Studium begonnen haben – oder dies im Herbst planen – besonders kümmern. Etliche Studierende werden im Herbst – dann nach 18 Monaten Pandemie – noch nie eine Hochschule von innen gesehen und womöglich viele Kommiliton:innen noch nie persönlich getroffen haben. Hier müssen wir weiterhin unterstützen und zusätzliche Angebote schaffen. Auch in den letzten drei Semestern haben so viele Veranstaltungen wie möglich in Präsenz und Kleingruppen stattgefunden, um den besonderen Bedürfnissen von Studienanfänger:innen möglichst gerecht zu werden. 

 

Und drittens: Diese Krise ist auch eine große Chance, die wir nutzen wollen: Es gilt Lehrkonzepte und Formate anzupassen. Mehr Raum für kollaborative und hybride Lehr- und Lernangebote zu schaffen und auch den Diskurs und den Austausch mit den Studierenden zu stärken. Die reine Wissensvermittlung in großen Vorlesungen wie in den Sozial- oder Rechtswissenschaften kann auch weiterhin ein digitaler bzw. hybrider Baustein bleiben – und so zum Lernen im eigenen Tempo beitragen.

 

Das Leben wird zurückkehren, aber es wird anders sein. Es ist an Ihnen und uns allen, den Campus wieder mit Leben zu füllen.

 

Der Sommer steht bevor. Sammeln Sie Kraft und erholen Sie sich. Und noch viel wichtiger: bleiben Sie alle gesund und verlieren nicht die Hoffnung. Wissenschaft hat zum Glück für fast alles eine Lösung.





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Kommentare: 7
  • #1

    PB (Dienstag, 01 Juni 2021 11:19)

    Es erfreut mich zu hören, dass das Wintersemester 2021/2022 wieder in Präsenz stattfinden soll.

    Der HRK-Präsident Alt hat im Tagesspiegel gerade dazu aufgerufen, die Impfungen der Studierenden von Mitte Juli bis Ende August zu organisieren, um Präsenzbetrieb im Wintersemester wieder zu ermöglichen. Daran sollten sich alle Landesregierungen orientieren.

    ABER: Wenn fast alle geimpft sind, ist die Änderung bzw. Aufhebung der 10m2-Regel pro Teilnehmer in Seminarräumen oder Hörsälen analog zu den Schulen absolute Pflicht. Ansonsten wird aus der Planung der Präsenzlehre schnell "gut gemeint, aber nicht gut gemacht". Denn wir würden wie bisher mindestens 5x oder mehr Vorlesungsräume (als vorhanden !) benötigen und zugleich mehr Lehrende...

  • #2

    Dr. Oliver Locker-Grütjen (Dienstag, 01 Juni 2021 13:50)

    Wir alle sehnen uns nach Präsenz und das ist auch die Basis aller Hochschulen (vielleicht ausser der Fernuni…). Dazu bedürfen die Hochschulen aber umfassende Konzepte (und auch Unterstützung und Rahmungen aus den Ländern). Nur eine Frage: wie gehen wir z.B. mit den vielen internationalen Studierenden um?

    Zu bedenken gebe ich aber auch, dass nach über einem Jahr Pandemie gewisse „online-Verhaltensmuster“ oder auch ein „Wohlbefinden im Rückzugsraum home office / studying“ zu erkennen sind und so vielleicht die soziale Kommunikation und Interaktion nicht ohne weiteres in einen Kontaktzustand rückgeführt werden kann.
    Wir brauchen daher auch einen gemeinsamen Kraftakt des „strukturierten Auswilderns“ gleichsam Lernender wie Lehrender, ja der gesamten Hochschule.

  • #3

    FM (Dienstag, 01 Juni 2021 15:25)

    Es hat mich gefreut, hier zu lesen, dass „schon jetzt […] Veranstaltungen und Präsenzlehre im Freien mit bis zu 100 Personen, in geschlossenen Räumen mit bis zu 50 Personen zulässig“ sind und kann mich dem Aufruf „den Campus wieder mit Leben zu füllen“ nur anschließen!

    Beim Präsidenten der Universität Hamburg scheint diese Information jedoch leider noch nicht angekommen zu sein. Er schreibt in seiner gestern Abend verschickten Dienstanweisung nach wie vor: „Die Lehre findet ausschließlich digital statt.“ (S.1) (mit äußerst wenigen Ausnahmen (S.2f.)) und „Sämtliche Veranstaltungen auf dem Außengelände der universitären Liegenschaften sind nicht gestattet." (S.6) (https://www.uni-hamburg.de/de/newsroom/intern/2020/0131-corona-faq/210531-19-dienstanweisung-mitaenderung)

    Falls Frau Fegebank hier mitlesen sollte: Seien Sie doch bitte so freundlich und setzen Sie Herrn Lenzen über die zwischenzeitlich veränderte Ausgangslage in Kenntnis!

