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Was Science Diplomacy in Kriegszeiten bedeutet

Die Wissenschaft muss ihren Beitrag leisten zur politischen Reaktion auf die Ukraine-Invasion. Wir werden unseren Partnern in der Ukraine beistehen und Flüchtlingen, die zu uns kommen, eine Perspektive bieten. Zugleich gilt es, den russischen Staat zu isolieren, aber die regierungskritischen russischen Wissenschaftler und Studierenden zu stärken. Ein Gastbeitrag von DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee.

Joybrato Mukherjee ist Präsident der Universität Gießen und Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Foto: Jonas Ratermann.

ANNALENA BAERBOCK STELLTE am Morgen des 24. Februar zu Recht fest: "Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht." Olaf Scholz beschrieb am Abend desselben Tages den Angriff der russischen Armee auf die Ukraine als den "Versuch, Grenzen innerhalb Europas gewaltsam zu verschieben, ja vielleicht, ein ganzes Land von der Weltkarte zu tilgen." Ja, genau so fühlen sich die Ukrainerinnen und Ukrainer, wie mir ein Kollege aus Kiew am nächsten Tag sagte: "Wir Kiewer fühlen uns wie die Warschauer im September 1939 – heute sind wir es, morgen sind es andere."

 

Es geht in diesen Tagen in der deutschen, europäischen und transatlantischen Politik darum, die Schockstarre nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine zu überwinden und mit eigenen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen auf die seit Donnerstagmorgen fundamental veränderte Welt zu reagieren – zur Unterstützung der Ukrainerinnen und Ukrainer, zur Sanktionierung und Isolierung der Regierung der Russischen Föderation und zum Schutz der Europäischen Union und des NATO-Gebietes.

 

Angesichts der enormen Verflechtungen zwischen Deutschland und Russland sowie Deutschland und der Ukraine im Wissenschaftsbereich stellen sich für die deutschen Hochschulen, für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen und für alle weiteren Wissenschaftsorganisationen ebenfalls sehr grundsätzliche Fragen in dieser neuen Welt. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen hat für die deutsche Wissenschaft sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass unsere volle Solidarität der Ukraine gilt, dass der russische Angriff durch nichts zu rechtfertigen ist und dass die Wissenschaftsorganisationen im Rahmen ihrer spezifischen Aufgaben und Missionen die Kooperationen mit Russland einschränken bzw. aussetzen. Dieses Vorgehen gilt es nun zu konkretisieren.

 

"So viel Diplomatie wie möglich,
ohne naiv zu sein"

 

Bundeskanzler Scholz hat in seiner Regierungserklärung im Deutschen Bundestag am 27. Februar die Gesamtstrategie der Bundesrepublik Deutschland abgesteckt. In der vom Bundeskanzler skizzierten neuen Welt, in der die Kraft des Stärkeren die Macht des Rechts herausfordert, gilt es festzuhalten, dass Investitionen in unsere Verteidigungsbereitschaft und Investitionen in die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik keine Gegensätze, sondern gleichberechtigte Teile einer Gesamtstrategie für unsere wertebasierte Außenpolitik sind. Ich begrüße, dass die Außenpolitik Deutschlands dabei dem Anspruch "So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein" verpflichtet bleibt, wie es Bundeskanzler Scholz formulierte. Denn hier gilt: Die Wissenschaft trug und trägt in erheblichem Maße zur Diplomatie – im Sinne einer Science Diplomacy – bei. Allerdings stellt sich die Frage, wie unsere Außenwissenschaftspolitik konkret auf die Zeitenwende des 24. Februar reagieren soll.  

 

Für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der seit jeher auf "Wandel durch Austausch" auch in extrem schwierigen Kontexten gesetzt hat, ist dabei handlungsleitend, was wir im Oktober 2021 in unserem Eckpunktepapier "Mehr Verantwortung wagen in einer global vernetzten Welt" formuliert haben. Für die Ukraine ist besonders relevant, was wir dort mit Blick auf sogenannte "fragile Kontexte" festgestellt haben:

 

"Für solche Situationen müssen wir für die Menschen vor Ort und ihre Bildungsperspektiven, aber auch mit Blick auf die Steuerung von unvermeidlichen Flüchtlingsbewegungen Strategien entwickeln, die in wirksame Programme umzusetzen sind. Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf dem Schutz von bedrohten und verfolgten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Studierenden liegen."

