· 

Kalte Schulen müssen ein Tabu bleiben

Lernen bei 16 Grad Dauertemperatur wäre im Winter unzumutbar, Schulschließungen wegen Gasmangels wären es aber auch. Deshalb muss sich die Kultusministerkonferenz jetzt genauso kraftvoll für Präsenzunterricht positionieren wie zu Corona-Zeiten.

KEINER WEISS, wie schlimm der Gasmangel im Winterhalbjahr wird. Weswegen es richtig ist, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Bezogen auf die Schulen bedeutet das: Die Kultusminister müssen jetzt ein Bekenntnis abgeben, dass sie die Schulen offen, das heißt: in einem nutzbaren Zustand halten werden. Komme, was wolle.

 

Doch geht das angesichts eben jener Ungewissheit überhaupt? Die Antwort: Es geht und es muss.

 

Die Bundesnetzagentur listet Schulen genau wie Privathaushalte als geschützte Verbraucher, denen als letztes das Gas abgedreht wird. Doch das heißt nicht, dass die Schulträger, meist Kommunen und Landkreise, nicht unter enormen Kostendruck geraten werden, die Heiztemperaturen in Klassenzimmern empfindlich abzusenken.

 

Viel aber, das ist auch klar, wird da nicht gehen. Erstens reden wir von teilweise sehr jungen Kindern, die schneller auskühlen. Zweitens wird im Winter wegen Corona wieder viel gelüftet werden. Vermutlich nicht immer sachgemäß in Stoßform. 

 

Mit großer Geste in die
Weihnachtsferien-Verlängerung?

 

Vergangenen Winter wurde das, wo möglich, durch das Voll-Aufdrehen vorhandener Thermostate kompensiert. Wenn diesmal aber die Heizungen parallel um zwei, drei Grad kälter eingestellt werden, ist die Grenze des Erträglichen schnell erreicht. Bei realen Dauer-Raumtemperaturen von 15, 16 Grad wäre der längere Aufenthalt unzumutbar, ja ungesund. Beim Aufsatzschreiben, Bruchrechnen oder Basteln Winterjacken und  Handschuhe zu tragen, wäre ebenfalls kaum praktikabel  und würde zu Recht für Empörung sorgen.

 

Genau deshalb könnten Landesregierungen – auch auf Druck von Kommunen und Landkreisen – auf die Idee kommen, statt der zwischen unrealistisch und unpopulär einzuordnenden Dauer-Absenkung mit großer Geste die Weihnachtsferien zum Energiesparen zu verlängern und/oder wochenlangen Distanzunterricht anzuordnen. Was sich zudem energietechnisch scheinbar viel mehr lohnen würde, weil man dann die Temperaturen in den Schulen auf einstellige Werte zurückfahren könnte. Dass gleichzeitig die Familien zu Hause umso mehr heizen müssten, bliebe bei einer solchen Betrachtung vermutlich unberücksichtigt.

 

Ich sage bewusst: Die Landesregierungen, allen voran die Ministerpräsidenten und Finanzminister, könnten auf solche Ideen kommen. Besonders die Kultusminister wissen dagegen seit Corona um die großen Auswirkungen ausgesetzten Präsenzunterrichts auf die Psyche und den Lernerfolg vieler Schüler. Doch wenn sie sich erst dann in den Abwehrkampf begeben, wird es zu spät sein.

 

Die Kultusminister wissen auch das, und so ist aus der Kultusministerkonferenz (KMK) zu hören, dass bereits Gespräche zur Abstimmung einer gemeinsamen Position laufen. Gut so. Sie muss lautstark zu vernehmen sein, und zwar zu Beginn des neuen Schuljahrs, spätestens. So, wie die Bildungspolitiker es vergangenes Jahr wegen Corona gemacht haben. 

 

Die Bevölkerung will keine 

kalten Schulen und Kitas

 

Auch da hatten sie keine absolute Sicherheit, dass die Ministerpräsidenten ihnen folgen würden, wenn die gesamtgesellschaftlichen Infektionszahlen durch die Decke gehen. Doch durch ihr entschiedenes Statement („Höchste Priorität“ in der Gesellschaft für Präsenzunterricht) haben die Kultusminister die Hürde so hochgelegt, wie es nur ging. Mit Erfolg. 

 

Das müssen sie jetzt wieder tun. Und dürfen sich dabei erneut nicht auseinanderdividieren lassen. Parallel müssen sie mit Nachdruck und mit ebenfalls maximaler Öffentlichkeit von Bund und Ländern massive Finanzhilfen für die Träger von Schulen und Kitas fordern. 

 

Die Bevölkerung dürfen sie hinter sich wissen. Eine repräsentative Umfrage von Civey im Auftrag von Bildung.Table zeigte neulich, dass 63 Prozent der Menschen fordern, Kitas und Schulen bei Energieknappheit zu bevorzugen. Nur Privathaushalte erhielten mit 74 Prozent einen höheren Wert. Bei der Industrie sind es ebenfalls 63 Prozent, bei Kultureinrichtungen dagegen lediglich vier Prozent. Allerdings: Universitäten erhalten auch nur zehn Prozent Priorität, ein Prozentpunkt weniger als Geschäfte. Was zeigt: Bei der akademischen Bildung drohen noch ganz andere Auseinandersetzungen um erneute Digitallehre. Doch das verdient einen eigenen Text.

 

Dieser Kommentar erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.



></body></html>

Kommentar schreiben

Kommentare: 0