  • #4

    WoB (Dienstag, 01 Juni 2021 16:21)

    Ist es nicht bedauerlich, dass das Land Hamburg es auch in über einem Jahr bisher nicht geschafft hat, rechtssichere Rahmenbedingungen für digitale Prüfungen zu schaffen? Wird es überhaupt noch eine Anpassung des HmbHG geben, bevor die entsprechenden Regelungen überhaupt nicht mehr gebraucht werden?

  • #5

    UHH-Verwaltung (Mittwoch, 02 Juni 2021 09:18)

    Das völlige Fehlen geeigneter Rechtsgrundlagen in Hamburg und das bundesweite Fehlen datenschutzkonformer und geeigneter Tools führen dazu, dass (sinnvolle) digitale Lehre und digitales Prüfen in Hamburg faktisch verboten ist. Um den Studierenden ein Weiterstudieren überhaupt zu ermöglichen, wird es trotzdem überall gemacht. Aber Hochschulen und ihre Lehrenden verstoßen damit kontinuierlich gegen Recht und Gesetz und stehen vor dem Dilemma, dass digitale Lehre und digitale Prüfungen gleichzeitig verlangt werden und verboten sind.
    Eine Anpassung des HmbHG wäre in der Tat dringend erforderlich, aber der aktuelle interne Entwurf ist ja eher noch restriktiver.

  • #6

    St (Mittwoch, 02 Juni 2021 21:35)

    Ich würde mir weiterhin digitale Lehre wünschen.
    Beispielsweise könnte man einige AGs in Präsenz und andere in digitaler Form anbieten.
    Viele Studierende würden dies mE sehr schätzen. Sei es aus Zeitgründen oder aufgrund von Behinderungen, die das studieren nach wie vor sehr erschweren, da die Nachteilsausgleiche meist zu wünschen übrig lassen und keine Gleichstellung ermöglichen.

  • #7

    PB (Donnerstag, 03 Juni 2021 14:26)

    @Senatorin
    @ST: Sind Sie Studierende?

    Warum überlasst man nicht einfach den Lehrenden, wieviel digitale Lehre in Zukunft gemacht wird? Das sieht Artikel 5(3) GG eindeutig so vor und wird in einigen Landesgesetzgebungen, z.B. in Hamburg in §11(1) HmbHG durch die Freiheit der Lehrenden in der "inhaltlichen und methodischen Gestaltung" der Lehre noch präzisiert.

    Was jetzt zwangsweise durch Corona digital gemacht wurde, wird doch mit allergrößter Wahrscheinlichkeit jetzt auch fortgesetzt, wenn es "echte" Vorteile mit sich brachte. Das muss man sich nicht wünschen, das kann man einfach machen. Allerdings kostet das viel Zeit und logischerweise auch Geld, wenn man digitale Lehre gut machen will. Wenn man das mit 0€ bzw. einem Anrechnungsfaktor für die Lehre von 1.0 bepreist, bringt das nichts außer das die Lehre eben digital ist. Außerdem ist ohne Moos auch in der Forschung nichts los..., und dafür benötigt man immer mehr Drittmittel, für deren Beantragung auch immer mehr Zeit benötigt wird.

    Dauerkonserven aus einmal aufgezeichneten Podcasts ohne flankierende Betreuung und Kontakt mit den Studierenden gehören da sicher nicht zu den Desiderata...

    Insofern die digitale Infrastruktur in Deutschland weiterhin noch so bleibt wie sie ist, werden allerdings nicht nur Studierende mit Behinderungen Nachteils-ausgleiche benötigen... Dann müsste man an den Unis Arbeitsplätze für die Teilnahme an online-Veranstaltungen zur Verfügung stellen.

    Hybrid im Sinne ein Teil der Studierenden ist an der Uni, der andere daheim, ist aus rein technischen Gründen vielerorts nicht darstellbar.

    Hybrid, z.B. 50% ist digital, 50% online ist m.E. nicht so leicht organisierbar. Man denke an die Transferwege (zur Uni und zurück) zwischen Online- und Präsenzlehre und/oder müsste Arbeitsplätze für die Teilnahme an online-Veranstaltungen an den Unis zur Verfügung stellen. Man könnte sicher auch an Zeitslots denken, z.B. Montag und Freitag ist Online-Tag, der Rest Präsenz, aber auch das kann man nicht mal so schnell aus dem Ärmel schütteln und ist für einige Fächer mit Praktika auch nur schwer zu organisieren.

    In Conclusio: Ja mehr online Lehre geht, aber bitte nicht auf dem Verordnungswege. Und: Es wird sicher auch nicht günstiger!