 

Seit dem 24. Februar haben sich die deutschen Hochschulen, viele Forschende, Lehrende und Studierende eigeninitiativ um ihre ukrainischen Kolleginnen und Kollegen und Mitstudierenden gekümmert. Wir wissen von Hilfsfonds, die Hochschulen aufgelegt haben, und von zahlreichen Hochschulmitgliedern, die ukrainische Schutzsuchende von der polnischen Grenze abgeholt und bei sich untergebracht haben. Sie alle haben erkannt, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrer zutiefst prekären Lage Unterstützung brauchen, und das kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

 

Wir brauchen rasch ein vom Bund
finanziertes Unterstützungsprogramm

 

Zugleich wird das Engagement Einzelner nicht ausreichen angesichts der möglicherweise länger andauernden Kriegssituation oder gar eines russischen Besatzungsregimes in der gesamten Ukraine. Daher brauchen wir möglichst rasch ein vom Bund finanziertes großes Unterstützungsprogramm für die Hochschulen, damit diese in dieser Krise helfen können.

 

Dieses Unterstützungsprogramm sollte die Säulen umfassen, die sich auch in anderen fragilen Kontexten bewährt haben:

 

o Stipendien für ukrainische Studierende, Promovierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in den kommenden Wochen und Monaten zu uns kommen, sowie die unbürokratische Verlängerung der Förderung für diejenigen, die bereits bei uns sind;

 

o Unterstützung der deutschen Hochschulen bei der Betreuung und Begleitung der Ukrainerinnen und Ukrainer während der Förderung und darüber hinaus;

 

o Unterstützung der deutschen Hochschulen bei der fachlichen und sprachlichen Weiterqualifikation von akademisch vorqualifizierten Fachkräften mit Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt;

 

o Unterstützung der deutschen Hochschulen bei der Entwicklung und Bereitstellung von digitalen Angeboten für ihre ukrainischen Partnerhochschulen, solange diese ihren Betrieb aufrechterhalten können;

 

o Leadership-Programme für zukünftige Führungskräfte, die nach einer späteren Stabilisierung der Lage Führungsaufgaben in der Ukraine übernehmen werden.

 

Gerade bei den Studierenden wird es unsere Aufgabe sein, sie in allen vier relevanten Phasen (1. Vorbereitung auf das Studium, 2. Studieneinstieg, 3. weiterer Studienverlauf, 4. Übergang in den Arbeitsmarkt als qualifizierte Fachkräfte) an den Hochschulen optimal zu betreuen; dazu gehört wegen der besonderen traumatischen Belastungen auch eine umfassende psychologische Betreuung.

 

Wir dürfen uns nichts vormachen. Es wird sich angesichts der sich bereits abzeichnenden Flüchtlings- und Zuwanderungsströme aus der Ukraine um ein gigantisch großes Unterstützungsprogramm handeln müssen. Aber wenn wir den Ukrainerinnen und Ukrainern, die ihr Land verlassen und an unseren Hochschulen eine Perspektive suchen, wirklich helfen wollen, darf die Bundesregierung an dieser Stelle keine Kosten scheuen. Nach allen Berichten, die wir seit dem 24. Februar aus den Hochschulen erhalten haben, wissen wir: Unsere Hochschulen, ihre Beschäftigten und Studierenden sind bereit, ihren Beitrag zu leisten. Sie brauchen zeitnah die nun notwendige Flankierung. Als DAAD setzen wir uns darüber hinaus auch für großvolumige europäische Hilfsprogramme ein.

 

Was die Krise für die außenwissenschaftlichen
Beziehungen mit Russland bedeutet

 

Unsere akademischen Beziehungen zu Russland sind traditionell sehr eng. Gerade deshalb war die Entwicklung in Russland bereits in den vergangenen Jahren mit einer immer aggressiveren Außenpolitik und einer immer repressiveren Innenpolitik so schmerzhaft für uns. Nach dem 24. Februar gilt es nun, konsequente Anpassungen in unseren außenwissenschaftspolitischen Beziehungen zu Russland vorzunehmen. Für unser eigenes Förderhandeln als DAAD, aber auch für die Beratung der deutschen Hochschulen durch unser Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi), ist die folgende Feststellung aus dem Eckpunktepapier "Mehr Verantwortung wagen in einer global vernetzten Welt" im Oktober 2021 die wesentliche Ausgangsposition:

 

"Die deutsche Wissenschaft muss bereit sein, auch mit Ländern mit anderen Rechtssystemen und Werteordnungen zusammenzuarbeiten, soweit dies vertretbar und verantwortbar ist. Dabei gilt es, auch gegenüber herausfordernden Partnern unsere eigenen Interessen einzubringen und für unsere Werte einzustehen."

