· 

Was heißt hier "schnell" und "unbürokratisch"?

Die Ampel will Studierenden einmalig 200 Euro Energiezuschuss zahlen. Doch kann sie das Versprechen baldiger Hilfe überhaupt halten?

FÜR DEN STUDIERENDENVERBAND fzs sind sie nur "ein Tropfen auf dem glühend heißen Stein" und "ein netter Versuch, Studierende abzuspeisen". 200 Euro pro Student:in und Fachschüler:in haben die Ampel-Spitzen im gestern vorgestellten 65-Milliarden-Maßnahmenpaket des Bundes vorgesehen, um die Preisexplosion bei Strom und Gas abzufangen. "Mit 30 Prozent in Armut lebenden Studierenden, stetiger Inflation, ins absurde steigenden Mieten spitzt sich die aktuell ohnehin schon prekäre Lage dramatisch zu", sagt fzs-Vorstandsmitglied Matthias Konrad. "Da wirkt eine einmalige Zahlung von 200 Euro wie ein schlechter Witz, nachdem Studierende ohnehin schon in den letzten zwei Paketen vergessen wurden."

 

Ein wenig positiver fällt die Reaktion des Studierendenwerke-Dachverbands aus.  "Nachdem vom einmaligen Heizkostenzuschuss nur BAföG-Empfänger/innen – und damit lediglich 11 Prozent der Studierenden profitiert haben –, soll diese Pauschale nun explizit an alle Studierenden gehen", sagt Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW). "Das ist ein wichtiger Baustein; weitere müssen folgen. Denn das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht." Als weitere  Bausteine fordert Anbuhl unter anderem, "nach dem Vorbild Österreichs" die BAföG-Sätze der Inflation anzupassen und anzuheben und einen jährlichen Inflationsausgleich im BAföG zu verankern.

 

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bezeichnete das Paket dagegen auf Twitter als "wuchtig, ausgewogen und finanzierbar" und betonte: "Mir war es besonders wichtig, dass Studierende und Fachschüler zusätzlich entlastet werden". 

 

Wie bitte, soll das eigentlich
genau klappen?

 

Etwas mehr als ein Prozent des Entlastungspakets geht an die Studierenden und Fachschüler. Doch unabhängig, wie man zu dem Paket steht und inwieweit man glaubt, dass damit schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist oder nicht: Entscheidende Details der 200-Euro-Hilfe sind vollkommen offen. Und genau das könnte in den nächsten Wochen noch für allergrößten Frust sorgen. "Die Einmalzahlung muss nun möglichst rasch auf den Konten der Studierenden ankommen", mahnte DSW-Generalsekretär Anbuhl heute Mittag. Aber wie bitte soll das eigentlich genau klappen?

 

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil äußerte sich im ZDF-Morgenmagazin im Zusammenhang mit der ebenfalls im Paket versprochenen Strompreisbremse: "Wir haben einen Koalitionsausschuss, der jetzt eine politische Richtung beschlossen hat." Jetzt werde der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck daran arbeiten. Und wer arbeitet an der 200 Euro-Einmalzahlung? 

 

Der Ergebnistext des Koalitionsausschusses liest sich mehr als neblig: Der Bund werde "mit den Ländern beraten, wie die Auszahlung schnell und unbürokratisch vor Ort erfolgen kann". Und wahrscheinlich erst dann bemerken, wie komplex die Umsetzung des Versprechens ist. Längst nicht alle Studierenden und Fachschüler:innen machen eine Steuererklärung, sie sind dem Finanzamt gar nicht bekannt. Die Hochschulen wissen zwar, wer bei ihnen immatrikuliert ist, aber sollen sie jetzt einfach ihre Datensätze preisgeben? Auf welcher Rechtsgrundlage und an wen?

 

Hinzu kommt: Zwar müssen die Studierenden ihre Semesterbeiträge bezahlen, aber deshalb kennen längst nicht alle Hochschulen die Kontoverbindungen ihrer Studierenden. Und nicht alle Konten, von denen die Beiträge überwiesen werden, gehören den Studierenden. Sondern vielfach den Eltern. Wer also sammelt zu den Millionen Immatrikulations- die Millionen Kontodaten? Man kann sich vorstellen, dass sie bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) bei solchen Fragen gerade schwitzige Finger bekommen und fürchten, die Politik könne hier die Hochschulen in Beschlag nehmen wollen. Aber erneut: auf welcher Rechtsgrundlage? Von der technischen Umsetzung einmal abgesehen.

 

Zudem gibt es Studierende und Fachschüler:innen, die noch nicht einmal ein eigenes Konto haben. Wie kommen die an ihr Geld?

