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Und was ist nach dem 19. März?

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit handeln Bund und Länder die verbleibenden Corona-Regeln aus. Bleibt die Möglichkeit, Masken und Tests in den Schulen anzuordnen?

DIE SORGEN UM DIE UKRAINE nach dem russischen Angriff verdrängen die eingefahrenen Pandemie-Debatten. Verständlich. Doch so ganz sollten wir die Aufmerksamkeit noch nicht abwenden. In weniger als drei Wochen, spätestens am 19. März, muss die Novelle des Bundesinfektionsschutzgesetzes stehen. Dann wird klar sein, wie unser Alltagsleben im Sommer und darüber hinaus aussieht. Die gesellschaftliche Debatte darüber ist zu wichtig, um sie jetzt einfach ausfallen zu lassen. 

 

Es gibt hoffnungsvolle Zeichen: Am Dienstag hat das Robert-Koch-Institut (RKI) angekündigt, dass es von heute an an alle Hochrisikogebiete streicht – weil die Fähigkeit von Omikron,"eine bedrohliche Erkrankung hervorzurufen, weniger schwerwiegend ist im Vergleich zu den vorherigen vorherrschenden Varianten". Die Aussichten sind so gut, dass der Charité-Chefvirologe Christian Drosten bis auf Weiteres seinen Podcast einstellt. Immer mehr Hochschulen kündigen ein volles Präsenzsemester an. Die Schulen melden weniger neuinfizierte Schüler, die registrierten Neuinfektionen unter Kindern und Jugendlichen sinken seit Wochen überdurchschnittlich. Viele Bundesländer schaffen die Maskenpflicht am Platz ab.

 

Und auch wenn etwa die Initiative "#WirWerdenLaut" eine Verschärfung der Hygiene-Regeln inklusive einer bundesweiten Aussetzung der Präsenzpflicht an den Schulen fordert und deshalb am Wochenende zu Demonstrationen unter anderem in Köln und Stuttgart aufgerufen hat, stehen die Zeichen auch an den Schulen auf weitere Lockerungen. Berlin zum Beispiel führt die Präsenzpflicht ab 1. März wieder ein. Und in Rheinland-Pfalz soll bis zum 21. März nicht nur die Maskenpflicht am Platz schrittweise an allen Schulen entfallen. Schon vom 14. März an fährt das Bundesland die Pflichttests von drei auf zwei zurück – und hebt die Testpflicht bei Freizeitaktivitäten für Kinder und Jugendliche ganz auf. 

 

Mit der Masken- und Testpflicht in den Schulen wäre es nach dem 19.März freilich dann auf einen Schlag bundesweit komplett vorbei – es sei denn, das novellierte Bundesinfektionsschutzgesetz erlaubt sie weiter explizit. Was viele Ministerpräsidenten als Teil eines verbleibenden "Instrumentenkastens" fordern. besonders Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) drängt schon seit Wochen darauf. Aber auch Söder-Kollegen wie Kretschmann (Grüne, Baden-Württemberg), Weil (SPD, Niedersachsen) oder Bouffier (CDU, Hessen). 

 

KMK-Präsidentin Prien: "Zurück
zur Normalität, aber behutsam"

 

Die Kultusminister wollen sich bei ihrem nächste Woche anstehenden Präsenz-Treffen der Kultusministerkonferenz (KMK) in Lübeck zu dem Thema besprechen und offenbar versuchen, eine gemeinsame Position abzustimmen – als öffentliche Botschaft an ihre Chefs und als Forderung an die Ampel-Koalition. So gibt es Ressortchefs, die in ihrem Bundesland zwar bereits die Maskenpflicht am Platz aufgehoben haben und trotzdem die Möglichkeit weiter im Gesetz haben wollen, sie bei Bedarf wieder anzuordnen. Andere zögern noch damit, überhaupt bei Masken und Tests zu lockern, um die Debatte um die Sicherheit in den Schulen nicht erneut zu befeuern. 

 

"Das Signal vieler Eltern und Lehrkräfte ist: Wir wollen zurück zur Normalität, aber behutsam", sagt zum Beispiel Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), die zurzeit auch KMK-Präsidentin ist und dafür plädiert, dass Masken- und Testpflicht als Möglichkeit im Infektionsschutzgesetz bleiben. Wird das der Tenor einer möglichen KMK-Erklärung nächste Woche?

