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"Ein Absturz sondergleichen!" – "Aber die Grundidee ist weiter eine großartige!"

Einst förderte es über 40 Prozent aller Studierenden, heute noch elf Prozent: Das Bafög ist ein Schatten seiner selbst. Taugen die Ampel-Pläne, um es wieder erstklassig zu machen?

Neue Optik zum 50. Jubiläum: Das BMBF spendierte dem Bafög ein schickes Logo und eine Werbekampagne. Sonst änderte es lange wenig an der Ausbildungsförderung.

Screenshot von www.das-neue-bafoeg.de 

Die Ampel-Koalition hat einen grundlegendenden Neustart für das Bafög versprochen. Wenn Sie sich den Koalitionsvertrag durchlesen, Herr Anbuhl, sehen Sie den auch?

 

Anbuhl: Ja, den sehe ich. Die Ampelkoalition hat die richtigen Stellschrauben erkannt, in ihren Plänen steckt viel Potenzial. Zwei Fragen sind offen. Erstens: Wann kommt die Reform? Zweitens: Wie kraftvoll wird sie tatsächlich ausfallen? Ich höre allenthalben von Ampel-Politikern, dass viel Geld fürs Bafög bereitstehen soll. 

 

Herr Müller, in seiner neuen Analyse zur Studienfinanzierung in Deutschland fordert das CHE einen "großen Wurf" beim Bafög. Steckt der in den Ampel-Versprechungen?

 

Müller: Die ganze Koalitionsvereinbarung ist vielversprechend, aber eben in einem doppelten Sinn. Wenn die Planungen zum Bafög Realität würden, wäre das ein Paradigmenwechsel, die Ampel hätte die Chance, Bildungsgeschichte zu schreiben. Das Problem ist, dass das kosten wird und es bei den Passagen, in denen das wirklich Neue drinsteht, häufig heißt, dieses soll "geprüft" und jenes "angestrebt" werden. Insofern können wir nur hoffen, dass der große Wurf nicht gleich wieder kleingerechnet wird. 

 


Matthias Anbuhl ist Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW). 
Foto: Kay Herschelmann. 

Ulrich Müller ist Leiter Politische Analysen beim Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). 
Foto: Arne Weychardt / CHE.



Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass das Bafög so in die Krise geraten ist? Heute erhalten noch elf Prozent aller Studierenden die Ausbildungsförderung, in den 70ern waren es über 40 Prozent. 

 

Anbuhl: Die Grundidee des Bafög ist weiter eine großartige: ein Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung, der bis in mittlere Einkommensschichten reicht und den Aufstieg durch Bildung ermöglicht. Doch die vergangenen Regierungen haben diese großartige Errungenschaft nicht mehr gepflegt. Zwischen 2010 und 2016 gab es sechs Nullrunden, und das führt dazu, dass nur noch die absoluten Geringverdiener profitieren, Leute aus der unteren Mittelschicht aber kaum noch. Hinzu kommt, dass die Studien- und Lebenswirklichkeiten sich verändert haben. 

 

Was meinen Sie damit?

 

Anbuhl: Mittlerweile ist schon ein Drittel der Studierenden raus, weil gar nicht antragsberechtigt – weil sie entweder zu alt sind, weil sie den falschen Pass oder weil sie zu lange studiert haben. 

 

Müller: Die Hochschulwelt hat sich weiterentwickelt, das Bafög ist stehen geblieben, weil es durch einen normenorientierten Ansatz geprägt ist. Der geht von einem Standardstudenten aus, den es immer weniger gibt. Das Bafög sieht eine Altersgrenze vor: 30 Jahre beim Bachelor, 35 Jahre beim Master. Es finanziert auch keinen MBA und keine offiziellen Teilzeit-Studiengänge. Die Hochschulrektorenkonferenz sagt, Teilzeit sei eine zeitgemäße Studienform, doch das Bafög kennt dafür keine Regelungen. 

 

"Ich komme mir vor wie ein Fan von
Alemannia Aachen oder des KFC Uerdingen"

 

Anbuhl: Es ist schon in Ordnung, dass ein Gesetz, das einen Rechtsanspruch formuliert, eine gewisse Normenorientierung hat. Nur muss es auf der Höhe der Zeit sein.

