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Was ist Lindner die Innovationsförderung wert?

Seit das DATI-Konzept des Bundesforschungsministeriums öffentlich geworden ist, nimmt auch die Debatte über die Finanzierung der neuen Agentur Fahrt auf.

DIE ZWEITE KOMMUNIKATIONSPANNE blieb zunächst fast unbemerkt. Vergangene Woche hatte erst der FDP-Bundestagsabgeordnete Mario Brandenburg, wohl aus einem Missverständnis heraus, das noch unveröffentlichte BMBF-Grobkonzept zur geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) veröffentlicht. Auf Nachfrage bestätigte der parlamentarische Staatssekretär Thomas Sattelberger (ebenfalls FDP), dass es sich tatsächlich um die offiziellen, von der Ministerin unterzeichneten Eckpunkte "für die weiteren Gespräche im parlamentarischen Raum, aber auch mit den weiteren Stakeholdern" handelte. Die eigentlich noch nicht an die Presse hatten gehen sollen.

 

Und dann gab, Panne Nummer zwei, das BMBF auf seiner Website bekannt, dass schon im Haushalt 2022 rund 414 Millionen Euro für die DATI und "mit ihr verbundenen Aktivitäten" eingeplant seien. Was verwunderte – denn im gerade vorgestellten Budgetplan von Finanzminister Christian Lindner (FDP) war die neue Agentur in diesem Jahr gerade mal mit 19,6 Millionen Euro ausgewiesen, von denen 15 Millionen noch dazu gesperrt sind – bis zur Vorlage des Konzepts. Selbst in der internen Liste finanzwirksamer wissenschaftspolitischer Maßnahmen, die in den Koalitionsverhandlungen jede Fach-AG bei den Parteispitzen einreichen musste, war die DATI für 2022 inoffiziell lediglich mit 50 Millionen Euro beziffert. 

 

Ein Fall wundersamer Geldvermehrung? Nein – eher Ausdruck einer politischen Prioritätensetzung im BMBF, die aber ebenfalls noch nicht nach außen dringen sollte, zumindest nicht in dieser konkreten Form. Die Prioritätensetzung besteht offenbar darin, bereits im BMBF-Haushalt vorhandene Posten der DATI zuzuordnen, um sie von ihrer Gründung an zu einem Schwergewicht in der Innovationslandschaft zu machen. Unabhängig davon, ob aus dem Finanzministerium am Ende so viel frisches Geld kommt wie während der Koalitionsverhandlungen erhofft (im Endausbau von 2024 an 685 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich) – oder bedeutend weniger, wie es angesichts der Kosten von Corona und Ukrainekrise immer wahrscheinlicher wird. 

 

Nach meiner entsprechenden Nachfrage bestätigte das BMBF Ende vergangener Woche, dass die 414 Millionen sich aus der Addition folgender drei Haushaltsposten ergaben: "DATI, Weiterentwicklung der Innovationsförderung und -kooperation" (147 Millionen), "Innovationsförderung in den neuen Ländern und regionaler Strukturwandel" (194 Millionen) sowie das Programm "Forschung an Fachhochschulen" (73 Millionen). Und änderte, "zur Klarstellung" die Formulierung auf der Website. Dort steht jetzt: "Für den Aufbau der DATI sind im Jahr 2022 bereits 15 Mio. Euro vorgesehen. Für laufende Transfer- und Vernetzungsmaßnahmen sind insgesamt weitere rd. 400 Mio. Euro in 2022 eingeplant."

 

Schon im Koalitionsvertrag angekündigt

 

Die Absicht der BMBF-Chefetage konnte aber auch die "Klarstellung" nicht mehr vernebeln. Die Verschiebung der Haushaltsposten in den Zuständigkeitsbereich der DATI wäre, wenn es dazu käme, ein Wort und ein Signal. Sie wäre auch konsequent, wenn man sieht, mit welcher Entschlossenheit vor allem Staatssekretär Sattelberger das Thema hausintern vorantreibt zurzeit. Und im Koalitionsvertrag angekündigt war sie implizit auch schon: "Die bestehenden Förderprogramme für die HAW bauen wir als zentrale Erfolgsfaktoren für die Agentur aus."

