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Machen es die Außeruniversitären besser?

Die hohe Befristungsquote an den Hochschulen hänge mit deren prekärer Finanzierung zusammen, heißt es oft – zuletzt in Reaktion auf "'#IchbinHanna". Aber stimmt das auch? Was der Vergleich mit den besser situierten Forschungsorganisationen von Helmholtz bis Max Planck ergibt – inklusive einem Blick in deren Zentralen und Geschäftsstellen.

Arbeitet Hanna vor allem an prekär finanzierten Hochschulen?
Foto: Screenshot aus dem "Erklärfilm zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz" des BMBF.

ZULETZT SCHAFFTE ES der Hashtag "#IchbinHanna" sogar ins Heute Journal. BMBF-Staatssekretär Wolf-Dieter Lukas sagte in die Kamera, die Voraussetzungen für mehr Dauerstellen seien "gegeben", weil die Universitäten "sehr viel mehr Mittel" und "langfristige Zusagen" von bis zu zehn Jahren erhielten. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter André Alt, wiederholte in der Nachrichtensendung, was er zuletzt häufiger gesagt hatte: "Wir brauchen mehr Grundfinanzierung, um mehr Planungssicherheit zu erhalten und dann auch längerfristige Stellen schaffen zu können. "Das haben wir momentan an vielen Hochschulen nicht."

 

Alles wie immer. Doch die Debatte um die Massenbefristungen in der Wissenschaft zieht immer weitere Kreise.

 

Gegenüber von ZEITWISSEN3 hatte Alt vor einigen Wochen präzisiert, worum es ihm geht: "Nur eine planbare, dauerhaft auskömmliche Grundfinanzierung versetzt die Hochschulen in die Lage, verlässliche Qualifizierungs- und Karrierewege anzubieten und förderliche Arbeitsbedingungen zu sichern." 

 

Tatsächlich haben sich die von den Hochschulen eingenommenen (befristeten) Drittmittel zwischen 2006 und 2019 auf 8,71 Milliarden Euro laut Stifterverband mehr als verdoppelt. 2012 erreichten sie mit 28,1 Prozent einen Rekordwert an der Gesamtfinanzierung der Hochschulen. Seitdem ist die (dauerhafte) Grundfinanzierung allerdings wieder stärker gewachsen, so dass der Drittmittel-Anteil 2019 noch 21,6 Prozent betrug. Was trotzdem noch viel ist – zumindest solange die Grundfinanzierung vielfach immer noch mager ausfällt.

 

Währenddessen klettert die Grundfinanzierung bei den großen außeruniversitären Forschungsorganisationen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) schon seit 2006 genau so, wie Alt es für die Hochschulen einfordert: planbar, dauerhaft und – zumindest aus der Perspektive der Universitäten – zumeist auskömmlich. Das liegt am Pakt für Forschung und Innovation (PFI), den Bund und Länder erstmals 2005 geschlossen haben und der Helmholtz, Max Planck, Leibniz, Fraunhofer und der DFG ein jährliches Budget-Plus garantiert. 2006 bis 2010 waren das drei Prozent, 2011 bis 2015 fünf Prozent, 2016 bis 2020 drei Prozent und jetzt, in Phase IV des PFI, erneut drei Prozent. Jedes Jahr. 

 

Auch bei Helmholtz und Co sind 72 Prozent
der Wissenschaftler unter 45 befristet

 

Was nicht heißt, dass nicht auch die Außeruniversitären einen beträchtlichen Teil ihres Budgets über Drittmittel einwerben: Helmholtz zum Beispiel etwa 30 Prozent, Leibniz 22 Prozent, Max Planck 12 Prozent. Fraunhofer nimmt sogar etwa 70 Prozent seines Haushalts über die Vertragsforschung ein (siehe Bundesbericht Forschung). 

