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Mehr Geld für Bildung und Forschung

Wo der Haushaltsausschuss in seiner mit Spannung erwarteten Bereinigungssitzung das BMBF-Budget nachgebessert hat: ein erster Überblick.

WENN DER HAUSHALTSAUSSCHUSS des Bundestages sich im November zu seiner Bereinigungssitzung trifft, handelt es sich stets um einen der wichtigsten parlamentarischen Termine um diese Jahreszeit. Zumindest aber um einen mit besonderen Hoffnungen begleiten. Denn die Haushälter kämmen noch einmal den von der Bundesregierung vorgelegten Haushalt des Folgejahres durch, fügen hier etwas hinzu, ziehen da etwas ab. Setzen häufig sogar noch einmal ganz neue Akzente. So wird die Bereinigungssitzung auch zu einer Demonstration der parlamentarischen Macht gegenüber der Regierung. Und weil jedes Ministerium mit seinem Haushalt drankommt, können die Sitzungen dauern. Oft bis spät in die Nacht hinein. Und genauso lang wird dann bei einigen Betroffenen mitunter gezittert.

 

Für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ging es am Donnerstag sehr schnell. Es kam als eines der ersten Häuser dran, und das meiste von dem, was die Ausschuss-Mitglieder beschlossen, war im Vorfeld erwartetet worden. Aber eben nicht alles.


Bemerkenswerte Kehrtwende
DAAD und Co erhalten Dutzende Millionen mehr als ursprünglich vorgesehen, statt Kahlschlag gibt es teilweise deutliche Zuwächse

>>> siehe Aktualisierung unten auf dieser Seite


Mit am wichtigsten: die 700 Millionen Euro Mehrausgaben, um die lang erwartete 200-Euro-Einmalzahlung an 3,5 Millionen Studierende, Fachschüler und Berufsfachschüler zu finanzieren. Obgleich bereits Anfang September als "schnell und unbürokratisch" angekündigt, steht leider seit ein paar Tagen auch offiziell fest, dass das Geld erst im nächsten Jahr kommen wird. Der dazu gehörige Gesetzentwurf befindet sich gerade in der Ressortabstimmung. Ob es noch Januar wird mit der Auszahlung oder doch erst später? Vieles hängt davon ab, wie schnell es mit der erst jetzt in Angriff genommenen Programmierung eines Antragsportals geht, und erfahrungsgemäß dauern solche Prozesse. Das ist allerdings ein anderes Thema – zurück zur Bereinigungssitzung.

 

Der Haushaltsausschuss entsperrte am Donnerstagnachmittag auch einen kleineren Millionenbetrag, damit das BMBF beim Aufbau der geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) weiterkommt. Für dieses Jahr wie vom BMBF beantragt 1,7 Millionen Euro –"zur Finanzierung von erforderlichen Anlaufmaßnahmen". Fürs nächste Jahr immerhin 14,6 Millionen Euro. Von denen allerdings rund 4,6 Millionen für die Zukunftsstrategie vorgesehen sind. Der Rest vor allem für die geplanten DATI-Pilotlinien, erstes Personal und in die Außenkommunikation.

 

Der parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Mario Brandenburg (FDP), nannte die Entscheidung des Haushaltsausschusses einen wichtigen Schritt. "Denn damit können wir die erforderlichen Anlaufmaßnahmen zur Gründung wie geplant angehen und noch intensiver in den Dialog treten."  Mit dem parlamentarischen Rückenwind werde das Ministerium jetzt in die nächsten Beteiligungsrunden mit den Stakeholdern gehen, "um Notwendigkeiten, Bedarfe und Optionen noch detaillierter zu diskutieren und zu erfassen. Denn mit der DATI schaffen wir eine Neuheit in der Förderlandschaft und werden neue Förderformate in Pilotmaßnahmen testen."

 

14,6 entsperrte Millionen bedeuten allerdings im Umkehrschluss: 35,4 der 50 für 2023 eingeplante DATI-Millionen bleiben weiter gesperrt – mit der bereits bekannten Formulierung, dass für die Aufhebung der Sperre "die Vorlage eines schlüssigen Konzeptes erforderlich" sei. Dessen Erarbeitung das BMBF übrigens gegenüber dem Ausschuss "zeitnah" angekündigt hat – auf der Grundlage des laufenden Stakeholder-Prozesses, der bis Ende November abgeschlossen sein soll. 

 

Die für den BMBF-Haushalt zuständige SPD-Berichterstatterin, Wiebke Esdar, sagte, der Haushaltsausschuss werde den Aufbau der neuen Agentur "weiterhin eng begleiten". Zu den Ergebnissen der Bereinigungssitzung sagte sie, Bildung und Forschung seien "noch einmal gestärkt" worden, "denn auch hier gilt: Zusammenhalt in der Zeitenwende". 