 

Man hofft, dass die Bundesregierung
schon Ideen auf Lager hat

 

Auch die Alternative, dass jetzt alle Studierenden und Fachschüler:innen einen Auszahlungsantrag stellen und entsprechende Immatrikulations- und Identitätsnachweise und die Kontodaten beibringen sollen, ist kurzfristig kaum vorstellbar. Erst recht nicht, wenn man noch weiß, welchen Vorlauf, technischen Aufwand und welche bürokratischen Fallstricke die Beantragung der Studierenden-Überbrückungshilfe zu Corona-Zeiten mit sich brachte

 

All das sind und können keine Argumente gegen die Einmalzahlung sein und erst recht nicht dagegen, jetzt Tempo zu versprechen. Doch ein bisschen mehr als die Schlagworte von der "schnellen und unbürokratischen" Auszahlung "vor Ort" wird sich die Bundesregierung sehr rasch einfallen lassen müssen. Man hofft, dass sie schon Ideen auf Lager hat. Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen einen da allerdings skeptisch sein.


In eigener Sache

Wenn Sie wie ich an den Wert eines für alle kostenfrei zugänglichen Nachrichtenangebots zu Bildung und Wissenschaft glauben: Unterstützen Sie mich in meiner Arbeit. Es wird Zeit.



></body></html>

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    EmCe² (Montag, 05 September 2022 17:12)

    Über eine zu gering ausgeprägte Nackenmuskulatur kann man sich als Mitarbeiter einer Hochschulverwaltung nicht beklagen - sie wird aktuell gut trainiert, durch ausgiebiges Kopfschütteln. Kaum haben die Studierendensekretariate die Welle des "9-Euro-Tickets" überstanden, da naht bereits die Nächste.
    Alleine schon dieses Beispiel des zweitweise verbilligten ÖPNVs bei bestehenden Ticket-Verträgen zwischen den ASten und den Verkehrsverbünden hat zu bislang unbezifferten Aufwänden geführt - für die sich bislang niemand interessiert hat. Von der Frage "Wie soll das alles gehen?" bis hin zu den Details wie "Wie setzen wir unseren Plan hier eigentlich mit dem vorhandenen Campusmanagement um?" stand man plötzlich da. So schnell wie die Politik den Beschluss gefasst hatte, so "egal" war es, wie das denn nun im Land umgesetzt wird - und von wem. Dennoch haben wir es geschafft. Auf verschiedenen Wegen und zu verschiedenen Zeitpunkten. Auch mit unterschiedlichem großem Aufwand. Aber es hat geklappt. Und dass, obwohl es nun ganz und gar nicht zum originären Tanzbereich einer Hochschule gehört. Zähneknirschend umgesetzt, dass dennoch mit größtem Erfolg. Bislang sollte jeder Studierende faktisch davon profitiert haben, ob durch eine Auszahlung oder Verrechnung zum WiSe22/23.
    Neben all den anderen Baustellen, die eine Hochschulverwaltung in der aktuellen Zeit beschäftigt, war man nur froh, dass dieses Kapitel zumindest der Vergangenheit angehört. Aber die Freude dauerte nicht lang an - genau gesagt, bis ich Ihren Artikel hier las (dessen Inhalt mir aus der Tagespresse noch nicht entgegenschwappte). Wieder eine politische Entscheidung dieser Art. Gut gemeint und leider schneller durch´s Land posaunt, bevor nur jeder, der einigermaßen im Thema ist, dazu kommen konnte, sich die Hand vor´s Gesicht zu schlagen und zu rufen "Oh nein...".
    Ich befürchte Schlimmstes. Wie kommt der Studi nun an sein Geld? Auf Antrag ja sicher nicht - ähnlich "gut laufende" Antragsverfahren hatte man schon für Gastronomen zum Beginn der Pandemie. Die Finanzämter werden hier ebenso wenig unterstützen können - siehe obige Beschreibung des Artikels. Was ist mit den Bafög-Ämtern? Angesiedelt an den Studentenwerken kämpfen die bereits nach Jahren der Pandemie um ihre Existenz und gleichzeitig den Anpassungen beim BaföG. Also? Wer bleibt dann noch übrig auf dem Karussell der guten Laune?
    Wer möchte mit mir wetten, dass trotz aller Warnung schlussendlich es wieder die Hochschulen selbst sein werden, die eingreifen müssen - und zwar an einer Stelle, die sie abermals so "gar nicht interessiert", geschweige denn ihre Zuständigkeit berühren!? Sollen Hochschulen nun Daten melden, die sie ggf. haben? Was ist mit den Daten, die sie nicht haben? Sollten gar Daten extra für diesen Zweck erhoben werden? Noch undenkbarer wäre es - und alleine deshalb wird es wahrscheinlich auch genau so kommen :-) - wenn die Hochschulen selbst die 200 Euro an ihre Studierenden auszahlen sollen und dann dem Land ggü. eine Gesamtrechnung stellen... - ach wie schön einfach wäre das, aus Sicht der Regierung. (Wo man dann gerade dabei ist eine Rechnung aufzustellen, kann man dann direkt aufsummieren: Stundenlohn aller Hochschulmitarbeiter, die am 9-Euro-Ticket getüftelt haben, Kosten der Softwarehersteller zur Unterstützung der kurzfristig entstandenen Funktionserweiterung für ein Massengeschäft, Support...)
    Aber es wird anders kommen. Wieder wird man alleine mit dem Problem stehen gelassen. Es ist ein altes Spiel. Alle winken ab, der erste, der sich nicht hart genug verteidigt, bekommt das Päckchen zugeschustert. Erinnert ein bisschen an den ersten Termin zur Elternpflegschaft nach der Einschulung - bei der Frage: Wer schreibt das Protokoll?

