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Bundestags-Haushälter: Zukunftsvertrags-Dynamisierung kommt – aber erst 2023

In seiner Bereinigungssitzung legt der Haushaltsausschuss außerdem fest, dass die Polarstern II finanziert werden kann, er sperrt Mittel für Förderagenturen und forciert das Startchancenprogramm für die Schulen.

DER HAUSHALTSAUSSCHUSS des Bundestages hat in seiner sogenannten Bereinigungssitzung einen Maßgabenbeschluss zur Dynamisierung des Zukunftsvertrags "Studium und Lehre stärken" gefasst. Dieser legt fest, dass aus dem Bund-Länder-Programm von 2023 an jedes Jahr drei Prozent mehr an die Hochschulen fließen sollen – analog zum seit anderthalb Jahrzehnten geltenden Pakt für Forschung und Innovation (PFI) für die außeruniversitären Forschungsorganisationen und die DFG.

 

Zwar stand die Dynamisierung bereits im Ampel-Koalitionsvertrag, doch hatte es zuletzt Unsicherheiten und Irritationen gegeben, ob und wann es tatsächlich damit losgehen würde. Denn in der BMBF-Haushaltsplanung fehlte der nötige Ausgabenposten auch für die kommenden Jahre noch völlig. Zudem hatte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im April in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) nach Berichten von Länderkollegen zeitweise so geklungen, als wolle sie die Dynamisierung nach hinten schieben.

 

Die Hochschulen erhielten jetzt Planungssicherheit und "ein deutliches Signal von Seiten der Bundespolitik, wie wichtig uns ihre Unterstützung ist", sagte die für den BMBF-Haushalt zuständige Berichterstatterin der SPD, Wiebke Esdar.

 

Allerdings bedeutet der Startpunkt 2023 eben auch, dass die im Koalitionsvertrag versprochene Anhebung der Zukunftsvertrags-Mittel schon von 2022 an offenbar vom Tisch ist. Die ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigte Dynamisierung der Akademie-Haushalte hatte der Haushaltsausschuss dagegen bereits vor der Bereinigungssitzung beschlossen, und zwar tatsächlich von 2022 an. 

 

Dämpfer für DATI
und SPRIND

 

Außerdem legten die Haushälter jetzt fest, den zwischenzeitlich gefährdeten Neubau des Forschungsschiffs Polarstern II finanziell abzusichern. Das Schiff soll laut Planung 2027 fertig sein, das könnte nach einem schnellen Vergabeverfahren zeitlich jetzt noch klappen.

 

Zwei Dämpfer erhielt das BMBF dagegen in Hinblick auf seine Agentur-Strategie. Schon das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) hatte initiiert, dass vom Budget für die geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) dieses Jahr 15 Millionen Euro gesperrt werden sollten – bis zur Vorlage eines "schlüssigen Konzepts". Jetzt stellten die Bundestagshaushälter weitere Bedingungen: Nur wenn der Haushaltsausschuss zustimmt, darf das Geld vom Finanzministerium entsperrt werden. 

 

Auch der bereits 2019 gegründeten Agentur für Sprunginnovation (SPRIND) sperrte der Haushaltsausschuss einen erheblichen Teil der Ausgaben – dem Vernehmen nach 20 Prozent. Sie soll es erst geben, wenn eine Evaluation der bisherigen Tätigkeit von SPRIND vorliegt – und auf der Basis ein Bericht über die geplante Weiterentwicklung. 

 

Der Haushaltsausschuss will offenbar verhindern, dass das Ministerium wie bei anderen Großprogrammen und Projekten der Vergangenheit hier am Parlament vorbeiplant. Bei der SPD-Haushälterin Esdar klingt das natürlich freundlicher. Es gehe um die Sicherstellung der parlamentarischen Begleitung bei der Mittelvergabe. Und bei der DATI gelinge es auf diese Weise, "eine enge Begleitung durch den Gesetzgeber" zu gewährleisten, ohne die Gründung zu bremsen."Wir sind gespannt auf die jetzt anstehende Konzeptualisierung", fügte Esdar hinzu. "Das Ministerium hat uns dabei als Unterstützung an seiner Seite."

 

Neue Chancen fürs Startchancen-Programm,
mehr Geld für Open Source

 

Erfreulich aus Sicht von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger ist hingegen wiederum, dass das Startchancen-Programm, ein zentrales bildungspolitisches Vorhaben der Ampel-Koalition, nach Willen des Haushaltsausschusses im Bundeshaushalt 2023 berücksichtigt werden soll. Geplant sind laut Koalitionsvertrag massive Investitionen, Extrabudgets und Sozialarbeiter für tausende Schulen, die von besonders vielen sozial benachteiligten Kindern besucht werden

 

Doch im Ansatz für 2022 stand dafür bislang kein einziger Euro bereit, und angesichts des absehbaren Milliardenvolumens sahen einige Ampelpolitiker die reale Gefahr, dass auch dieses Programm ein Streichpunkt hätte werden könnten. Seine Zusicherung verband der Ausschuss mit einer Hausaufgabe ans BMBF: Das Ministerium muss bis zum Spätsommer erste Konzepte vorlegen. 

