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Sind Agenturen die Lösung? Kommt auf das Problem an 

Die EFI-Wissenschaftsweisen raten von der Gründung einer eigenständigen Transferagentur ab. Sie sollten lieber noch einmal genauer hinschauen, fordert Volker Meyer-Guckel. Eine Replik.

BRAUCHT DEUTSCHLAND eine neue Innovationsagentur? Die Grünen haben mit "D.Innova" ein entsprechendes Konzept vorgestellt. Auch die FDP argumentiert schon länger in Richtung einer neuen "Transfergemeinschaft". Nun positioniert sich die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und äußert sich skeptisch gegenüber der Auslagerung von Innovationsförderung in neue Agenturen. Sie begründet das mit Überlegungen zur demokratischen Legitimation solcher Institutionen und den auch für neue Agenturen geltenden engen regulatorischen Rahmen. 

Volker Meyer-Guckel, 61, ist stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes.

Foto: Stifterverband/Damian Gorczany.


Doch hat es die Idee einer neuen Agentur verdient, etwas genauer hinzuschauen: Was könnte sie sein? Wäre ihr Wirken tatsächlich eine bislang unbekannter Kompetenzverlust für demokratische Institutionen? Und wie wahrscheinlich wäre es, dass sich die regulatorischen Rahmen doch ändern lassen?

 

Zur ersten Frage, was die Agentur sein könnte. Zunächst einmal hat hier die EFI Recht: Für die Förderung angewandter Forschung, wie wir sie kennen, bräuchte es tatsächlich keine neue Einrichtung. Sie könnte im alten Modus der Projektförderung geschehen, wie es gängige Praxis ist. 

 

Doch geht es hier ja gerade um eine neue Form der Förderung. Es geht


darum, die angewandte Forschung und innovationsorientierte Kooperationsformate, die sich zwischen Wissenschaft, Unternehmen und Gesellschaft (Stichwort: soziale Innovationen) entwickeln, aus dem politisch initiierten Projektmodus herauszuholen. Denn nur dann wäre eine nachhaltige Systementwicklung möglich. 

 

Ob eine neue Form der Förderung einer neuen Einrichtung bedarf mit langfristig festgelegten Jahresbudgets, die einer Sach- und keiner Ressortlogik folgt, ist eine offene Diskussion wert. Nicht aber, dass eine solche Form nötig wäre.

 

Zur zweiten Frage – der nach dem Kompetenzverlust der demokratisch legitimierten staatlichen Forschungsförderung. Die EFI sagt, eine "ausgelagerte" Förderung von Innovationsprozessen sei ein Problem, weil sich die Politik damit der politisch-strategischen Gestaltungsmöglichkeiten beraubt. Doch in anderen Ländern ist genau dies geschehen, in Schweden, Großbritannien, der Schweiz, um nur einige zu nennen.

 

Und auch in Deutschland hat die Politik für die qualitätsgeprüfte wettbewerbliche Grundlagenforschung die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eingerichtet, für die Industrieforschung die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF). Eine neue Einrichtung für eine neue Form der Innovationsförderung müsste also kein "hoheitliches" Neuland betreten. Und für die politisch-strategische Forschungs- und Innovationsförderung wird es auch in Zukunft genügend Instrumente geben.  

 

Allerdings müsste man klar herausarbeiten, wie eine solche Agentur mehr sein kann als eine zweite DFG, spezialisiert auf Fachhochschulen. Vor allem muss man sich entscheiden, welchem der internationalen Vorbilder man nacheifern möchte. 

 

Womit wir wieder bei der Frage nach dem Wesen einer solchen neuen Einrichtung sind. Soll die Innovationsagentur selbst eine Innovation in der Förderlandschaft sein, muss sie die ausgetretenen Pfade der Förderpolitik verlassen. Dann reicht es nicht, mehr Geld für Forschung bereitzustellen oder mit finanziellen Anreizen forschende Partnerinnen und Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in Verbünden zusammenzubringen. Die neue Agentur muss stattdessen selbst zum Experimentierraum werden, Innovationsmethoden anwenden und Agilität wecken.

