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Bei DAAD und AvH droht jetzt der Kahlschlag

Zwar sollen die Haushaltskürzungen 2023 etwas geringer ausfallen als befürchtet – dafür verlangt das Auswärtige Amt schon 2022 globale Minderausgaben in offenbar gewaltiger Höhe.

DAS AUSWÄRTIGE AMT plant beim internationalen Austausch von Menschen und Ideen noch drastischere Einsparungen als bislang befürchtet. Die drei großen Mittlerorganisationen DAAD, Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) und Goethe-Institut sollen zusätzlich zu den im Haushalt 2023 vorgesehenen Kürzungen schon dieses Jahr weitere Millionen in ihren laufenden Haushalten einsparen, berichten mehrere Hochschulrektoren gleichlautend. Bliebe es dabei, müssten bereits zugesagte Projekte und Förderlinien vorzeitig abgebrochen werden.

 

Zunächst zum Haushaltsansatz 2023, der vergangene Woche vom Kabinett beschlossen wurde. Demzufolge muss der Deutsche Akademische Austauschdienst von seinem Grundhaushalt (inklusive Investitionen) weitere 4,4 Millionen (2,3 Prozent) abgeben, ihm blieben dann noch 190,9 Millionen pro Jahr. Gegenüber 2021 liegt das Minus insgesamt bei knapp 13 Millionen oder 6,3 Prozent.

 

Die AvH muss 2023 gar zusätzlich 9,1 Prozent ihres Grundhaushaltes plus Investitionen einsparen. Gegenüber 2021 summiert sich der Rückgang auf 11,6 Prozent (6,5 Millionen Euro). Ähnlich krass ist die Lage beim Goethe-Institut: Zwar sind für 2023 "nur" 4,1 Prozent weniger geplant als in diesem Jahr. Gegenüber 2021 aber stehen 11,5 Prozent (knapp 29 Millionen Euro) weniger zur Verfügung.

 

Droht demnächst der Abbruch
laufender Förderungen?

 

Zumindest im Falle von DAAD und AvH könnte man trotz allem zunächst denken: Die Proteste, nachdem die Haushaltspläne für 2023 durchsickerten, haben Wirkung gezeigt. Anfang Juni hatten die beiden Organisationen nämlich vor noch krasseren Rückgängen für nächstes Jahr gewarnt, dem DAAD hatten minus fünf (statt jetzt 2,3) Prozent gedroht, der AvH sogar 18 (statt jetzt 9,1) Prozent. Unter anderem hatten daraufhin die 242 DAAD-Mitgliedhochschulen und 104 Mitgliedsstudierendenschafte Brandbriefe an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihre BMBF-Kollegin Bettina Stark-Watzinger (FDP) geschickt. 

 

Doch die Realität ist eine andere: Alle drei Organisationen sollen nämlich jetzt auch noch im laufenden Haushalt 2022 globale Minderausgaben stemmen, hat das Auswärtige Amt (AA) ihnen kurzfristig mitgeteilt. Zur genauen Höhe wollte sich der DAAD mir gegenüber nicht äußern.

 

Doch es muss sich um einen sehr substantiellen Betrag handeln, denn das DAAD-Präsidium berief wegen des drohenden Kahlschlags gestern sogar eine außerordentliche Mitgliederversammlung ein, um über die AA-Pläne zu informieren. Und ein Kahlschlag wäre es: Nochmal empfindliche Kürzungen im bereits gekappten Grundhaushalt 2022 vorzunehmen, und das innerhalb der wenigen dieses Jahr verbleibenden Monate, das würde wohl den Abbruch laufender Förderungen und die unmittelbare Einstellung ganzer Programmlinien bedeuten. 

 

Genau dieses Szenario wollte laut Teilnehmerangaben die DAAD-Chefetage um Präsident Joybrato Mukherjee gestern nicht mehr ausschließen. Bislang hatte der DAAD zugesichert, zumindest alle bewilligten Projekte, Programmlinien und Stipendien bis zum Ende ihrer Laufzeit zu bezahlen.