 

In Schleswig-Holstein, sagt Prien, würde die Maskenpflicht am Platz dann erst nach den Osterferien fallen. Dort gingen die Infektionszahlen zuletzt wieder leicht hoch, was Prien auf das Überhandnehmen der Omikron-Variante BA.2. zurückführt. 

 

Die Bundesregierung ist in der Frage, ob es nach dem 19. März noch einen "Instrumentenkasten" geben und was dieser enthalten soll, derweil gespalten. SPD und Grüne wollen den Ländern offenbar entgegenkommen, vor allem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wehrt sich gegen zu große Lockerungen. Anders die Liberalen. "Fundamentale Grundrechtseinschränkungen auf Vorrat darf es nicht geben", sagte der FDP-Fraktionschef Christian Dürr der WELT. Soll heißen: Der Katalog der den Ländern künftig ohne weiteren Bundestags-Beschluss zur Verfügung stehenden Maßnahmen soll möglichst knapp gehalten werden. Die Ampel-Koalition sei nämlich, sagt Dürr, sollte sich die Notwendigkeit noch einmal ergeben, jederzeit in der Lage, wieder neue Maßnahmen draufzulegen. Was viele Ministerpräsidenten bezweifeln.

 

Ob die Zurückhaltung der FDP sich freilich auch auf die Möglichkeit einer weiterlaufenden Masken- und Testpflicht in den Schulen bezieht, bleibt abzuwarten. Die liberale Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich in den vergangenen Tagen auffällig ruhig bei dem Thema verhalten. Vor zwei Wochen sagte sie der Nachrichtenagentur dpa, Lockerungen in den Schulen müssten kommen, inklusive einer von den Corona-Inzidenzen abhängigen gestuften Rücknahme der Test- und Maskenpflicht. "Aber wir sollten behutsam sein, um den Präsenzunterricht nicht durch steigende Infektionszahlen zu gefährden."

 

Währenddessen öffnet zum Beispiel Bayern die Diskos und Kneipen wieder, und zwar ohne Maskenpflicht, – während Ministerpräsident Söder bei der Maskenpflicht in den Schulen – abseits des Sportunterrichts – vorläufig nicht mit sich reden lassen will. Die Augsburger Allgemeine fragte gestern, warum die Regeln am Stammtisch so viel lockerer seien als im Unterricht. "Schon seit Langem sitzen Erwachsene eng an eng im Lokal, prosten sich zu, schreien sich ins Ohr, um den Lärm in der Gaststube zu übertönen." Bisher habe man noch argumentieren können, dass in Restaurants alle Besucherinnen und Besucher geimpft und genesen sein mussten, weil anders als in den Schulen die 2G-Regel gegolten habe. "Ab 4. März aber reicht auch ein negativer Test zum nahezu maskenfreien Restaurantgenuss."

 

Wird das die Marschrichtung für einen Bund-Länder-Kompromiss? Fast alle Einschränkungen aus dem Bundesinfektionsgesetz streichen – und sie an den Schulen weiter ermöglichen? 

 

Bis Anfang kommender Woche, so hoffen die Länder, wird die Bundesregierung einen ersten Gesetzentwurf vorlegen. Ob das klappt, ist angesichts des Streits in der Ampel noch unklar, auch wenn Gesundheitsminister Lauterbach vergangenen Freitag in der Bundespressekonferenz sagte, sein Ministerium sei schon recht weit bei der Erarbeitung eines "substanzhaltigen Infektionsschutzgesetzes", das auch "ganz klassische Schutzkonzepte" zulassen werde. Wie es ein solches Gesetz an den FDP-Ministern vorbei durchs Bundeskabinett schaffen soll, sagte er nicht.

 

Der parlamentarische Prozess soll jedenfalls – mal wieder – im Eiltempo vonstatten gehen. Erste Lesung im Bundestag am 16. März, Überweisung in den Gesundheitsausschuss, zweite und dritte Lesung am 18. März, inklusive einer 70-minütigen Debatte, dann Beschluss. Anschließend Sondersitzung des Bundesrats, der die Gesetzesänderung noch am selben Tag bestätigt. 

 

Die gesellschaftliche Debatte darüber sollte also – so schwer das fällt angesichts der Ereignisse in der Ukraine – jetzt geführt werden. Sonst ist es zu spät. 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in kürzerer Fassung in meinem Newsletter.