 

Zudem einigten sich die Haushälter darauf, die Mittel für Open Source und digitale Souveränität in Deutschland und Europa um 37,5 auf insgesamt 51 Millionen Euro aufzustocken. Unter anderem soll ein Zentrum für digitale Souveränität (ZenDis) aufgebaut und Open-Source-Lösungen für Büro- oder Verwaltungssoftware (Stichwort: "souveräner Arbeitsplatz") gefördert werden. Der sogenannte "Sovereign Tech Fund" soll dieses Jahr erstmals mit 3,5 Millionen Euro erhalten, um häufig unterfinanzierte Open-Source-Projekte und -Communities finanziell zu stärken. Die OSB Alliance – Bundesverband für digitale Souveränität sprach von einer "äußerst erfreulichen Entscheidung", nachdem zuletzt die Finanzierung dieser Maßnahmen gefährdet gewesen sei.

 

 

 



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Kommentare: 4
  • #1

    Düsentrieb (Freitag, 20 Mai 2022 09:41)

    Das ist eine Gelbe Karte für Thomas Sattelberger und seine verkorksten Agenturen. Hoffentlich lernt er daraus.

    Vor allem bei SPRIND hat Sattelberger auch taktisch gepatzt: Hätte er gleich nach Amtsantritt evaluieren lassen, wäre der dabei offenkundig gewordene Murks Sache der CDU gewesen. Jetzt, nachdem er sich Monate lang mit SPRIND gemein gemacht und die Evaluation verhindert hat, dürfte es bei der nun doch erfolgenden Prüfung auch um sein eigenes Handeln gehen. Vorausgesetzt, wenigstens einige der Prüfer sind zugleich kompetent und unabhängig. Haushaltsausschuss und Presse sollten da genau hinsehen.

  • #2

    Random Commenter (Freitag, 20 Mai 2022 10:50)

    @Düsentrieb

    Ein Gewinner der aktuellen SPRIND Challenge, CarboCulture, hat allein letztes Jahr 6,2 Mio. Dollar an gewerblichem Kapital eingesammelt, v.a. bei amerikanischen Wagniskapitalgebern im SV. Das Projekt läuft schon fast 10 Jahre, gefördert von namhaften amerikanischen Institutionen (u.a. Stanford). Der Proof of Concept wurde bereits 2019 erbracht. Andere Firmen sind sogar noch weiter beim Thema "Carbon Capture". SPRIND legt jetzt “bis zu” 600 Tsd. Euro Preisgeld oben drauf. Was für einen Mehrwert soll das schaffen? Warum werden deutsche Steuergelder ausgegeben, um so spät so niedrig hängende Früchte zu pflücken? Noch dazu in San Francisco? SPRIND wurde gegründet, um Forschung zu fördern, lange bevor sie für gewerbliche Investoren interessant wird. Natürlich ist es leichter, auf Züge aufzuspringen, die längst andere ins Laufen gebracht haben. Aber das hat keine Steuerfinanzierung verdient.

  • #3

    Peter Burger (Freitag, 20 Mai 2022 13:29)

    Leider ist die spätere Einführung der Dynamisierung der ZSL-Mittel um ein Jahr kein gutes Zeichen für die Wissenschaft. Aus meiner Sicht ist dies auch finanziell nicht nachvollziehbar, denn wir reden nur von 3% Einsparsumme, was bei 3.8 Milliarden Euro nur rund 115 Millionen Euro beträgt.

    Mich würde interessieren, ob es nach wie vor beim Beschluss bleibt, die ZSL-Mittel einmalig von 3.8 auf 4.1 Milliarden Euro (ca. 8%) im Jahr 2024 zu erhöhen.

    Wird die geplante Erhöhung der Mittel des Pakts für Forschung und Innovation) nun (auch) für ein Jahr ausgesetzt?

  • #4

    Frederic (Montag, 23 Mai 2022 13:14)

    Es ist außerordentlich besorgniserregend, dass die Haushaltspolitiker:innen immer stärker detaillierte Fachpolitik "Wissenschaft" betreiben und für diese inzwischen systematische Anmaßung aus dem Kreis der wissenschaftsaffinen Leserschaft des Blogs Beifall bekommen.