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Bekommt der Hochschulföderalismus das hin?

Einigen sich Wissenschaftsministerien und Hochschulen bei ihrer "Hochschulstart"-Krisensitzung am Nachmittag auf eine Lösung in der  Frankfurter Studienplatz-Misere?

HEUTE KÖNNTE ein entscheidender Tag werden – zumindest für die rund 250 Humanmedizin-Studienbewerber, die durch den schweren Frankfurter "Eingabefehler" aus dem Verfahren gekippt wurden. Der Stiftungsrat der hinter "Hochschulstart" stehenden Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) trifft sich am späten Nachmittag zur zweiten virtuellen Krisensitzung. Der Druck, anschließend eine Lösung zu präsentieren, ist groß. Vonseiten der Wissenschaftsminister und der Hochschulen. Vor allem aber drängen die verhinderten Studierenden, ihre Familien und die sympathisierende Öffentlichkeit: in den sozialen Medien, mit offenen Briefen und einer 51.000-fach unterschriebenen Online-Petition.

 

Die am vergangenen Freitag für vier weitere Tage verhängte Totalsperre des Hochschulstart-Bewerberportals ist seit vergangener Nacht wieder aufgehoben – allerdings nur scheinbar vollständig. Medizinbewerber berichten, dass sie weiter keinen Zugriff haben auf das Nachrückerverfahren – ein Zeichen, dass die Stiftung heute genau hier eingreifen könnte.


Aktualisierungen vom 08. September siehe unten:

Beschlussvorlage geht am Donnerstag in die Kultusministerkonferenz, Goethe-Uni präsentiert eigenständige Lösung für Zahnmedizin-Bewerber.


Die Lösung, so zeichnet ab, dürfte nicht für alle Betroffenen dieselbe sein. Es gibt jene, die auch anderswo einen Medizin-Studienplatz hätten haben können, sich aber für die Goethe-Universität entschieden haben. Andere hatten nur die Frankfurter Schein-Option sicher. Wieder andere hatten sich zugleich für ein nicht-medizinisches lebenswissenschaftliches Fach beworben – und hätten ohne Frankfurt normalerweise dafür den Zuschlag bekommen. Was bedeutet das für den Beschluss, den der Stiftungsrat heute treffen könnte?

 

Klar ist: Die darin sitzenden Vertreter von Politik und Hochschulen müssen zugleich die Rechte der übrigen Medizin-Nachrücker abwägen, denen für eine mögliche Lösung Plätze entzogen werden. Es muss also fair zugehen – und, nicht zu vergessen, technisch funktionieren. Und das alles jetzt, sofort.

 

Natürlich: Es geht nur um ein paar hundert junge Leute, viele davon stammen aus privilegierten Familien. Insofern gibt es weltbewegendere und wichtigere Themen in Hochschule, Bildung und Wissenschaft. Und doch zeigt sich hier beispielhaft, ob der deutsche Hochschul-Föderalismus zu flexiblen Lösungen in der Lage ist. In diesem Sinne ist es dann doch eine echte Bewährungsprobe.

 

 

Nachtrag am 08. September, 7 Uhr:
Der Lösungsversuch geht in die Verlängerung. Aus dem Stiftungsrat war am Mittwochabend nach seiner Sitzung zu hören, dass eine Beschlussvorlage erarbeitet wurde, die am heutigen Donnerstag der Kultusministerkonferenz vorgelegt werden soll. Dann dürfte endgültig feststehen, wie es für die Betroffenen weitergeht.

 

Nachtrag am 08. September, 14 Uhr:

Zumindest für die Zahnmedizin-Studienbewerber hatte die Goethe-Universität seit Tagen eine eigenständige Lösung zu finden versucht, und am Donnerstag konnte sie Erfolg vermelden. Die Universität hebe für alle 32 Betroffenen die Rücknahme der Zulassung für das Wintersemester auf, teilte die Pressestelle mit, "nach intensiven Vorarbeiten" insbesondere in Hinblick auf die Studienorganisation und eine tragfähige juristische Abklärung. Die Aufhebung sei möglich, weil es an der Goethe-Universität auch im Sommersemester eine Zulassung für den Studiengang Zahnmedizin gebe. Die Bewerber würden derzeit per Mail und Brief informiert.

 

Unipräsident Enrico Schleiff sprach von einem ersten "Meilenstein bei der Bewältigung der Krise". Für die betroffenen 250 Humanmedizin-Bewerber könne die Frankfurter Universität allerdings keine Lösung aus eigener Kraft entwickeln und sei auf die Hilfe anderer Universitäten angewiesen. Schleiff ergänzte: Die Hochschule setze sich "weiter unermüdlich dafür ein, für die Betroffenen in der Humanmedizin zusammen mit der Stiftung für Hochschulzulassung, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, der Kultusministerkonferenz sowie allen medizinführenden Universitäten in Deutschland eine gemeinsame Lösung zu finden." Der Frankfurter Unichef bedankte sich bei allen Partnern "für die Gesprächsbereitschaft und viel guten Willen und Kreativität".

 

Dieser Beitrag erschien in seiner Erstfassung zuerst in meinem kostenfreien Newsletter.


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Kommentare: 1
  • #1

    EmCe² (Mittwoch, 07 September 2022 16:20)

    Es wäre allen Beteiligten zu wünschen, dass hier mehr Klarheit als "Nebel" herrscht. Ich bin gespannt.

    Ob es jetzt der schlaueste aller Schachzüge war, gestern am späten Abend die beteiligten Hochschulen noch eilig über einen verklausulierten Plan zu informieren, bis man dann um 0:00h das Portal wieder öffnet und in einer kurz gefassten Presse- / Aktuelles-Meldung auf der SfH-Homepage über das Aussetzen zu informieren - ich habe Zweifel. Aber lassen wir uns überraschen.

    Sie sprechen eine in der Theorie mögliche und sicher auch zahlreich vorkommende Konstellation an, die mir bislang noch etwas zu kurz kommt in der bisherigen Diskussion:
    "... Wieder andere hatten sich zugleich für ein nicht-medizinisches lebenswissenschaftliches Fach beworben – und hätten ohne Frankfurt normalerweise dafür den Zuschlag bekommen."

    Was ist mit denen? Wer sind die? Wie weit reichen die Auswirkungen? Sucht man diese Fälle aktuell (während der nun abgelaufenen Portalsperre) heraus - wer hätte vor dem Tag X wo was gehabt und in welchen Stand schafft man es, ihn zurück zu setzen?

    Hat ein Bewerber vielleicht Biochemie (auch NC-beschränkt in Frankfurt) als Prio 2-Wunsch im DOSV gehabt? Oder Physiotherapie? Oder wollte sie Hebamme werden? ...mit der (Schein-)Zusage für die Frankfurter Medizin (auf Prio 1) sind all diese Prio 2-Angebote unmittelbar aus dem Verfahren ausgeschieden. Bumms. Weg.

    Möchte man denjenigen, die Biochemie somit durch den Fauxpas verloren haben, wieder Biochemie zur Verfügung stellen? Der Platz ist ja in der Zwischenzeit ebenfalls besetzt und steht somit für die Opfer des Frankfurter Fehlers nicht mehr zur Verfügung. Ein Ausscheiden führt zeitgleich zu einem Nachrück-Vorgang, durch den jemand anderes glücklich gemacht wird.

    Die rechtssichere Glaskugel wird es (vielleicht schon heute) richten...