 

Dennoch schauen gerade die HAW, die besonders auf die Gründung einer DATI gedrängt hatten, nicht ohne Misstrauen auf das Szenario, dass ihr ohnehin recht mager finanziertes Förderprogramm "Forschung an Fachhochschulen" Teil des DATI-Budgets würde. Zumindest, falls dann auch kleine und mittlere Universitäten, die ebenfalls DATI-Nutznießer werden sollen, darauf Zugriff bekämen. "Wir sind bislang aufgrund des Koalitionsvertrages davon ausgegangen, dass es für die DATI frisches Geld gibt und gleichzeitig das Programm Forschung an Fachhochschulen ausgebaut wird", sagt Karim Khakzar, Präsident der Hochschule Fulda und Sprecher der HAWs in der Hochschulrektorenkonferenz.  "Ich hoffe nicht, dass das Geld für das Programm jetzt einfach in die DATI überführt wird und dort im großen Topf für alle landet, denn es handelt sich ja um unterschiedliche Zielsetzungen und Instrumente."

 

Dass jedenfalls aus Lindners Finanzministerium der erhoffte große finanzielle Schub für die Innovationsförderung nicht zu erwarten sein wird, zeigt sich auch an anderer Stelle. Zwar soll das Budget für die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) dieses Jahr auf die geplanten rund 100 Millionen Euro aufgestockt werden. Doch sieht der vom Bundeskabinett beschlossene Haushaltsentwurf für die sogenannte Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) für 2022 nur 180 Millionen Euro vor – nach rund 200 Millionen im vergangenen Jahr. Und für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) 600 Millionen nach etwa 636 Millionen 2021. Besonders die Kürzung bei ZIM ist brisant, weil die 636 Millionen vergangenes Jahr schon Anfang Oktober aufgebraucht waren – und es zu einem Förderstopp kam. Beide Programme sind im Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz enthalten.

 

Was ist mit IGF und ZIM?

 

"Wenn die im Regierungsentwurf vorgesehenen Budgetansätze in dieser Höhe erhalten blieben, wären das dramatische Beschneidungen dieser beiden so erfolgreichen Forschungsförderprogramme", protestierte Sebastian Bauer, Präsident der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AIF) schon vergangene Woche. Und das angesichts der gewaltigen Herausforderungen, beispielsweise beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung oder der Nutzung von Künstlicher Intelligenz. "Nicht nachvollziehbar", sagte Bauer und verweist auf den Ampel-Koalitionsvertrag, in dem eine "bedarfsgerechte Ausstattung" von IFG, ZIM und weiteren Innovationsförderprogrammen versprochen worden war. 

 

Mit Blick auf die DATI sagt AIF-Hauptgeschäftsführer Thomas Kathöfer, zunächst müsste die Ausfinanzierung der "bewährten und erfolgreichen Förderprogramme wie IGF und ZIM" gewährleistet sein. Eine DATI könne dann Sinn ergeben, "wenn zusätzliche Förderangebote für weitere Zielgruppen mit neuen Fördermechanismen konzipiert werden." Im vergangene Woche durchgesickerten DATI-Konzept erkennt Kathöfer indes positive Ansätze, die nicht zu Doppelstrukturen oder gar einer "Kannibalisierung" bewährter Programme führen würden.

 

Beim vertraulichen Kaminabend im Vorfeld der Sitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) am Freitag wollen auch die Landeswissenschaftsminister mit Stark-Watzinger über die DATI reden – obwohl der Bund für die Einrichtung einer solchen Bundesagentur gar nicht die Zustimmung der Länder braucht. Doch das politische Interesse an der neuen Einrichtung ist groß. 



