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Zu kleiner großer Wurf?

Die Ampel will das Bafög neu aufstellen. Jetzt sind Details eines Gesetzentwurfs durchgesickert, der die künftigen Fördersätze und erste Reformschritte enthält. Studierende und Studentenwerke reagieren verhalten.

ERSTE DETAILS zur geplanten Bafög-Reform der Ampelkoalition werden bekannt. Die Funke-Mediengruppe berichtete heute über einen Entwurf zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Demzufolge soll es schon vom 1. August 2022 an mehr Geld für die Studierenden geben. Konkret soll der Bedarfssatz von 427 auf 449 Euro klettern, was einer Erhöhung um gut fünf Prozent entspräche. Die Wohnkostenpauschale soll sogar um fast elf Prozent von 325 auf 360 Euro steigen. Studierende mit Kindern sollen künftig einen Zuschlag von 160 statt 150 Euro erhalten, Auszubildende, die nicht mehr zu Hause wohnen, 731 statt bislang 681 Euro, schreibt unter anderem das Hamburger Abendblatt. Die Einkommensfreibeträge für Eltern würden laut Entwurf von 2.000 auf 2.400 Euro erhöht, der Vermögensfreibetrag für die Studierenden auf 45.000 Euro.

 

Der Gesetzentwurf sei gestern zur Koordinierung ins Kanzleramt gegangen, heißt es weiter in dem Funke-Bericht. Nach der Ressortabstimmung sollten die Änderungen schon am 6. April vom Bundeskabinett beschlossen werden. 

 

Das Bundesbildungsministerium bestätigte am Nachmittag auf Anfrage, dass ein sogenannter Referentenentwurf vorliege und sich im Prozess der Abstimmung befinde.

 

Inhaltlich kommen die Pläne nicht überraschend. SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag neben einer strukturellen Bafög-Reform auch eine substanziellen Erhöhung der Sätze und Freibeträge angekündigt. Auch das Tempo, mit dem sich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) an die Umsetzung machen will, hatte sie wiederholt bekräftigt.

 

Zum Beispiel kurz vor Weihnachten: Anlässlich der Vorstellung des noch von der alten Bundesregierung erarbeiteten Bafög-Berichts beklagte Stark-Watzinger den "kontinuierlichen Rückgang der Gefördertenzahlen" von 782.000 auf 639.000 zwischen 2017 und 2020 und erklärte, diesen könne man nicht "hinnehmen." Jeder und jede solle studieren oder eine schulische Berufsausbildung machen können, "wenn er oder sie das möchte. Ich möchte dem Bafög deshalb so schnell wie möglich einen Schub geben."

 

Die Altersgrenze 

soll auf 45 steigen

 

Der nun laut Funke-Mediengruppe geplante Schritt besteht zum größten Teil aus einer finanziellen Anpassung, aber nicht nur. Auch erste strukturelle Veränderungen würden, falls der jetzt bekannt gewordene Entwurf so Gesetz würde, schon zum August umgesetzt werden. Am wichtigsten: die erhebliche Anhebung der Altersgrenze für den Bafög-Bezug von 30 auf 45 Jahre. Und anders als bislang sollen auch einjährige Studiengänge gefördert werden, die komplett im Ausland stattfinden, auch in Nicht-EU-Staaten. Schließlich soll es schon zum Wintersemester leichter werden, das Bafög online zu beantragen. Das geht zwar schon jetzt – muss aber noch per Unterschrift bestätigt werden. 

 

Der Studierendenverband fzs kommentierte, dass eine Erhöhung der Bedarfssätze um fünf Prozent nicht einmal die Inflation ausgleiche und damit deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibe. Ähnliches gelte für die geplante Erhöhung der Wohnkostenpauschale, die auch dann noch deutlich die realen Lebenshaltungskosten der Studierenden unterschreite. Im Gegensatz dazu sei die Erhöhung der Elternfreibeträge um 20 Prozent "ein sehr guter erster Schritt", dem allerdings weitere staffelweise folgen müssten. "Das Leben nur mit dem BAföG zu bestreiten bleibt also selbst nach der Reform schwierig",  sagte fzs-Vorstandsmitglied Lone Grotheer und kritisierte, dass der fzs und andere involvierte Verbände den Gesetzentwurf bislang nicht erhalten hätten. Spätestens jetzt müssten die Studierenden in den Prozess eingebunden werden, forderte Daryoush Danaii, ebenfalls Mitglied im fzs-Vorstand.

 

Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), Matthias Anbuhl, sagte auf Anfrage, die ersten konkreten Pläne stimmten ihn "verhalten optimistisch". Die Erhöhung der Elternfreibeträge um gleich 20 Prozent wären, befand Anbuhl ähnlich wie der fzs, "schon eine Hausnummer". Einen Zuschlag um gut fünf Prozent bei den Bedarfssätzen bezeichnete Anbuhl dagegen als "zu kraftlos". 

 

Wichtig sei auch, betonte der DSW-Generalsekretär, dass es nicht bei einer einmaligen Erhöhung bleibe, sondern dass weitere Schritte noch in dieser Legislaturperiode folgten. Außerdem komme es darauf an, dass neben den geplanten Erhöhungen auch die strukturelle Bafög-Reform rasch auf den Weg gebracht werde. "Es muss vor allem stärker an die Studien- und Lebensrealität der Studierenden angepasst werden." Etwa durch eine Förderung des Teilzeitstudiums und eine Entkopplung der Bafög-Förderungshöchstdauer von der Regelstudienzeit um, wie Anbuhl sagte, "mindestens zwei Semester". 

 

Viele der versprochenen Reformen kommen
wie erwartet erst später

 

Der Koalitionsvertrag hatte neben höheren Freibeträgen, Bedarfssätzen und Altersgrenzen auch eine solche Verlängerung der Förderhöchstdauer angekündigt. Diese wird in der Berichterstattung der Funke-Mediengruppe aber noch nicht erwähnt, ebenso wenig der im Koalitionsvertrag angekündigte Notfallmechanismus, die versprochene "regelmäßigeren" Erhöhungen, die laut Ampel "angestrebte" Absenkung des Darlehensanteils oder die Studienstarthilfe für junge Menschen aus ärmeren Familien. 

 

Alles wohl Bestandteile eines zweiten Reformschritts beim Bafög, der erwartungsgemäß erst später in der Legislaturperiode kommen wird. Auch erst dann wird wohl ein familienpolitisches Kernprojekt der neuen Ampel-Koalition Wirklichkeit werden: Der elternunabhängige Garantiebetrag der geplanten neuen Kindergrundsicherung soll künftig direkt an alle Volljährigen in Ausbildung und Studium ausgezahlt werden. Was die Ausbildungsförderung deutlich elternunabhängiger machen würde. Die vom DSW geforderte Förderung von Studierenden in offiziellen Teilzeitstudiengängen sollte laut Ampel-Koalltionsvertrag nur "geprüft" werden. 

 

Die Digitalisierung des Bafög bleibe "eine riesige Baustelle", sagte DSW-Generalsekretär Anbuhl in seiner heutigen Stellungnahme weiter. So müssten die Bafög-Ämter der Studierendenwerke die online eingereichten Anträge mangels e-Akte immer noch ausdrucken, auch gebe es keinen digitalen BAföG-Bescheid. Das sei "Digitalisierung ad absurdum".

 

Anbuhl verlangte, dass die Bundesregierung den dann zwischen den Ressorts abgestimmten Gesetzentwurf für eine valide Bewertung offenlege – vor der Verabschiedung im Bundeskabinett. 



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