 

Doch der entscheidende Unterschied ist eben die durch den PFI garantierte langfristig steigende und großzügig bemessene Grundfinanzierung. Im Gegenzug gehören zu den Pakt-Zielen unter anderem "berufliche Entwicklungsmöglichkeiten", und der "verantwortliche Umgang mit Befristungen", so formuliert unter anderem im jährlichen PFI-Monitoring-Bericht, in dem Fall dem von 2020. Setzen die Außeruniversitären also um, wozu die Hochschulen, wenn man Alt und anderen folgt, wegen ihrer prekären Finanzlage nicht in der Lage sind? 

 

Die tatsächlichen Beschäftigungszahlen bei den PFI-Forschungsorganisationen sprechen allerdings teilweise eine andere Sprache. Sie zeigen, dass "#IchbinHanna" genauso ein Thema für die Paktorganisationen ist. 

 

So waren laut "Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs" 2018 bei Helmholtz, Max Planck und Co im Schnitt 72 Prozent der unter 45 Jahre alten, promovierten Wissenschaftler:innen befristet beschäftigt – nach 62 Prozent elf Jahre zuvor. Trotz planbarer Dauerfinanzierung. Trotz aller Paktziele. 

 

Zum Vergleich: An den Hochschulen hatten 2018 77 Prozent aller wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwischen 35 und 45 befristete Arbeitsverträge, zwei Prozentpunkte mehr als 2005. 

 

So richtig einordnen lassen sich all die Werte erst, wenn man sie mit dem Gesamtarbeitsmarkt in Deutschland vergleicht. So waren im Jahr 2019 von allen über 25 Jahre alten Arbeitnehmern in Deutschland 7,4 Prozent befristet beschäftigt. 2018 waren es 8,0 Prozent. 2007 8,5 Prozent. Und unter Hochschulabsolventen ohne Promotion unter 35, die außerhalb der Wissenschaft arbeiteten, waren 2019 laut Mikrozensus 17 Prozent befristet beschäftigt, wie der Bundesbericht Wissenschaftler Nachwuchs 2021 angibt. 

 

GWK berichtet deutliche Unterschiede
zwischen den Forschungsorganisationen

 

Beim Blick auf die einzelnen Pakt-Organisationen zeigen sich durchaus Unterschiede. Der PFI-Monitoring-Bericht gibt deren jeweilige "Gesamtbefristungsquote" an, wobei damit nur das tariflich beschäftigte wissenschaftliche Personal in den relevanten Engeltgruppen 13 bis 15 gemeint ist und – ganz wichtig – nicht die Promotionsstellen. Die entsprechende Quote lag bei Fraunhofer und Helmholtz zuletzt bei 53 Prozent, Leibniz kam auf 63 Prozent. Und alle drei Organisationen vermelden deutliche Rückgänge seit 2015 (zwischen acht und 13 Prozentpunkten). Deutlich anders sieht die Lage bei der Max-Planck-Gesellschaft aus, die laut Monitoring-Bericht auf 80 Prozent kommt. 

 

Die Gesamtbefristungsquote bei Max Planck ist seit 2015 sogar um drei Prozentpunkte gestiegen, was Bund und Länder im Monitoring-Bericht von diesem Jahr denn auch als inhaltlich "nicht nachvollziehbar" bewerten. Zumal von den gut 21.000 vertraglich Beschäftigten bei der MPG 2020 nur 12 Prozent aus Drittmitteln finanziert wurden. Max Planck selbst findet die GWK-Zahlen ebenfalls "nicht nachvollziehbar", obgleich aus einer anderen Perspektive heraus: Die eigene Datenbasis ergebe einen Befristungsanteil von "nur" 53,7 Prozent bei allen institutionell Beschäftigten. Unter Hinzunahme der Drittmittelbeschäftigten ergebe sich eine Quote von 59,1 Prozent.

 

Ganz gleich, welcher Prozentsatz jetzt unter welchen Abgrenzungen jetzt wo zutrifft, eines wird beim Blick auf die Personalpraxis der Außeruniversitären offensichtlich: Die verlässliche Grundfinanzierung allein (oder auch nur vor allem!) ist es also nicht, die mehr unbefristete Stellen schafft. Zumindest nicht bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern unter 45 (ein Alter, das nun wahrlich nicht mehr als jung oder "Nachwuchs" zu bezeichnen ist).

