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"Um dieses Thema macht die Politik lieber einen großen Bogen"

Fehlende Rechtsgrundlagen, zu geringe Investitionen und falsch verstandener Datenschutz: Warum Deutschland beim Umgang mit Forschungsdaten nicht mit anderen europäischen Ländern mithalten kann. Ein Interview.

Foto: Pxhere, CCO.

Frau Jungbauer-Gans, Frau Schneider, was macht eigentlich der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD)? 

 

Monika Jungbauer-Gans: Der RatSWD ist ein Beirat der Bundesregierung, der zu einer Hälfte aus Forschenden aus den Sozial-, Wirtschafts-, Verhaltens- und Bildungswissenschaften besteht. Und zur anderen Hälfte aus Repräsentanten von Einrichtungen, die Daten produzieren. Der Rentenversicherung zum Beispiel, der Bundesbank oder auch des Sozio-oekonomischen Panels. Unsere Aufgabe als Rat ist, den Zugang zu Daten für die Forschung zu verbessern.

 

Angesichts all der Klagen über fehlende Daten in der Coronakrise handelt es sich beim RatSWD vermutlich um eine ganz neue Erfindung?

 

Kerstin Schneider: Keineswegs. Den Rat gibt es seit 18 Jahren. Und in der Zeit ist eine Menge passiert, der Zugang zu Daten hat sich schon enorm verbessert. In vielen öffentlichen Einrichtungen wurden erstmals sogenannte Forschungsdatenzentren gegründet. In zwei Jahrzehnten sind Infrastrukturen für Forschungsdaten entstanden, von denen wir heute profitieren. 

 

Was ist denn Infrastrukturen für Forschungsdaten?

 

Jungbauer-Gans: Über  eine moderne Forschungsdaten-Infrastruktur können Forschende jederzeit und unabhängig von ihrer Institutszugehörigkeit Zugriff auf Daten bekommen, und zwar diskriminierungsfrei und nach transparenten Regeln. Der Zugang hängt nicht mehr von persönlichen Beziehungen und Gefallen ab, wie das früher gelegentlich der Fall war. Außerdem sind die Daten so aufbereitet, dass die Weitergabe dem Datenschutz Genüge tut und alle anderen rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. 


Die Soziologin Monika Jungbauer-Gans ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und Vorsitzende des Rats für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD).

Die Finanzwissenschaftlerin Kerstin Schneider leitet das WIB - Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung an der Universität Wuppertal und ist stellvertretende Vorsitzende des RatsSWD. Fotos: RatSWD.



Bitte ein konkretes Beispiel!

 

Jungbauer-Gans: Daten aus der Befragung von Studierenden werden vor der Weitergabe anonymisiert, was bedeutet, dass bestimmte Merkmale, zum Beispiel die Hochschule oder das Studienfach, gelöscht oder stark vergröbert werden. Werden sensiblere Daten für wissenschaftliche Fragestellungen gebraucht, können sie in einem geschützten Raum innerhalb von Forschungsdatenzentren oder mit kontrollierter Datenfernverarbeitung genutzt werden. So kann man sicherstellen, dass nur die publikationsrelevanten Auswertungsergebnisse, Regressionstabellen etwa, den Raum verlassen.

 

"Ich wüsste gern, wie sich die Corona-Maßnahmen langfristig auf das Leben junger Menschen auswirken. Wir sammeln Stück für Stück die Indizien, aber zum politischen Gegensteuern ist das viel zu spät. "

 

Wenn es das alles schon gibt, wie kann es sein, dass in der Pandemie an vielen Stellen Daten gefehlt haben, etwa um die Auswirkungen des Virus oder der Eindämmungsmaßnahmen auf einzelne Bevölkerungsgruppen verlässlich messen zu können? Die Politik befand sich vielfach im Daten-Blindflug, und die Wissenschaft konnte nur bedauernd abwinken.