 

Schon damals haben wir explizit auf die Russische Föderation als ein wissenschaftliches Partnerland hingewiesen, das sich "eher weg von gemeinsamen Positionen und Werten entwickel[t]."  Und schon seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim wurden von uns in der Wissenschaft beispielsweise gemeinsame hochrangige Begegnungen mit russischen Repräsentanten der Krim verweigert. Diese Position haben wir auch im deutsch-russischen Themenjahr der Wissenschaft 2019/2020 eingenommen und damit unsere völkerrechtliche Auffassung und unsere Werte vertreten – und gleichzeitig die Gesprächskanäle nach Russland offengehalten. Jetzt aber müssen wir noch viel grundsätzlicher fragen, was im Rahmen der Gesamtstrategie der Bundesregierung und der Europäischen Union noch vertretbar und verantwortbar ist.

 

Deshalb haben wir die folgenden Schlussfolgerungen gezogen:

 

o Der DAAD hat die Förderung von Mobilitäten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Studierenden aus Deutschland nach Russland ausgesetzt. Wenn der russische Staat mit weitreichenden Sanktionsmaßnahmen wirtschaftlich isoliert werden soll, müssen auch die mit deutschem Steuergeld geförderten Austauschbeziehungen eingeschränkt werden, denn diese sind letztlich auch mit Finanzzuflüssen nach Russland verbunden.

 

o Gleiches gilt für gemeinsame deutsch-russische Veranstaltungen im Rahmen von Hochschulkooperationen, die vom DAAD gefördert werden: Diese sollen ebenfalls ausgesetzt werden. Wir wollen auf diese Weise verhindern, dass die Projektaktivitäten und -ergebnisse, die von Deutschland (mit)finanziert werden, als russische Erfolge sichtbar gemacht werden – und möglicherweise als ein Zeichen von "business as usual" missverstanden werden.

 

o Ebenso setzen wir bis auf Weiteres alle Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des russischen Staats, so etwa in den Ministerien, aus, ebenso alle offiziellen Begegnungen in institutionalisierten Kontexten mit staatlichen Einrichtungen. Wir haben auch in der Wissenschaftssphäre unseren Beitrag zur Isolierung der politischen Elite Russlands zu leisten.

 

o Hingegen wollen wir die vielen russischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierenden, die bei uns sind oder die in der nächsten Zeit nach erfolgreicher Antragstellung zu uns kommen wollen, selbstverständlich weiter fördern, etwa durch DAAD-Stipendien. Die Förderung der Mobilität von Russland nach Deutschland wird von uns aus zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingeschränkt. Im Gegenteil: In dieser Richtung die Gesprächskanäle und Austauschplattformen, so lange es möglich ist, offen zu halten, liegt in unserem ureigenen Interesse und zeigt, dass wir nicht die Russinnen und Russen sanktionieren wollen, sondern den russischen Staat.

 

o Viele unserer Kolleginnen und Kollegen, unserer Freundinnen und Freunde an russischen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen sind über ihre Regierung genauso entsetzt wie wir. Viele äußern sich auch öffentlich kritisch zum Angriffskrieg gegen die Ukraine – und nehmen dafür erhebliche Risiken und Repressionen in Kauf. Wir wollen dies anerkennen und die regierungskritischen Kräfte stärken. Das geschieht auch dadurch, dass wir konsequent zwischen der russischen Regierung und den russischen Bürgerinnen und Bürgern unterscheiden und unsere russischen Freundinnen und Freunde nicht in eine Geiselhaft der Putin-Regierung nehmen lassen.

 

Wir müssen in der Wissenschaft
bereit sein, diesen Preis zu zahlen

 

Diese Maßnahmen bedeuten erhebliche Einschränkungen in der deutsch-russischen Wissenschaftskooperation und in den deutsch-russischen Austauschbeziehungen. Diese Einschränkungen halten wir für unumgänglich. Wir müssen aber in der Wissenschaft bereit sein, diesen Preis zu zahlen – wenn wir ernst nehmen, dass in einer solchen Krisen- und Kriegssituation unser außenwissenschaftspolitisches Agieren zur Gesamtstrategie der Bundesregierung und der Europäischen Union passen muss. Science Diplomacy gegenüber Russland wird uns auf absehbare Zeit einiges abverlangen – da gibt es nichts zu beschönigen.