Blog-Finanzierung im März


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Kommentare: 2
  • #1

    Düsentrieb (Dienstag, 29 März 2022 11:50)

    Das Konzept für DATI ist noch nicht einmal ansatzweise durchdacht. Zwei Beispiele:

    1. SPRIND wurde gegründet als deutsches DARPA -- also als extremer Frühphasenförderer emergenter Technologien, die viele Jahre davon entfernt sind, für gewerbliche Geldgeber oder Partner interessant zu sein. Tatsächlich aber will SPRIND "wie ein Wagniskapitalgeber agieren" -- mit Steuergeldern-- und gemeinsam mit privatem Wagniskapital investieren. Das ist natürlich weniger anspruchsvoll (GF Laguna hat mit Frühphasenförderung keine Erfahrung) und zugleich lukrativer. Es paßt aber überhaupt nicht zur angekündigten Mission. Und es überschneidet sich mit der Aufgabe von DATI. Man sollte also entweder beide zusammen legen -- oder SPRIND als echten ultra-Frühphasenförderer neu starten, mit einem dazu passenden Geschäftsführer. Auch sollte Sattelberger die koalitionsvertraglich vereinbarte Evaluation von SPRIND nicht länger verschleppen.

    Ein Vergleich mit der Effizienz und Effektivität, die etwa die Start-up Nation Israel gezeigt hat in der Technologieförderung (z.B. Yozma), fällt für das BMBF blamabel aus. Wenn es im BMBF niemanden gibt, der für diese beiden Agenturen saubere Konzepte und Strategien entwickeln kann, muß man sich die Expertise eben von außen holen -- notfalls aus dem Ausland. Aber weiter so herum zu stümpern und dabei 100e von Millionen zu verbrennen, ist unverantwortlich.

    2. Es gibt in Deutschland bereits flächendeckend staatlich subventionierte Transferorganisationen, die auch Fachhochschulen offen stehen. Betrieben von Landesregierungen, Landesbanken, öffentlich-privaten Trägern wie Berlin Partner, etc. Leider sind die nicht besonders gut: Die Mitarbeiter sind überwiegend klassische Subventionsblüten. Natürlich würden die versuchen, zu DATI zu wechseln, um dort besser bezahlt zu werden. Das Ergebnis wäre Mittelmaß wie bisher, zu höheren Kosten. Wie will man solche und andere Mitnahmeeffekte vermeiden?

  • #2

    Bola (Dienstag, 29 März 2022 14:41)

    Das Konzept der DATI ist in der Tat wenig sinnvoll und kaum durchdacht.
    Viele wünschen sich das, als anwendungsorientierte Alternative zur DFG, die dann einen Beitrag zur regionalen Entwicklung leisten soll (zu sehen auch an der Herkunft der zusammengekehrten Mittel). Tatsächlich wird das so aber nicht funktionieren. Zum einen ist die anwendungsorientierte Innovationsförderung, insbesondere, wenn sie mit (Fach-)Hochschulen erfolgen soll, ein stark regionales Projekt. Das ist nur bedingt aus einer Zentralen Agentur heraus zu machen. Da kommen einerseits die Länder nicht zum Tragen und andererseits wirkt das verstärkend auf ohnehin vorhandene Potentiale und regionalen Disparitäten. Die wettbewerbsfähigsten ForscherInnen werden häufig in den auch wirtschaftlich stärksten Regionen zum jeweiligen Thema verortet sein. Das dient dann der Innovation aber nicht der Regionalentwicklung, dafür wird wenig Unterstützung der Länder geben, denen die Hochschulen "gehören". Und außerdem haben wir in D mit der Fraunhofer Gesellschaft und einer starken Industrieforschung dafür schon sehr gute Ansätze.

    Ich finde es darüber hinaus, aber das ist eine persönliche Meinung, eher unpolitisch, Mittel für Innovation losgelöst von politischen Schwerpunktsetzungen einer zentralen Instanz zu geben, die das verteilen soll. Nach welchem Kriterium? Vielmehr sollte das BMBF die gewünschten politischen Ziele, zz den Ausbau und die Entwicklung der Erneuerbaren Energien und die Mobilitätswende, direkt in Forschungsvorhaben umsetzen können und schnell zu Ergebnissen führen. Anders ist das bei langfristigen Zielen, aber auch dafür haben wir andere Instrumente, die Grundfinanzierung von Wissenschaft und Forschung; da wo etwas Neues aufgebaut werden soll, lässt sich das dann auch über die DFG finanzieren.