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Wenn die Stücke schneller wachsen als der Kuchen

Der BMBF-Haushalt legt zu, gleichzeitig häufen sich die Berichte über geplante Kürzungen. Wie beides zusammenpasst: eine Analyse.

WIE KANN DAS eigentlich sein? Das BMBF kann nächstes Jahr mehr Geld ausgeben, und trotzdem kommen aus vielen Richtungen Berichte über drohende Kürzungen? Die Erklärung ist einfach und zeigt zugleich, dass Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) derzeit nicht zu beneiden ist.

 

Stellen Sie sich einen Kuchen vor, in diesem Fall einen recht großen Kuchen, nämlich den Haushalt von Stark-Watzingers Ministerium. Er umfasst im Jahr 2022 rund 20,385 Milliarden Euro. Nächstes Jahr soll er noch etwas größer werden. Konkret wächst er auf 20,572 Milliarden Euro. Gut 186 Millionen mehr. Klingt viel, entspricht aber gerade einmal 0,9 Prozent.

 

Dieser Kuchen wird aufgeteilt in viele Stücke, die verschiedenen Ausgaben-Titelgruppen und Titel. Mehr als ein Drittel, exakt 7,544 Milliarden Euro, gehen allein an die vier großen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Und weil deren Budgets, garantiert über den sogenannten Pakt für Forschung und Innovation (PFI), jedes Jahr um drei Prozent zulegen, wachsen die dazu gehörigen Kuchenstücke überdurchschnittlich. 2023 stehen Max Planck, Helmholtz, Leibniz, Fraunhofer und die DFG schon mit 7,770 Milliarden Euro im BMBF-Haushalt. Ein Plus von fast 227 Millionen.

 

Der Spielraum für
Stark-Watzinger wird kleiner

 

Wenn die größten Stücke deutlich schneller wachsen als der Rest des Kuchens, heißt das: weniger für alle anderen. In diesem Fall schrumpft der restliche BMBF-Haushalt um 41 Millionen Euro. Aber das ist noch nicht alles. Denn zur Freude der Hochschulen erhalten auch sie von 2023 für ihren Zukunftsvertrag "Studium und Lehre stärken" drei Prozent mehr. Macht rund 57 Millionen Euro zusätzlich.

 

Mit anderen Worten: Schon ohne dass sie irgendwelche der zahlreichen Ampel-Pläne umgesetzt hat oder gar eigene Prioritäten in den Haushalt bringt, hat Stark-Watzinger 2023 knapp 100 Millionen Euro weniger Spielraum für Neues als 2022. Tatsächlich ist der Spielraum sogar noch viel kleiner, weil einige Prioritäten wie die Bafög-Erhöhung im 2023er Haushalt schon enthalten sind und weil es weitere, meist kleinere Stücke im BMBF-Kuchen gibt, die mit einem feststehenden Prozentwert wachsen.

 

Wenn die Ministerin jetzt zum Beispiel frisches Geld für die geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) oder den angekündigten deutlichen Aufwuchs für die Agentur für Sprunginnovation (Sprind) freimachen will, geht das also nur auf Kosten der Kuchenstücke, die nicht festgelegt wachsen und für die schon vorher weniger Geld übrig war. Was bedeutet: Mit jeder Priorität, die Stark-Watzinger setzt und setzen muss, wird der Spardruck genau in diesen und nur in diesen Bereichen des BMBF-Haushalts noch größer.

 

Was wäre der Ausweg? Ein Wachstum des BMBF-Budgets insgesamt um mindestens drei Prozent. Eigentlich sogar noch mehr. Denn die Inflation drückt auch die Hochschulen und Forschungsinstitute immer stärker, vor allem die Energiekosten wachsen zweistellig.

 

Mehr herausgeholt
als die Vorgängerin

 

Doch davon freilich kann die Ministerin derzeit nur träumen. Ein Zeichen ihrer Schwäche, dass sie sich gegenüber dem eigenen Finanzminister nicht hat durchsetzen können? Das wäre ein unterkomplexes Narrativ. Tatsächlich hat Stark-Watzinger sogar deutlich mehr Geld rausgeholt, als noch ihre Vorgängerin Anja Karliczek für 2023 in der mittelfristigen Finanzplanung stehen hatte. Fast 1,6 Milliarden mehr.

 

Man stelle sich das vor: das Wachstum der großen Kuchenstücke von Helmholtz, DFG und Co, und dann ein Kuchen, der noch so viel kleiner gewesen wäre. Unmöglich eigentlich. Doch auch so ist die Ampel weit entfernt von den in ihrem Koalitionsvertrag beschworenen Ambitionen einer dynamisch finanzierten Forschungs- und Innovationspolitik. Deshalb bleibt nur Stark-Watzinger das Umschichten, das Setzen von Schwerpunkten auf Kosten anderer Ausgabengruppen. Das Plus werden die, die es bekommen, für selbstverständlich und angemessen halten. Den Frust der anderen bekommt die Ministerin bereits zu spüren.   

 

Dieser Beitrag erschien heute zuerst in meinem Newsletter.


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