 

Es bleibt zu hoffen, dass Science Diplomacy in Kriegszeiten eine kurze Phase bleiben wird. Vielleicht, weil auch wir in der Wissenschaft einen kleinen Beitrag dazu leisten, unseren ukrainischen Partnern und den ukrainischen Flüchtlingen beizustehen, den russischen Staat zu isolieren und unsere regierungskritischen russischen Partnerinnen und Partner zu stärken.



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Kommentare: 10
  • #1

    Oliver Locker-Grütjen (Dienstag, 01 März 2022 11:46)

    Ich halte die Entwicklung und Entscheidung (auch des DAAD) für sehr schwierig und durchaus kontraproduktiv. Man entzieht hiermit die Grundlage für "science diplomacy" und verwehrt den Zugang zum Austausch genau denjenigen Kolleg*innen, die mit uns arbeiten wollen, die unseren Werten gegenüber loyal sind. Das ist m.E. ein
    Schnellschuss.
    Ich habe Verständnis für die Einschätzung auch des Auswertigen Amtes, da es um Steuergelder geht. Gleichzeitig geht es um eine, wenngleich auch
    schwache, Verbindung, die zuverlässig und schon immer da war und der Zivilgesellschaft in Russland eine Unterstützung bot.
    Wenn diese Beziehungen gekappt werden, dann werden sie sehr schwer wieder herzustellen sein. Ich bin sehr besorgt. Diese Reaktion trifft definitiv die Falschen.

  • #2

    Mirjam Horn-Schott (Dienstag, 01 März 2022 12:23)

    Das sind starke, notwendige Worte, denen die anderen großen Wissenschaftsorganisationen hoffentlich mit der gleichen Konsequenz folgen. Herzlichen Dank!

  • #3

    McFischer (Dienstag, 01 März 2022 16:30)

    Ein guter Beitrag, den ich voll unterschreiben würde.
    Natürlich treffen Sanktionen immer auch "die Falschen" - trotzdem können sie sinnvoll sein.
    Aber die kritischen akademischen Stimmen in Russland zu unterstützen, Kommunikation zu ermöglichen, ist sinnvoll.

  • #4

    Lothar Zechlin (Donnerstag, 03 März 2022 07:56)

    Ich stimme dem Kommentar von Locker-Grütjen zu. Mehr als 640 russische Wissenschaftlerrinnen, darunter 65 Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften, haben einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie „diesen Krieg als einen zynischen Verrat“ bezeichnen. Sie haben sich damit in höchste Gefahr gebracht. Der Dank der deutschen Wissenschaftspolitik: Sie werden von allen Kontakten zu Deutschland ausgeschlossen. Na bravo! Selbst zu den Hochzeiten des kalten Krieges konnten gegenseitige Einladungen ausgesprochen und Kongresse durchgeführt werden.

  • #5

    IZ (Donnerstag, 03 März 2022 11:24)

    Ich erkenne in der Argumentation zu Gunsten einer Einschränkung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland eine Ökonomisierung und Politisierung der Wissenschaft, eine Entwicklung, die - wie mir scheint - auch unabhängig vom Ukrainekrieg seit Langem stattfindet.

    Der Wandel der russischen Politik kann nur aus der russischen Gesellschaft heraus erfolgen. Daher ist der fortgesetzte Wissenschaftsaustausch enorm wichtig. Die Leistung der Wissenschaft sollte hierbei nicht in ökonomischen Kategorien gedacht und im Gefolge von Wirtschaftssanktionen ebenfalls einer Sanktionslogik unterworfen und geopfert werden. Wissenschaft appeliert auch in schwierigen Zeiten an die ununterbrochene Suche nach intersubjektiver Wahrheit. Bei allen Unterschieden in den kulturspezifischen Weltbildern bemüht sich die Wissenschaft stets darum, Brücken zu bauen. Diese werden jetzt mehr benötigt denn je.

    Durch die selektive Förderung von regierungskritischen Russen setzt man gleichwohl gerade diese Menschen leider der Gefahr aus, vom russischen Staat und den ihn tragenden Bevölkerungteilen diskreditiert und benachteiligt zu werden. Durch diese Selektivität trägt man eben nicht zum beabsichtigten gesellschaftlichen Wandel in Russland bei, sondern verhärtet die Fronten innerhalb der russischen Gesellschaft; wie mir scheint, leider zu Ungunsten der liberalen Teile der Gesellschaft.