 

Weil es sich um eine besondere Befristungskultur in der Wissenschaft handelt, die schwer zu ändern ist? Weil viele Verantwortlichen sie für alternativlos halten? Oder weil das Sonderbefristungsrecht in der Wissenschaft schlicht etwas erlaubt, was anderswo so nicht möglich wäre?

 

Auf letzteres deutet einiges hin, denn dort, wo die Forschungsorganisationen das Wissenschaftszeitvertragsgesetz nicht anwenden können, sind sie durchaus zu hohen Entfristungsquoten in der Lage: in ihren eigenen Verwaltungen. 

 

Und wie sieht es in den Verwaltungen
der Pakt-Organisationen aus?

 

So ergibt eine exklusive Umfrage unter den PFI-Organisationen, dass sie in ihren zentralen Verwaltungen meist mit Dauerstellen arbeiten:

 

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat 8,5 Prozent ihrer 892 Geschäftsstellen-Mitarbeiter befristet eingestellt und erreicht damit ziemlich genau die niedrige Befristungsquote des gesamtgesellschaftlichen Arbeitsmarktes. Von den 76 DFG-Angestellten mit Zeit-Vertrag sind 64 ohne Sachgrund befristet,was maximal zwei Jahre lang möglich ist. 

 

Die Max-Planck-Gesellschaft gibt an, dass sogar nur 5,4 Prozent ihrer gut 660 Mitarbeiter in der Generalverwaltung auf befristeten Stellen sitzen, gut die Hälfte davon, weil sie auf einem ganz spezifischen Projekt arbeiten. 

 

Die Fraunhofer-Gesellschaft beschäftigt in ihrer Zentrale inklusive der Außenstellen 1284 Mitarbeiter, von denen 11,8 Prozent (152) einen befristeten Arbeitsvertrag haben. Ein über dem Gesamtarbeitsmarkt liegender, aber immer noch relativ niedriger Anteil. Bei knapp der Hälfte der befristet angestellten Mitarbeiter gibt Fraunhofer als Grund ihre erstmalige Einstellung an. Bei weiteren gut 30 Prozent werden temporäre Projekte oder vorübergehende betriebliche Bedarfe genannt.

 

Deutlich höher liegt die Befristungsquote in der Geschäftsstelle der Leibniz-Gemeinschaft. Von den 88 Beschäftigten haben 25 einen befristeten Vertrag, was einem Anteil von 28,4 Prozent entspricht. Bei elf Personen ist die Befristung ohne Sachgrund, bei neun weiteren entspricht sie der Laufzeit eines Projekts. Allerdings ist Leibniz als dezentrale Forschungsgemeinschaft mit rechtlich unabhängigen Instituten strukturell nicht wirklich mit der DFG oder den zentral organisierten Max Planck oder Fraunhofer zu vergleichen, was man bei letzteren schon anhand ihrer viel größeren zentralen Verwaltungen erkennt.

 

Dasselbe gilt für die aus 19 unabhängigen Zentren bestehende Helmholtz-Gemeinschaft und ihre Geschäftsstelle. Die denn auch eine dramatische Ausnahme bildet: Von den 84 Mitarbeitern ihrer Geschäftsstelle (ohne Auslandsbüros) sind 79 Prozent (66 Personen) befristet angestellt. Darin sind noch nicht einmal die Azubis enthalten. Bei 20 Mitarbeitern handelt es sich um einen ersten Arbeitsvertrag, der zwei Jahre Befristung ohne Sachgrund ermöglicht. Bei 13 weiteren Personen wird als Grund eine Projektfinanzierung mit Projektende angegeben, bei 31 Angestellten lautet der Grund, dass ihre Verträge an die Amtszeit des Helmholtz-Präsidenten gekoppelt seien. 