 

Müller: Ich weiß noch, wie ich im Oktober 1995 meinen ersten Bafög-Bescheid in den Händen hielt, 640 Deutsche Mark, und das war meine Rettung. Ich komme aus einer siebenköpfigen Familie, ohne Bafög hätte ich nie studieren können. Insofern bin ich ein Riesenfan des Bafög, aber heute komme ich mir damit vor wie ein Fan von Alemannia Aachen oder des KFC Uerdingen. Die haben auch schon mal bessere Zeiten gesehen. 

 

Anbuhl: Alemannia Aachen oder KFC Uerdingen, Regionalliga – das trifft es nicht. Das Bafög ist eher der FC Sankt Pauli: ein cooler Zweitligist, den man aufmotzen muss, und dann könnte er wieder in der ersten Liga spielen.

 

Müller: Wenn ich mir die Entwicklung der Förderfälle ansehe, dann ist das ein Absturz sondergleichen, der nicht mehr für die zweite Liga reicht. 

 

Anbuhl: Einigen wir uns darauf: Das Bafög war mal erstklassig, und da soll es auch wieder hin. Und bis heute steht es im Zentrum der deutschen Studienfinanzierung, es überragt alle anderen Instrumente.

 

Müller: Aber das kann ja nicht das einzige Ziel sein, dass das Bafög noch mehr Studierende erreicht als der KfW-Studienkredit oder das Deutschlandstipendium. In den letzten Jahren haben Menschen, die eine Chance verdient haben, keine Chance bekommen und sind steckengeblieben in der Abhängigkeit von ihren Eltern, vom Jobben.

 


Zersplitterte Studienfinanzierung

Das Bafög brauche "den großen Wurf", befindet das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in einer neuen Analyse. Es gebe heute 958.000 mehr Studierende als 2005, doch die Zahl der Bafög-Empfänger verringerte sich im selben Zeitraum um 24.000. Womit ihr Anteil an allen Studierenden von knapp 18 auf elf Prozent weiter abstürzte. Dafür stieg die Zahl der Deutschlandstipendien, die zur Hälfte von privaten Sponsoren finanziert werden, seit ihrer Einführung 2011 auf über 25.000, die Begabtenförderwerke unterstützen heute 16.200 Studierende mehr als 2005.

 

Weitere Instrumente der in Deutschland stark zersplitterten Studienfinanzierung sind Studienkredite, die 2020 zwei Prozent aller 

Studierenden neu abschlossen, die meisten davon bei der staatlichen KfW-Bankengruppe oder über das Bundesverwaltungsamt. Ein sogenanntes "Aufstiegsstipendium" für engagierte Fachkräfte mit Berufsbildung und Praxiserfahrung erhalten zurzeit gut 4500 Studierende. Die während der Coronakrise vorübergehend eingeführte Überbrückungshilfe bezogen 109.000 Studierende. 

 

Als Gruppen, die aktuell vom Bafög ganz oder teilweise ausgeschlossen sind, nennt das CHE Studierende in Teilzeit, wenn sie die Regelstudienzeit überschritten haben, über 40 Jahre alt sind oder an einer privaten Hochschule Studiengebühren zahlen. 



Wie kann der Ampel-Koalitionsvertrag das alles heilen?

 

Anbuhl: SPD, Grüne und FDP wollen die Freibeträge anheben, das ist der wichtigste Punkt, um wieder mehr Leute zu erreichen. Auch die Bedarfssätze und die Wohnkostenpauschale sollen steigen, und wie ich höre, sollen es kräftige Schritte sein. Und das müssen sie auch, denn es macht den entscheidenden Unterschied, ob ich die Sätze um drei oder um 15 Prozent erhöhe. Dass die Altersgrenzen in Angriff genommen werden sollen, ist ebenfalls elementar. Je weiter die Altersgrenzen nach oben geschoben werden, desto besser.

Und die neue Bundesregierung muss die Förderungshöchstdauer verlängern, die ist an die Regelstudienzeit gekoppelt. Aber nur jeder dritte Student, schafft sein Studium in der Regelstudienzeit. Wenn die Leute auf ihren Abschluss zugehen und kurz vorher bricht die Studienfinanzierung weg, weil sie die Regelstudienzeit überschritten haben, dann ist das nicht akzeptabel. 