 

Zusätzliche Millionen für die
Klima-Satellitenmission GRACE-I

 

Erleichterung dürfte auch bei den deutschen Verantwortlichen der GRACE-I-Satellitenmission zum Klima- und Umweltmonitoring herrschen. Die USA steuern wie schon bei den Vorgängermissionen einen beträchtlichen Anteil bei, doch sah es zwischenzeitlich so aus, als könne das Projekt an fehlenden Finanzzusagen aus Deutschland scheitern. Was angesichts der Betonung von Umwelt-, Klima- und Nachhaltigkeitsthemen im Ampel-Koalitionsvertrag vollkommen unverständlich gewesen wäre – zumal die NASA nach Angaben des GFZ Helmholz-Zentrums Potsdam zwischen 140 und 180 Millionen in den Bau von Satelliten in Deutschland investiert. Das sahen offenbar auch die Bundestagshaushälter so und beschlossen:  Bis 2028 gibt es knapp 60 Millionen aus dem BMBF-Haushalt für die Grace-I-Mission, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz soll genauso viel beisteuern. 

 

Unterdessen hat die Wissenschaftspolitik der Hauptstadt wieder einen Coup gelandet: Insgesamt 44 Millionen Euro bis 2028 genehmigte der Ausschuss für die Gründung und den Aufbau eines neuen Translationszentrums für Zell- und Gentherapie – Voraussetzung: Das Land Berlin muss mindestens fünf Millionen Euro aus Eigenmitteln oben drauflegen. Was es bei so einer Quote sicher tun wird. 

 

Ebenfalls mit Freude wird in der Szene zur Kenntnis genommen werden, dass der Jahreshaushalt der Max-Weber-Stiftung künftig analog zum Zukunftsvertrag und zum Pakt für Forschung und Innovation dynamisiert wird. Das jährliche Plus beträgt also ab 2023 drei Prozent (statt bislang 1,6 Prozent). Außerdem gibt es zwei Millionen Euro mehr im BMBF-Haushalt für sozialwissenschaftliche Forschung, genauer: Nachwuchsgruppen in der naturwissenschaftlichen Friedensforschung. 

 

Ombudsgremium für die wissenschaftliche
Integrität wird zur Dauereinrichtung

 

Ein wichtiges Signal: Das Ombudsgremium für die wissenschaftliche Integrität in Deutschland wird zu einer Dauereinrichtung. Der Haushaltsausschuss beschloss, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) das Gremium künftig institutionell fördern darf, was die wissenschaftspolitische Bedeutung des Themas zu Recht (man könnte sogar sagen: überfälligerweise) unterstreicht.

 

BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) dürfte erfreut sein, dass für den Start der von ihr geplanten "Nationale Strategie Ökonomische Bildung" 2023 zwei Millionen Euro vorgesehen sind. Und noch eine gute Nachricht: Die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung wird mit weiteren 22,8 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre gefördert.

 

Besondere Aufmerksamkeit verdient zudem die Nachricht, dass das viel kritisierte Aus für das Sprachkitas-Bundesprogramm zwar nicht rückgängig gemacht wird, die Haushälter aber immerhin beschlossen, sie noch bis Ende Juni 2023 weiterzufinanzieren, also ein halbes Jahr länger als bislang beschlossen. Der Bund habe die Hand mit dem Staffelstab ausgestreckt", sagte Nina Stahr, Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. "Einige Länder, wie Nordrhein-Westfalen, haben den Staffelstab bereits aufgenommen und zugesagt, dass sie die Sprach-Kitas weiter finanzieren. Diesen politischen Willen erwarte ich von allen Ländern." 

 

Und wo wird Geld im Bundeshaushalt abgezogen? Unter anderem bei der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND). Sie soll (haushälterische Begründung: "Anpassung an den Bedarf") 2023 rund 8,4 Millionen Euro weniger als vorgesehen erhalten –  aber dann immer noch gut 147 Millionen und deutlich mehr als in den Vorjahren. 

 

Noch bis in die Nacht hinein gedulden müssen sich der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) und das Goethe-Institut. Sie werden durch den Haushalt des Auswärtigen Amtes finanziert, und der ist erst spät dran in der Bereinigungssitzung. Können die seit dem Frühjahr diskutierten Kürzungen ihrer Haushalte, nachdem sie zwischenzeitlich bereits etwas entschärft wurden, noch weiter abgemildert werden? Das Zittern für DAAD, AvH und Goethe-Institut ist noch nicht vorbei. 

 

Dieser Artikel wurde mehrfach aktualisiert.