 

Befristete Stellen
als "Sprungbrett"?

 

Die Helmholtz-Pressestelle verweist auf das besondere personalpolitische Konzept einer "schlagkräftigen" Geschäftsstelle. Bei deren Aufbau sei der Grundgedanke gewesen, "trotz der vielfältigen Aufgaben die Struktur der Geschäftsstelle vergleichsweise schlank zu gestalten und zu halten." Dazu sollten Mitarbeiter mit besonderer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft vornehmlich aus den Helmholtz-Zentren, aber auch aus den anderen Wissenschaftsorganisationen oder Ministerien für begrenzte Zeit in die Geschäftsstelle rekrutiert werden, "die dann anschließend den nächsten Karriereschritt wieder außerhalb der Geschäftsstelle machen."

 

Dieses Konzept der Geschäftsstelle als "Sprungbrett" habe sich in den vergangenen Jahren nicht nur verstetigt, sondern auch "eindrucksvoll bewährt". Der Aufstieg vieler Mitarbeiter auf Führungspositionen innerhalb und außerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft bestätige, dass der mit dem Konzept verbundene Weg der Förderung und Weiterentwicklung der in der Geschäftsstelle tätigen Personen eine enorme Wirksamkeit hat und eine einmalige Erfolgsbilanz darstellt." 

 

Klingt so ähnlich wie das, was Rektoren auch sagen, wenn sie die hohe Befristungsquote an den Hochschulen begründen? 

 

Zurück zu den wissenschaftlichen Mitarbeitern von Helmholtz & Co. Hier ist die Befristungsquote immerhin zuletzt nicht mehr gestiegen. Zwischen 2015 und 2018 sank sie sogar leicht von 73 auf 72 Prozent bei den unter 45 Jahre alten Promovierten. Zum Vorbild für die Hochschulen reicht das freilich nicht. Die kamen 2018 bei den 35- bis 45-Jährigen zwar auf immer noch 77 Prozent. Doch das waren drei Prozentpunkte weniger als 2015.

 

Aktualisierung: Ich habe im Text noch Zahlen zu den Drittmittel-Anteilen der außeruniversitären Forschungsorganisationen ergänzt.



Und was ist mit dem Homeoffice?

Weil ich schon einmal dabei war, wollte ich bei meiner Umfrage unter den PFI-Organisationen auch gleich erfahren, wie großzügig sie eigentlich noch in Sachen Home Office sind, nachdem die bundesweite Regelung Ende Juni ausgelaufen ist. Die Antwort: vorbildlich großzügig. Wiederum mit einer Ausnahme.

 

So teilt die DFG mit, dass auch weiter grundsätzlich keine Anwesenheitspflicht in der Geschäftsstelle bestehe. Ausnahmen gebe es wie bereits zuvor für das sogenannte Schlüsselpersonal. "Abhängig von der weiteren Entwicklung insbesondere des Infektionsgeschehens strebt die DFG für ihre Beschäftigten mittelfristig eine Anwesenheit von zwei Tagen pro Arbeitswoche in der Geschäftsstelle an." Eine entsprechende Betriebsvereinbarung sei kürzlich geschlossen worden.

 

Die MPG verweist auf ihre vergangenes Jahr geschlossene Betriebsvereinbarung, die einen einheitlichen Umgang mit der Pandemie-Situation in der Generalverwaltung sicherstellen sollte.  Sie gelte bis auf Weiteres und sehe vor, dass Bürotätigkeiten "nach Möglichkeit im Homeoffice auszuführen" seien. "Immer unter der Prämisse, dass dies ohne Qualitätseinbußen und mit vergleichbaren Arbeitsbedingungen wie in der Generalverwaltung möglich ist." Derzeit liefen Sondierungsgespräche mit dem Betriebsrat über die Homeoffice-Möglichkeiten nach Corona.