 

Wie wäre es also zum Beispiel mit Ideensprints statt Anträgen, Hackathons statt Auswahlsitzungen und flexiblen Innovationsfonds statt Projektförderungen mit Jahresbudgets für festgelegte Zeiträume? Diese Agilität ist nicht nur eine Frage der regulatorischen Rahmenbedingungen, sondern auch der Glaubwürdigkeit und der zugewiesenen Rolle einer Institution.

  

Eine weitere Anforderung lautet: nicht nur Forschungsinhalte fördern, sondern auch Kompetenzen, neue Erkenntnisprozesse und unübliche Kooperationsstrukturen. Denn Deutschland fehlt es weniger an Erkenntnissen als an deren Aufnahme und Umsetzung in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Aufnahme des Wissens, die sogenannte Absorptionsfähigkeit, muss in Wirtschaft und Gesellschaft gesteigert werden.

 

Das bedeutet, dass die Nachfrageseite, wie Unternehmen, Kommunen oder zivilgesellschaftliche Akteure und Akteurinnen, zwingend in Antragstellung und Auswahlentscheidungen eingebunden sein muss. Anträge können nicht allein aus den wissenschaftlichen Einrichtungen kommen. Nicht nur formal müssen neue Wege gegangen werden, sondern es muss auch aktiv zwischen den Sektoren vermittelt werden. Die Innovationsagentur könnte Innovationsbotschafterinnen und -botschafter ausbilden und fördern, die die Sprache der Wissenschaft genauso sprechen wie die der kleinen und mittelständischen Unternehmen und der lokalen Bürgerinitiativen. Ausländische Beispiele gibt es dafür viele. 

 

Die Agentur könnte auch das Erproben neuer Prozesse und Methoden fördern, die das Teilen und Verwerten von Daten und Wissen in den verschiedenen Phasen des Forschungs- und Innovationsprozesses ermöglichen. Neben der Wissenschaft adressiert das unbedingt auch Unternehmen, Verwaltung und zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure als Datenproduzentinnen und Datenproduzenten. Außerdem sollte eine neue Innovationsagentur in lokale Infrastrukturen und Netzwerke investieren, wie zum Beispiel durch die Bereitstellung von spezifischen, themenbezogenen Fonds, die Innovation und Lösungsentwicklung vor Ort ermöglichen und so das regionale Innovationsökosystem weiterentwickeln.

 

Mission einer neuen Agentur wäre also die aktive Gestaltung und Begleitung von gesellschaftlicher Transformation im Sinne einer neuen systemischen Entwicklung. 

 

Zur dritten Frage: Welche regulatorischen Rahmenbedingungen verändert werden müssten, um diese Mission zu ermöglichen gilt es vorher zu klären. Die aktuellen Diskussionen über die Weiterentwicklung der Handlungsfreiräume für die "SprinD"-Agentur könnten dabei helfen. 

 

Ganz sicher nicht leisten könnte dies eine Aufgabenneubeschreibung der neuen Agentur im Sinne der bestehenden Projektträger, wie es die EFI vorschlägt. Denn die primäre Aufgabe von Projektträgern ist ja die der ordnungsgemäßen Abwicklung von Förderprojekten nach ministeriellen Vorgaben, nicht deren agile und kreative Mitgestaltung. Die Trennung dieser Aufgaben bleibt – auch demokratietheoretisch – wichtig und sollte nicht in einer Organisation vermischt werden. 



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Kommentare: 3
  • #1

    Ruth Himmelreich (Mittwoch, 20 Oktober 2021 11:02)

    "Das bedeutet, dass die Nachfrageseite, wie Unternehmen, Kommunen oder zivilgesellschaftliche Akteure und Akteurinnen, zwingend in Antragstellung und Auswahlentscheidungen eingebunden sein muss. Anträge können nicht allein aus den wissenschaftlichen Einrichtungen kommen."