 

Müller: Braucht es denn überhaupt noch eine Altersgrenze? Wie wäre es, wenn in jedem Alter eine Bafög-Berechtigung bestünde, bis in die Weiterbildung hinein, aber mit zunehmendem Alter der Darlehensanteil höher würde – am besten zinsfrei, zumindest aber zinsgünstig? Der Staat muss ja gar nicht immer alles bezahlen. Aber er sollte möglichst vielen möglichst viel ermöglichen. 

 

Anbuhl: Generell sind wir als Deutsches Studentenwerk auch für eine Abschaffung der Altersgrenze, aber das ist schnell gesagt. Interessant wird es nämlich bei der Frage, was genau sich hinter einer solchen Abschaffung verbergen würde. Brauchen wir im gehobenen Alter wirklich das Bafög oder doch andere Förderformate? Da erkenne ich in anderen Kapiteln des Koalitionsvertrags Hinweise, das Lebenschancen-Bafög zum Beispiel, nur bleibt dieser Begriff relativ unkonkret.

 

Müller: Ich sehe weitere Lücken. Die wirken auf den ersten Blick kleiner, sind aber wichtig. So wird die Förderung eines Orientierungssemesters gar nicht thematisiert, obwohl das ein überzeugender Ansatz ist, um Studienabbruch zu verhindern. Außerdem fehlt die Finanzierung von Studienbeiträgen. Ungefähr neun Prozent aller Studierenden besuchen heute eine private Hochschule, sie sind zur Finanzierung angewiesen auf sehr teure private Studienkredite. Womit auch klar ist: Es reicht nicht, immer nur aufs Bafög zu schauen bei der anstehenden Reform. Die Ampel muss Ordnung bringen ins gesamte Dickicht der Studienfinanzierung.

 

"Zum ersten Mal werden Bafög-Berechtigte nicht als Kinder ihrer Eltern gesehen, sondern als unabhängige Erwachsene." 

 

Was würde das bedeuten?

 

Müller: Bei den vielen vorhandenen Instrumenten scheint es mir manchmal so, als sähen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Wir haben den KfW-Studienkredit, wir haben den Bildungskredit – beide letzten Endes vom selben Anbieter, dem Staat, mit unterschiedlichen Zinssätzen. Zeitweise gab es ein Studienbeitragsdarlehen. Wenn es jetzt im Koalitionsvertrag auch noch Überlegungen gibt, den Darlehensanteil beim Bafög für alle zu öffnen, dann braucht es doch die anderen Kreditinstrumente gar nicht mehr. Und dann haben wir das Deutschlandstipendium, das Aufstiegsstipendium, die Begabtenförderwerke, und in der Corona-Krise wurde die Überbrückungshilfe eingeführt. Jedes Angebot hatte und hat seinen Sinn, aber wer blickt da noch durch? Die neue Regierung muss endlich Transparenz schaffen, sie muss die unterschiedlichen Instrumente bündeln, und dazu lese ich im Koalitionsvertrag kein Wort. 

 

Anbuhl: Ich hätte mir auch einiges eindeutiger gewünscht. Wenn im Koalitionsvertrag steht, die Bafög-Sätze sollten künftig "regelmäßiger" erhöht werden, nicht "regelmäßig", dann ist das nicht die automatische Anpassung, die wir brauchen. Auch das mit der Reduktion des Darlehensanteils bleibt unklar. Dafür aber freue ich mich, dass ein anderes und sehr grundlegendes Vorhaben sehr konkret beschrieben ist. Es wird künftig einen ersten Sockel mit einer elternunabhängigen Kindergrundsicherung geben, die direkt an die Berechtigten ausgezahlt wird. Was bedeutet, dass diese zum ersten Mal nicht als Kinder ihrer Eltern gesehen werden, sondern als unabhängige Erwachsene. 

 



Das ist aber nicht Teil der Bafög-Reform, sondern, Sie sagen es, gehört zur Einführung der Kindergrundsicherung insgesamt.

 

Anbuhl: Ja, auch Auszubildende bekommen das Geld, aber die Reform verändert das Bafög grundlegend – wenn Studierende nicht mehr ihre Eltern verklagen müssen, weil die das Kindergeld nicht an sie weiterleiten. Genau das war in der Lebenswirklichkeit vieler Studierenden ein Problem. Trotzdem wollten mehrere Bundesregierungen da nicht ran. Aber noch ein Wort zu Ihrer Forderung, Herr Müller, alle Instrumente der Studienfinanzierung zu bündeln: Da bin ich skeptisch. Sicherlich ist eine übergreifende Beratung sinnvoll, aber ich halte nichts davon, jetzt alle Instrumente in einen Topf zu schmeißen.