 

Bei Fraunhofer hat der Corona-Krisenstab der Zentrale und den Instituten empfohlen,  nach dem Auslaufen der bundesweiten Regelung Ende Juni "das Homeoffice als wirksame Maßnahme zur Kontaktreduzierung anzubieten, wo dies möglich 

ist." Diese Empfehlung werde von der Zentrale an allen Standorten umgesetzt, die tatsächliche Anwesenheitsquote liege derzeit bei maximal 25 Prozent, wobei nicht immer die gleichen Personen ins Büro kommen.

 

In der Leibniz-Geschäftsstelle gelte bis zum 31. August die Bestimmung, dass mobiles Arbeiten der Regelfall sei und die Präsenz im Büro die Ausnahme darstellte, teilt die Generalsekretärin mit. Abhängig von der Pandemie solle die Präsenz in der Geschäftsstelle danach langsam erhöht werden. Unabhängig davon hätten die Beschäftigten der Geschäftsstelle laut einer Betriebsvereinbarung die Möglichkeit, einen Tag in der Woche "mobil" zu arbeiten.

 

Die Helmholtz-Geschäftsstelle geht erneut einen anderen Weg. Dort herrscht neuerdings wieder Anwesenheitspflicht, es gibt kein generelles Recht auf Homeoffice mehr, wie die Pressestelle bestätigt: Nach fast acht Monaten der Mitarbeiter:innen wolle man die verbleibende Sommerzeit dafür nutzen, "ein gemeinsames Arbeiten und den so wichtigen Austausch zwischen den Beschäftigten zu ermöglichen". 

 

Es folgt der Verweis auf "die niedrigen Infektionszahlen, die daran angepassten gesetzlichen Regelungen, die urlaubsbedingte sehr geringe Besetzung der Geschäftsstelle (durchschnittlich 30 Prozent) und die fortgeschrittene Impfkampagne mit einer hohen Zahl von geimpften Mitarbeiter:innen sowie ein striktes Test- und Hygienekonzept", die den  regulären Betrieb in den Räumen der Geschäftsstelle als Arbeitsort für die Mitarbeiter wieder möglich machten. 


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Kommentare: 4
  • #1

    Keep digging. (Mittwoch, 11 August 2021 11:02)

    "Gegenüber von ZEITWISSEN3 hatte Alt vor einigen Wochen präzisiert, worum es ihm geht: "Nur eine planbare, dauerhaft auskömmliche Grundfinanzierung versetzt die Hochschulen in die Lage, verlässliche Qualifizierungs- und Karrierewege anzubieten und förderliche Arbeitsbedingungen zu sichern." "

    Vielleicht ist es langsam mal an der Zeit, darüber zu diskutieren, was genau einen Literaturwissenschaftler befähigt, so weitreichende Weichenstellungen für das deutsche Hochschulsystem vorzunehmen. Denn ganz offensichtlich hat Herr Alt ja Probleme, seinen Aussagen zu Themen wie Dauerstellen und Arbeitszeitserfassung normale Planungshorizonte zugrunde zu legen: Kein privates Unternehmen in Deutschland kann so weit in die Zukunft planen wie die Hochschulen - und trotzdem dürfen die Unternehmen nicht nach eigenem Gusto bis zum Exzess befristen, auch dann nicht, wenn die Mitarbeitenden sich z.B. in Trainee-Programmen parallel zur Ausübung der Tätigkeit qualifizieren.

    Bei den folgenden Äußerungen stelle man sich deswegen bitte nach jedem Wort zwei klatschende Hände vor:

    Das! WissZeitVG! wurde! nicht! erlassen! um! den! Kanzler/innen! das! Sparen! zu erleichtern!

    Die! Universitäten! müssen! sich! auch! dann! schon! an! Gesetze! halten!, wenn! sie! sich! das! ihrer! Meinung! nach! noch! nicht! leisten! können!

    Maximale! Flexibilisierung! des! Personaleinsatzes! weil's! so! praktisch! ist!, ist! keine! Qualifikation!

    Herr Alt, keep digging.