    Aber das kann es nicht sein. Nicht bei Tausenden Studierenden im Land. Nicht bei 200 Euro pro Kopf. Und da sprechen wir noch lange nicht von Studis ohne Konto, Studis mit Konto außerhalb der EU, Studis die gleichzeitig Fachschüler sind, Erst- bzw. Zweithörer die zeitgleich an zwei Hochschulen sind, verschiedensten Datenschutzfragen oder der Suche nach der Rechtsgrundlage? Ganz abgesehen von der Frage, wer denn genau die Zielgruppe dieser Zahlung sein soll? Gasthörer auch? Weiterbildungsstudierende? Promotionshörer? Studierende des WiSe22/23? Zu einem bestimmten Stichtag? Und der Studi, der sich einen Tag vorher exmatrikuliert hat, bekommt nichts? Völlig abwegig vorab zu hinterfragen, wer das denn alles überhaupt wann und wie macht. Ach wen interessiert es denn? Einfach nur mal (vorher!) jemanden fragen, der sich damit auskennt. Über seinen eigenen Schatten springen und einfach mal einen Rat einholen, der einen wohlmöglich hätte schlauer machen könnte. Idealerweise, bevor es beschlossen und verkündet wird. Hätte jedem geholfen. Schade. Und völlig unabhängig davon, wer das wo macht - es kommt "on top". Ich wäre doch sehr verwundert, wenn dafür irgendwo eine Stelle zusätzlich geschaffen würde.

  • #2

    PB (Dienstag, 06 September 2022 00:56)

    Wie wäre es denn, mit, "ja, wir schaffen das"...!
    Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!

    Man hat es z.B. nach dem Fall der Mauer innerhalb kürzester Zeit geschafft, 3 Millionen damaligen noch DDR-Bürgern 100 DM Begrüßungsgeld bar auszubezahlen. Warum nicht auch wieder für Studierende? Es sind auch nur 3 Millionen Studierende...*

    Alternativ würde sich an den Hochschulen wirklich die Abwicklung über die Immatrikulationsgebühren bzw. die bekannten Konten anbieten. Das sollte automatisiert ohne viel Aufwand machbar sein. Wer vergessen wird, muss sich an eine Clearingstelle der Uni wenden. Der Bund gibt Geld an die Landesregierungen.

    *Aus Wikipedia:

    "Die Auszahlungsweise durch Banken und Sparkassen wurde in den nachfolgenden Tagen in der gesamten Bundesrepublik übernommen. Die Auszahlungs-voraussetzungen wurden vereinfacht und beschränkten sich auf die bloße Vorlage eines Personalausweises oder Passes, wiederholte Inanspruchnahmen waren kaum mehr kontrollierbar.....

    Der Erhalt des Begrüßungsgeldes wurde im DDR-Personalausweis vermerkt. Auf der rechten Seite sind die beiden Auszahlungen zu sehen: einmal die 100 DM und dann die 40 DM, die Bayern ein zweites Mal zahlte.

    Bis zum 11. November hatten bereits mehr als drei Millionen Bewohner der DDR den Westen besucht

  • #3

    die Verwaltung (Dienstag, 06 September 2022 12:17)

    "Einfach nur mal (vorher!) jemanden fragen, der sich damit auskennt. Über seinen eigenen Schatten springen und einfach mal einen Rat einholen, der einen wohlmöglich hätte schlauer machen könnte. Idealerweise, bevor es beschlossen und verkündet wird."

    Tja, diesen Rat möchte die Politik doch gar nicht haben! Es geht nur darum, eine öffentlichkeitswirksame Aktion zu haben. Wenn es sich hinterher dann nicht umsetzten lässt, kann man immer noch auf die Verwaltung schimpfen und sich mit seiner tollen Idee brüsten.

  • #4

    HV Finanzabteilung (Mittwoch, 07 September 2022 12:31)

    zu #2: von welchen "über die Immatrikulationsgebühr bekannten Konten" sprechen Sie? Diese werden im Rechnungswesen der Hochschule nicht gespeichert. Es handelt sich um GeldEINGÄNGE! Außerdem geht es die Hochschule auch gar nichts an, von welchem Bankkonto Studierende ihre Gebühren überweisen (Datenschutz!).
    zu #1: die Bankkonten der Studierenden wurden bei uns wegen der 9-Euro-Rückzahlung separat erhoben (!!!) um die zigtausend Buchungen durchführen zu können. Verrechnungen habn wir nicht vorgesehen. Das bedeutet, die Daten wären "zufällig" gerade im Hause ...
    Neuer Gedanke: Aufbuchen auf die StudentCards? (Da lehne ich mich aber gerade raus, weil die StudentCards nicht über die Finanzabteilung laufen).