 

Müller: Ich bin auch nicht dafür, alles in einen Topf zu schmeißen. Aber mindestens das Bafög, der Bildungskredit, der KfW-Studienkredit und die unselige Überbrückungshilfe, falls es die noch einmal geben sollte, diese vier Bausteine gehören zusammen gedacht und aufeinander bezogen. Dass sie es nicht sind, kann keiner vernünftig erklären.   

 

Anbuhl: Was aber überhaupt nicht da reingehört, ist das Deutschlandstipendium, das hat mit dem Bafög gar nichts zu tun. Wenn davon seit Jahren nur rund ein Prozent der Studierenden profitiert, liegt es daran, dass sich nicht mehr Stipendiengeber finden. Da ist einfach eine gewisse Sättigung erreicht.  

 

"Wer das Deutschlandstipendium liebt,
muss das Bafög stärken."

 

Müller: So leicht lasse ich mir das Deutschlandstipendium nicht schlechtreden! Die damalige Bundesbildungsministerin Schavan hat bei der Einführung den Fehler gemacht, eine Förderquote von acht Prozent in Aussicht zu stellen. Diese völlig überzogenen Erwartungen führen dazu, dass das Stipendium vielfach als Reinfall gilt, obwohl es heute fast so viel Deutschlandstipendiaten gibt, wie alle Begabtenförderwerke zusammen Geförderte haben. Es ist eine Fundraising-Kultur entstanden, eine Vernetzung zwischen Hochschulen, Wirtschaft und Gesellschaft, die beachtlich ist. Aber klar, solange das Bafög am Boden liegt, fragen sich manche, ob die für das Deutschlandstipendium eingeplanten Mittel da nicht besser aufgehoben wären. Darum sage ich: Wer das Deutschlandstipendium liebt, muss das Bafög stärken. Aber wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Anbuhl, schließen Sie ja, abgesehen vom Deutschlandstipendium, nicht aus, dass die wesentlichen Elemente unter einen Hut kommen: Bafög, KfW- und Bildungskredit und die Überbrückungshilfe. 

 

War die Überbrückungshilfe ein Erfolg? 

 

Müller: Bei dem Kredit-Teil bekomme ich immer noch Bluthochdruck. Die Zinsen des KfW-Kredits für ein paar Monate auf null setzen und danach alle notleidenden Studierenden, die man dadurch anlockt, wieder voll zahlen lassen. Das war ein reines Lockvogelangebot. Bis heute frage ich mich: Wollte die Bundesregierung damit mehr den Studierenden auf die Beine helfen oder einem KfW-Kredit, der seit Jahren geschwächelt hat? 

 

Und was ist mit dem zweiten Standbein der Überbrückungshilfe, dem Zuschuss-Teil, den das DSW administriert hat?

 

Müller: Die Soforthilfe war das Gaffer Tape der deutschen Studienfinanzierung. Da wurden hektisch Löcher und Lücken kaschiert – aber nicht in der pragmatischen Art, die hemdsärmelige Notlösungen haben können. Die Soforthilfe verfügte nicht über den Charme des Provisorischen, sondern sie war das unfreundliche Gesicht einer lebensfremden Bürokratie. 

 

Haben sich die Studierendenwerke vom BMBF instrumentalisieren lassen, Herr Anbuhl?

 

Anbuhl: Haben wir nicht. Von der Online-Zuschuss-Überbrückungshilfe haben mehr als 100.000 Studierende profitiert, sie haben fast 200 Millionen Euro erhalten. Sicher kann man sich immer mehr wünschen, aber für uns Studierendenwerke war die Frage: Helfen wir den Studierenden oder helfen wir ihnen nicht? Da konnte es für uns nur eine Antwort geben. Und wir haben es dann geschafft, in wenigen Wochen ein Online-Portal aufzusetzen, das funktioniert hat – im Gegensatz zu so manch anderen online-basierten Überbrückungshilfen.  

 

"Einen Notfallmechanismus im Bafög wollte
Ministerin Karliczek nicht. Das war eine politische Entscheidung und ist ihre Verantwortung."

 

Müller: Was wir gebraucht hätten in solch einer Notlage, wäre das schnelle und eindeutige Signal der Bundesbildungsministerin gewesen: "Niemand muss aus finanziellen Gründen sein Studium unterbrechen oder abbrechen. Wir schaffen eine einfache und umfassende Lösung, die Sicherheit gibt." Und dieses Signal kam nicht. 