  • #2

    Wirklich? (Donnerstag, 12 August 2021 10:11)

    Danke für die spannende Zusammenstellung! Die reiche Helmholtz-Gemeinschaft befristet ihr nicht wissenschaftliches Personal in ihrer Geschäftsstelle und kommt mit solch hanebüchenen Ausreden?! Da sieht man das ganze Ausmaß des kulturellen Problems in der größten deutschen Wissenschaftsorganisation - es scheint wirklich nicht am Geld zu liegen!

  • #3

    UniMA (Freitag, 13 August 2021 15:14)

    Vielleicht sind wir nicht repräsentativ, aber ich habe jahrelang in der Personalabteilung einer großen Universität gearbeitet und verstehe die Diskussion tatsächlich nicht.
    Man muss doch trennen zwischen Daueraufgaben wie: Verwaltung, Technik, Labor, Bibliothek, Rechenzentrum pp: Diese Stellen kann man- außer beim Erstvertrag- nicht befristen, denn Daueraufgaben brauchen Dauerstellen. "Projekte" in der Verwaltung als Befristungsgrund halte ich für rechtsfehlerhaft, genauso wie der Grund, dass nur befristete Mittel- wohl gemerkt in der Verwaltung - zur Verfügung stehen. Das ist ausgeurteilt und sollte sich auch bei Helmholtz herumgesprochen haben.
    Promotion, Habilitation ist demgegenüber keine Daueraufgabe "für den Service an der Uni"- sondern für die eigene Karriere: Diese Personen darf man nach dem WissZeitVG befristen und das sollte jede Uni verantwortungsvoll für den Zeitraum tun, den ein Doktorand*in für die Dissertation und die/der Habilitand für die Habil braucht und nicht mit "Kleckerverträgen" monatsweise. Das gehört sich nicht und ist einer Uni unwürdig. Aber irgendwann ist die Quali-Phase vorbei und dann muss man sich auf dem Arbeitsmarkt bewähren, genau wie jeder Azubi, der ja auch keinen unbefristeten Azubivertrag hat. Und Forschungsdauerstellen sind nun mal die Ausnahme. Wer eine Dauerstelle in der Forschung will, muss in die Wirtschaft (Pharma- oder Chemiekonzerne haben Forschungsabteilungen), zur MPG, Helmholtz etc gehen oder an der Uni Professor werden. Aber an der Uni macht niemand nur Forschung sondern auch Lehre! Und, so ist das vorgesehen, nur die Profs und ganz wenige Nachwuchsgruppenleiter können "selbständig" forschen, d.h. selbst bestimmen, was und wie geforscht wird. Alle anderen forschen sozusagen "weisungsabhängig", bestimmen also nicht, was sie machen wollen- Vorgabe macht der Lehrstuhl- sondern selbständig "nur" wie sie forschen. Und das kann sich ganz schnell mit Professorenwechsel und Neuberufung ändern. Ich erinnere mich noch an Zeiten unserer Akademischen Räte,- viele haben Beachtliches in der Lehre geleistet und zum Forschungsprofil ihres Lehrstuhls wesentlich beigetragen,- das ist der Idealfall, viele sind aber auch mit Weggang ihres Lehrstuhlinhabers in ein Nichts gefallen, weil der/die Neuberufene mit Ihnen nichts anfangen konnte (oder wollte)- deprimierende Karrieren. Das Bild ergibt: Wenn die Unis "mehr" Dauerstellen in der Wissenschaft braucn, dann wenige, gezielt profilierte, die so flexibel bleiben müssen- Stichwort Personalentwicklung- dass sie noch in 30 Jahren wissenschaftlichen Output für die Uni und ihren Prof. bringen und aktuelle Lehre machen. Und das zeigt: Massenhafte Dauerstellen wird nicht geben.

  • #4

    Kommentatorin (Freitag, 13 August 2021 17:07)

    Danke für ihren Beitrag Herr Wiarda.

    Mein Empfinden ist jedoch, dass selbst ein kritischer Beitrag und Offenlegen von Fakten keine Änderungen herbeiführen.