Aktualisierung am Freitag, 11. November:

Bemerkenswerte Kehrtwende
DAAD und Co erhalten Dutzende Millionen mehr als ursprünglich vorgesehen, statt Kahlschlag gibt es teilweise deutliche Zuwächse

 

Noch mehr gute Nachrichten aus dem Haushaltsausschuss: Auch die Außenwissenschaftspolitik erhält gegenüber den bisherigen Haushaltsplanungen einen beachtlichen Aufschlag. Die noch im Sommer befürchteten dramatischen Kürzungen beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) sind damit Vergangenheit. 

 

Bis fünf Uhr früh saßen die Ausschussmitglieder zusammen, in der Nacht war endlich der Etat des Auswärtigen Amtes an der Reihe. Das Ergebnis: Der DAAD bekommt für das kommende Jahr satte 31 Millionen mehr, als im bisherigen Haushaltsentwurf der Bundesregierung vorgesehen war: 222 Millionen Euro stehen jetzt im Haushalt. 

 

Das ist bemerkenswert, denn noch im Juli sah es so aus, als würde es dramatische Einschnitte geben: Um 13 Millionen Euro sollte der Haushalt 2023 gegenüber 2021 schrumpfen, ursprünglich hatte sogar ein noch größeres Minus gedroht. Es folgten Protestbriefe und Online-Aktionen. Jetzt der letzte und entscheidende Teil der Haushalts-Kehrtwende: Nächstes Jahr wird der DAAD mehr Geld haben als je zuvor. Und sogar knapp 20 Millionen mehr als 2021.

 

Ein ähnlich gutes Bild bei der AvH. Ihr genehmigten die Haushälter 6,5 Millionen Euro mehr, als im Haushaltsansatz vorgesehen, womit das Budget der Stiftung 2023 auf rund 56 Millionen steigen wird. Statt einem Minus von 18 Prozent im Vergleich zu 2022, das noch in den Eckwerten zum Bundestagshaushalt gestanden hatte, erhält die AvH jetzt 3,6 Prozent mehr. Und liegt damit sogar etwas über dem bisherigen Rekordjahr 2021.

 

Die Nachrichten aus dem Haushaltsausschuss sind so gut, dass man sich bei den Organisationen offenbar erstmal sortieren und in Ruhe nachrechnen muss. "Ich freue mich sehr über die Ergebnisse der Bereinigungssitzung für den DAAD, von denen wir soeben erfahren", sagte DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee am Freitagmorgen auf Anfrage. "Wir werden in der kommenden Woche ausführlich zu ihnen Stellung nehmen."

 

Und AvH-Generalsekretär Enno Aufderheide sagt: "Das ist eine hervorragende Entwicklung für uns, vor allem vor dem Hintergrund der schwierigen Rahmenbedingungen. Wir danken hierfür besonders den Bundestagsabgeordneten für ihr Engagement." Aufderheide sagt allerdings auch, die Erhöhung müsse "jetzt administrativ auch so umgesetzt werden, dass sie unserer Förderung der internationalen Kooperation breit zugute kommt". Klingt so, als könnte es da noch Dinge zu klären geben.

 

DAAD und AvH hatten, seit die drohenden Kürzungen bekannt wurden, die Öffentlichkeit gesucht, Hochschulen, Wissenschaftler, Studierende und Alumni hatten Protestbriefe und Online-Aktionen organisiert. Mit dem Ergebnis, dass auch der Grünen-Parteitag Mitte Oktober die grüne Außenministerin Annalena Baerbock aufgefordert hatte, die geplanten Ausgabenkürzung in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zurückzunehmen.

 

Die Goethe-Institute sollen 15 Millionen Euro über die bisherige Planung hinaus erhalten, ihre Budgets steigen damit 2023 auf 235 Millionen Euro, gut acht Millionen mehr als dieses Jahr – allerdings immer noch 33 Millionen weniger als 2021. 

 

Am Vormittag äußerte sich auch der Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses. "Als Ampel-Koalition stärken wir unsere Außenwissenschaftspolitik in Krisenzeiten finanziell deutlich und setzen damit ein zentrales Versprechen des Koalitionsvertrags um", sagte Kai Gehring (Grüne). Mit den Budgeterhöhungen gebe man der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der Reputation des Forschungsstandortes Deutschland Rückenwind. "Angesichts der aktuellen geopolitischen Krisen ist Außenwissenschaftspolitik wichtiger denn je", fügte Gehring hinzu. So komme Schutzprogrammem für gefährdete Wissenschaftler*innen und Studierende eine immer größere Bedeutung zu. "Die großen globalen Herausforderungen lassen sich nur mit mehr internationaler Zusammenarbeit lösen. Die europäische und internationale Vernetzung müssen ausgebaut und Allianzen mit Wertepartnerländern geschmiedet werden."

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