 

Anbuhl: Natürlich wäre es einfacher und zielführender gewesen, und das haben wir auch gefordert, stattdessen mit einem Notfallmechanismus das Bafög zu öffnen – so ähnlich, wie man die Grundsicherung für  Selbstständige geöffnet und auf einer Einkommensprüfung verzichtet hat. Aber das wollte Ministerin Karliczek nicht. Das war eine politische Entscheidung und ist ihre Verantwortung. 

 

Zugleich sind viele Studierende, auch extrem arme, leer ausgegangen. 

 

Anbuhl: Weil die Überbrückungshilfe nicht die Defizite der deutschen Studienfinanzierung auffangen konnte, die wir als Deutsches Studentenwerk wiederholt kritisiert haben. Die Studierendenwerke mussten vielfach Anträge ablehnen von Studierenden, die nach dem Prinzip der Überbrückungshilfe zwar wirklich arm waren, weil sie weniger als 500 Euro auf dem Konto hatten. Aber das war eben nicht pandemiebedingt, sie hatten schon vor Corona weniger als 500 Euro auf dem Konto. Umso erfreulicher ist, dass ein solcher Notfallmechanismus im Bafög jetzt laut Ampel-Koalitionsvertrag doch noch kommen soll.

 

Mit Verlaub, Herr Anbuhl: Es überrascht, wie schnell das Deutsche Studentenwerk, das sich seit Jahren so heftig für einen Neustart der Studienfinanzierung eingesetzt hat, mit einem Koalitionsvertrag zufrieden ist, der vieles im Ungefähren lässt beim Bafög. Und manche Themen gar nicht berücksichtigt: Was ist zum Beispiel mit dem Hochschulsozialpakt, der in keinem Positionspapier des DSW fehlen durfte?

 

Anbuhl: Ich finde unsere Zufriedenheit nicht überraschend, wenn von unseren zehn Wahl-Forderungen zum Bafög fast die ganze Palette im Koalitionsvertrag enthalten ist. Und was den Hochschulsozialpakt angeht: Die Ampel verspricht ein "Bund-Länder-Programm für studentisches Wohnen, für junges Wohnen und Wohnen für Auszubildende" – etwas, das wir seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten verlangt haben. 

 

"Die Ministerin und ihre Staatssekretäre haben die Chance, das umzusetzen, was sie die ganze Zeit gefordert haben."

 

Bis wann wollen Sie denn jetzt Ergebnisse sehen? Bis wann muss aus dem "Viel versprochen" im Koalitionsvertrag ein "Viel geleistet" der Ampel geworden sein?

 

Müller: Das wird ein Abwägen zwischen "möglichst schnell" und "möglichst gut". Ich will beides. Aber die Herausforderungen bei der Umsetzung sind schon gewaltig, da hat Herr Anbuhl Recht. Wenn es also ein Jahr länger dauert, die Ampel-Koalition dafür aber ein Jahrzehnt der Bildungschancen einläutet, warte ich gern dieses Jahr. Aber viel länger geht nicht. 

 

Anbuhl: Die Ampel sollte das splitten. Alles, was sofort passieren kann, sollte sofort passieren, eigentlich schon zum Wintersemester 2022. Und damit meine ich eine kräftige Erhöhung der Freibeträge, Bedarfssätze und der Altersgrenzen und die Integration des Notfallmechanismus ins Bafög. Der zweite Teil, bei dem es um strukturelle Reformen geht, zum Beispiel bei der Kindergrundsicherung, sollte bis Mitte der Legislaturperiode stehen. 

 

Müller: Da hätte ich nur die große Sorge, dass dann wieder Leute kommen und sagen: Wir haben doch gerade erst die Sätze erhöht beim Bafög, müssen wir da schon wieder ran? Darum habe ich die Tendenz zu sagen: Macht meinetwegen alles etwas später, aber richtig. Ich setze auf eine starke Ministerin Bettina Stark-Watzinger und mit Thomas Sattelberger und Jens Brandenburg auf zwei Staatssekretäre, die die einmalige Chance haben, das umzusetzen, was sie die ganze Zeit gefordert haben. Ein Riesenprivileg. Aber auch eine Riesenherausforderung.

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