    Nur nicht. Das ist dann der Rundfunkrat 2.0. Hätten die zivilgesellschaftlichen Akteure, die Kommunen und Unternehmen beispielsweise BioNTech schneller und besser auf den Weg gebracht, oder wäre das Verfahren zäher und bürokratischer gelaufen, weil für x Partikularinteressen auch noch Fragebögen und Nachweise zu liefern wären?

  • #2

    Maik Eichelbaum (Mittwoch, 20 Oktober 2021 12:58)

    Lieber Herr Meyer-Guckel, vielen Dank für diesen anregenden Beitrag! Vor allem der Verweis auf die eigentliche Funktion von Projektträgern, die zum Teil auch noch beliehen sind, also hoheitliche Aufgaben des Staates ausüben können und sollen, bringt es auf den Punkt: Projektträger sind keine Agenturen und können diese heute oft geforderte Agilität und Flexibilität in der Forschungs- und Innovationsförderung gar nicht leisten, sondern werden im Zweifel eher härter in der Auslegung der Gesetze, Verwaltungsvereinbarungen und Förderrichtlinien agieren, gerade weil sie gar keine demokratische Legitimation für ein freieres Handeln haben. Und da aber nahezu jedes von einem Ministerium direkt verantwortete Programm schließlich von einem Projektträger abgewickelt wird, fehlt mir die Phantasie, wie diese innere Logik innerhalb der bestehenden Strukturen aufgebrochen werden kann. Wenn die EFI hier tatsächlich an eine nahezu revolutionäre Veränderung der Ministerialbürokratie glaubt, dann erscheint mir das doch sehr realitäsfern. Für das "normale" Verwaltungshandeln, das vom Bundesrechnungshof (BRH) und vom Bürger engmaschig überprüft werden kann und auf klaren Hierarchien und Verantwortlichkeiten basiert, hat sich diese "preußische Ministerialbürokratie" m.E. duchaus bewährt und zeigt sich im Vergleich zu manch anderem Land wenig anfällig für Korruption und Vetternwirtschaft. Die ministeriale Logik ist aber auf Risikominimierung ausgelegt und liegt daher im ständigen Clinch mit risikoreicher Forschungs- und Innovationsförderung (und den Einlassungen des BRH). Genau deshalb wurde die SprinD-Agentur auf Vorschlag von Dietmar Harhoff als externe Agentur konzipiert und es sollte sich doch lohnen und von der EFI untersützt werden, über ähnliche Ansätze für andere Bereiche zumindest ergebnisoffen nachzudenken. Eines steht doch fest: Demokratietheoretische Einwände und abstrakte Diskurse über "modernste Managementmethoden" (etwa so wie bei unseren "höchstinnovativen" Großkonzernen...?) werden im Gegensatz zu ganz konkreten und innerhalb einer Legislaturperiode umsetzbaren Vorschlägen wie die eines Dietmar Harhoff wohl eher keine Veränderung bewirken.

  • #3

    HGH (Mittwoch, 20 Oktober 2021 18:18)

    Danke für den Beitrag, der zeigt, dass es zunächst auf eine innovative Mission ankommt. Weg vom Modell des Staffellaufs, wie es in der Vorstellung von Forschungsketten und Wertschöpfungsketten zum Ausdruck kommt. Hin zum Fußballspiel, wo unterschiedliche Akteure nur durch gestaltetes gemeinsames Handeln zum Erfolg kommen. Dies bedingt den Forschungsmodus der Transdisziplinarität, orientiert am gemeinsam definierten Problem und verbunden mit dem Kriterium von Kommerzialisierungschancen. Bliebe nur noch das Problem, das öffentliches Geld immer öffentliches Geld bleibt und Haushaltsregelungen unterworfen ist, egal in welcher institutionalisierten Form es verausgabt wird. Es dennoch einmal konkret jenseits aller nachvollziehbaren Interessen z.B. Von HAWs durchzudeklinieren, wäre lohnend.