 

Drei Prozent mehr pro Jahr
hatte die Ampel versprochen 

 

Was die DAAD-Mitgliedhochschulen besonders erzürnt: Die Ampelkoalition hatte in ihrem erst sieben Monate alten Koalitionsvertrag zugesagt, die Grundhaushalte von DAAD und AvH künftig sogar um drei Prozent pro Jahr zu erhöhen. Was für dieses Jahr bei gleichbleibenden Investitionen für den DAAD fast 210 Millionen Euro bedeutet hätte – und nicht die 185, 190 Millionen, die es womöglich am Ende des Jahres noch sein werden. Bei der AvH hätte es 56 Millionen gegeben. Tatsächlich werden es vielleicht noch um die 50 Millionen. Das ist die real existierende Kluft zwischen Ampel-Anspruch und Ampel-Wirklichkeit im internationalen akademischen Austausch: allein 20 bis 25 Millionen Euro – bis zu einem Achtel – weniger als versprochen – beim DAAD. 

 

Währenddessen hat das nicht für die Grundhaushalte zuständige Bundesbildungsministerium die Projektmittel für den Studierenden- und Wissenschaftleraustausch von DAAD und AvH dieses Jahr auf 194 Millionen Euro erhöht, ein Plus um 16 Prozent. Nur: Die immer größeren Lücken in den Grundhaushalten lassen sich damit nicht stopfen, die BMBF-Mittel sind naturgemäß zweckgebunden.

 

Noch größer wird der Frust bei den Hochschulen dadurch, dass der DAAD beim kürzlich mit AA-Mitteln ausgeschriebenen Stipendienprogramm "Zukunft Ukraine" einen Rückzieher machen musste. Anders als ursprünglich geplant können aus der Ukraine geflüchtete Studierende und Doktoranden nicht über das Jahr 2022 hinaus gefördert werden, weil das Bundesfinanzministerium die Mittel nur für dieses Jahr bewillige. Was faktisch das Ende vieler Planungen an den Hochschulen bedeutet, da Stipendienprogramme nun mal nicht nur ein paar Monate lang laufen.

 

Die Hochschulrektoren wollen jetzt versuchen, die Unterstützung ihrer lokalen Bundestagsabgeordneten zu gewinnen – um auf diesem Weg noch Änderungen am Haushalt 2022 und 2023 für DAAD und AvH erreichen zu können. Ob eine solche Aktion etwas bringt? "Uns bleiben nicht mehr viele andere Möglichkeiten", sagt eine Hochschulrektorin. 

 

Hinweis: Ich habe die Zahlen bei der AvH geändert, weil der tatsächliche Rückgang 2023 im Vergleich zum Ansatz 2022 noch stärker ausfällt als im Haushaltsentwurf auf den ersten Blick zu erkennen. 



In eigener Sache


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Kommentare: 4
  • #1

    Andreas Weber (Dienstag, 05 Juli 2022 13:08)

    Ganz schlimm! Ausgerechnet in der momentanen geopolitischen Situation am internationalen Austausch zu sparen. Das ist keine zukunftsorientierte Politik!

  • #2

    Leander K (Mittwoch, 06 Juli 2022 17:18)

    Ich denke an irgendetwas muss gespart werden, wenn auch nur temporär. Jede Einsparung wird immer jemanden treffen und auch immer Empörung hervorrufen. Ich denke dass DAAD und AvH zumindest temporär reduziert werden könnten, es gibt zumindest andere Institutionen welche ich als essentieller ansehe. Jedoch finde ich dass "Zukunft Ukraine" davon ausgenommen sein muss, die jetzige Situation verlangt gerade dort eine solide Finanzierung.

  • #3

    Anna Wieser (Donnerstag, 07 Juli 2022 22:56)

    Ein falsches Signal für die internationale Zusammenarbeit - wissenschaftliche Isolation kann in dieser geopolitischen Situation nicht die Lösung sein, im Gegenteil! Ohne DAAD gibt es außerdem viel zu wenig Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs Erfahrung im Ausland zu sammeln und sich zu vernetzen.

  • #4

    Florian B. (Donnerstag, 07 Juli 2022 23:12)

    Angesichts der Weltlage nicht nur ein skandalöser Wortbruch der Ampel, sondern eine unfassbar kurzsichtige Entscheidung und ein Totalversagen in Bezug auf strategisches internationales Handeln der Bundesregierung.