    Wissenschaft sollte Grundlagen für eine bessere Politik schaffen, anstatt sich für politische Zwecke einspannen zu lassen. Die unpolitische Suche nach Wahrheit ist ihr mächtiger Hebel, durch den sie Veränderungen in anderen Gesellschaften zu bewirken vermag.

  • #6

    Barbara Eichner (Donnerstag, 03 März 2022 17:23)

    Ein sehr bedenkenswerter Blog. Wäre es möglich, ihn auch in einer englischen Version zu veröffentlichen? Ich würde ihn gerne mit Kolleginnen und Kollegen im englischsprachigen Raum teilen.

  • #7

    Oliver Locker-Grütjen (Freitag, 04 März 2022 13:22)

    @Barbara Eichner: eine sehr gute Idee.
    Im Guardian zeigt sich auch, wie heterogen die Diskussion in GB geführt wird:
    https://www.theguardian.com/education/2022/mar/04/uk-universities-impact-sanctions-russia-academmics-boycott

    Ich denke, dass wir als Wissenschaftsorganisationen auch unseren Kolleg*innen in Russland ermunternde Worte, motivierende Zeichen und eine Geste der Solidarität mit Ihnen zukommen lassen müssen, da die überwältigende Mehrheit von ihnen diesen Krieg verdammen.

    Vielleicht sollte gerade die wissenschaftliche Community die "Sanktionsspirale" durchbrechen und die Kooperation "jetzt erst recht" intensivieren, so gut es geht.

  • #8

    Christiane (Samstag, 05 März 2022 16:09)

    Ich war/bin auch hin- und hergerissen, was die Aussetzung von Förderungen und gemeinsamen Aktivitäten angeht. Allerdings stelle ich mir auch die Frage angekommen, wie viele Wissenschaftler*innen die offenen Briefe und entsprechend offene (und leider auch persönlich gefährliche) Positionierungen initiiert und unterschrieben hätten, würde es nicht solche direkten Auswirkungen auf ihre Arbeit (und auch ihre Forschungskarriere) geben. So sehr ich hoffe, dass der Krieg so schnell wie möglich beendet wird, so sehr denke ich auch, dass letztendlich nur massiver Druck von innen zu langfristigen und positiven Veränderungen in Russland führen kann. Und wenn solche Mittel dazu beitragen, könnte es ein Schritt dahin sein.

  • #9

    Nikolaus Bourdos (Sonntag, 06 März 2022 15:10)

    Dialog ist essenziell, um auch die kritischen Kräfte zu stärken und nicht unvorbereitet in eine Nachkriegszeit und -ordnung hinein zu stolpern. Seinen Wissenschaftlern jegliche Kontakte nach Russland zu untersagen, wie es einige Forschungseinrichtungen gegenwärtig praktizieren, ist in jeglicher Hinsicht kontraproduktiv und schadet Deutschlands Ruf als Wissenschaftsstandort. Druck muss jedoch aufgebaut werden, um Veränderungen von innen zu befördern. Dazu gehört, dass kein Fördergeld über die Grenze geht.

    Und genauso, wie wir Wissenschaftler und Studenten aus der Ukraine mit offenen Armen empfangen, muss dies für diejenigen aus Russland gelten, die sich mit regierungskritischen Äußerungen in Gefahr begeben.

  • #10

    Martin Stenzel (Mittwoch, 09 März 2022 15:26)

    Danke für den sehr guten Beitrag, danke für die fundierten Kommentare!

    Finanziert werden Bildung/Forschung, allerdings auch das Militär aus Steuergeldern. Auch die BR Deutschland (zuletzt 100 Milliarden Euro angekündigt!) investiert massiv in das Militär.
    Dann müsste ich jetzt als Konsequenz als deutscher Staatsbürger die Steuerzahlungen an das Finanzamt einstellen, damit ich die Finanzierung des Militärs (es gibt kein "gutes" oder "schlechtes" Militär - Militär bleibt immer Militär) durch den deutschen Staat nicht unterstütze!?

    Die Sachlage ist viel zu komplex für Lösungen, die einem oft als einfache Lösung "verkauft" werden (z. B. Isolation der Russischen Föderation als Ganzes).

    Auch Politik und Diplomatie sind eine Wissenschaft - und es gibt gute und schlechte Wissenschaftler:Innen...

    Martin Stenzel, Köln-Nippes