 

Nachtrag am 10. März:

Gestern hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Entwurf des neuen Bundesinfektionsschutzgesetzes im Kabinett vorgelegt. Demzufolge würden die Länder weiter eine Testpflicht in den Schulen erlassen dürfen, aber keine Maskenpflicht mehr. Was indes auffällt: Für Büros und Fabriken sollen alle Regeln ersatzlos entfallen, inklusive der bisherigen 3G- und der Homeoffice-Pflicht. Die Kultusminister werden sich voraussichtlich morgen zur Bundesinfektionsschutzgesetz-Novelle und ihren Auswirkungen auf die Schulen äußern.



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Kommentare: 6
  • #1

    JW (Donnerstag, 03 März 2022 11:29)

    Sehr geehrter Herr Wiarda,

    schön, dass Sie in diesen aktuell sehr aufwühlenden Zeiten in Ihrem Blog den Blick auf das Bildungswesen und die Corona-Pandemie nicht vergessen.
    Ich bin fassungslos, wie flexibel die verantwortlichen Minister*innen und Ministerpräsident*innen das Sonderopfer der Kinder - und nichts Anderes sind die gegenwärtigen Maßnahmen - zugunsten der umfassenden Lockereungen für Erwachsene immer wieder aufs Neue verkaufen. Was mir trotz sachlicher Nachfragen bei Abgeordneten und in Ministerien bisher niemand erklären konnte: Wie schaffen es eigentlich viele andere europäische Länder (z.B. Österreich, Schweden, Dänemark, Norwegen, Großbritannien, die Schweiz oder die Niederlande) ohne Test- und Maskenpflichten für Kinder den Präsenzunterricht sicherzustellen und Deutschland hingegen nicht? Vielleicht erhalten Sie als Journalist hier Antworten.

  • #2

    Allia Hammami (Donnerstag, 03 März 2022 21:42)

    Ich komme nicht umhin zu denken, "das behutsame Vorgehen" sprich Kindern ohne substantielle Begründung ihre Rechte auf freie Entfaltung und angemessene soziale Teilhabe zu ermöglichen , das meint: best. Angstvoll aufgeladene Gruppen nicht zu verschrecken. Statt angemessener Aufklärung, die natürlich Fragen in Richtung Vergangenes stellen würde, wird weiter das Angstnarrativ bedient. Unsere Kinder können einem leid tun.

  • #3

    Working Mum (Freitag, 04 März 2022 08:45)

    Die Politik bleibt ihrer Linie treu, Einschränkungen v.a. bei Erwachsenen zurückzunehmen. Das Einzige, was sich in den zurückliegenden Jahren der Pandemie geändert hat, ist diese Linie mit dem Narrativ des Primats der Bildung zu verbrämen.

  • #4

    Another working mum (Samstag, 05 März 2022 15:13)

    Ich kann den Vorredner/innen nur beipflichten und wünsche mir für unsere Kinder, dass sie endlich wieder aus den Angst-Fesseln der Erwachsenen entlassen werden und ohne tagtägliches Fokussieren auf potentielle Erkrankungen aufwachsen dürfen.

  • #5

    kaum (Montag, 07 März 2022 16:32)

    Ich habe keine Ahnung von was die Mütter oben reden, aber ich habe um die Gesundheit meiner Kinder mittels Infektion Angst. Deshalb sind sie geimpft. Damit alle wieder "normal" leben können, müssen alle geimpft sein.
    Ich erlebe für die Kinder derzeit keine Einschränkungen (es ist alles offen). Maske tragen gehört einfach jetzt zum Gesundheitsschutz dazu und wird in jedem Winter für Innenräume zur Normalität gehören.
    Bis nicht alle geimpft sind, muss es bei diesen moderaten Einschränkungen bleiben.

  • #6

    O. Falada (Montag, 07 März 2022 23:11)

    Ich bin etwas überrascht, dass Maskentragen als Einschränkung empfunden wird und nicht als das, was es ist: Schutz vor Infektion, Schutz der besonders schutzbedürftigen Risikogruppen, die es auch unter Kindern gibt. Und solange Long Covid auch unter Kindern auftritt und so wenig untersucht werden konnte, halte ich die zum Teil schon multiplen Reinfektionen von Kindern für verantwortungslos. Sichere Bildung ist kein Widerspruch in sich, und Teilhabe und Gemeinschaft lassen sich auch mit Maske erreichen. Die meisten Kinder tun sich damit nicht schwer.