 

Schneider: Das ist kein Widerspruch. Wir haben als Wissenschaft getan, was wir konnten, aber irgendwann war der Punkt erreicht, an dem es nicht weiterging. Was Sie gerade beschrieben haben, erfordert die Verknüpfung verschiedener Daten, und die ist eine rechtliche Frage. Zum zweiten können wir noch so tolle Infrastrukturen schaffen, wenn die Daten, die wir brauchen, gar nicht erst erhoben werden. Meist wiederum aus rechtlichen Gründen – und nicht weil die Wissenschaft an ihnen kein Interesse hätte. Dadurch konnten wir tatsächlich viele Fragen nicht beantworten. Ich wüsste zum Beispiel gern, wie sich die Corona-Maßnahmen langfristig auf das Leben junger Menschen auswirken. Haben sie auch in fünf Jahren noch Nachteile durch den Distanzunterricht, den sie mitmachen mussten? Und welche sozialen Gruppen waren besonders stark betroffen? Wir sammeln Stück für Stück die Indizien, aber zum politischen Gegensteuern ist das alles viel zu spät. 

 

Jungbauer-Gans: Das Problem fehlender Daten hatten wir ja nicht nur in der Corona-Krise, wir erleben es gerade erneut im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Erneut wissen wir viel zu wenig – etwa über die sozialen Auswirkungen der Inflation. Jede Datenerhebung dauert hier viel zu lange. Hinzu kommt, dass jede Krise neue Anforderungen stellt an neue Verknüpfungen bestehender Datensätze. Und wenn Sie da als Wissenschaft nicht schnell reagieren können, kann die Politik nicht durch empirische Evidenz unterstützt werden. 

 

Schneider: Darum sagen wir ja als RatSWD: Ohne die Unterstützung der Politik kommen wir jetzt nicht mehr weiter. 

 

Wo fehlt Ihnen denn die Unterstützung der Politik?

 

Jungbauer-Gans: Zum einen handelt es sich um eine Ressourcenfrage. Gute Daten und deren Verknüpfung fallen nicht vom Himmel. Dafür brauchen Sie Personen, die die Daten aufzeichnen, sie zusammenfügen, entsprechend den technischen Möglichkeiten anonymisieren und dann der Community bereitstellen. Die dafür nötigen Investitionen erfordern einen grundsätzlichen politischen Willen. Nicht nur, das Geld auszugeben, sondern die Debatten durchzustehen, die sich dadurch womöglich ergeben. Die Diskussionen um den Datenschutz zum Beispiel. Hier müsste die Politik gegenhalten und betonen, dass es gar keine Datenschutzprobleme gibt, wenn man die nötigen Vorkehrungen trifft. Aber davor schrecken die Verantwortlichen immer noch zurück – und machen aus Angst vor der nächsten Wahl lieber einen großen Bogen um das Thema.

 

Schneider: Um zu zeigen, wie absurd manche Sorgen um den Datenschutz sind, müsste eigentlich schon der Hinweis auf andere europäische Länder reichen, Skandinavien oder Österreich etwa. Da gilt auch die Datenschutz-Grundverordnung, das hindert diese Staaten aber nicht daran, den Zugang der Wissenschaft zu Daten deutlich einfacher zu handhaben. Österreich hat vor kurzem das Austrian Micro Data Center gegründet, wo Forschende den Zugang auf viele verknüpfte, auch sensible Daten erhalten.

 

Jungbauer-Gans: Mein Eindruck als Bildungsforscherin ist, dass die Politik in Deutschland den Datenschutz oft als Argument vorschiebt, wenn sie politisch nicht bereit ist zu größerer Transparenz.

 

"Ganz sicher geht es nicht um den gläsernen Bürger. Wenn überhaupt, dann geht es um die gläserne Politik, die sich und ihr Handeln evaluieren lassen muss."

 

Schneider: Das kann sie, weil es auch in der Bevölkerung Vorbehalte und Ängste gibt, die Hoheit über die eigenen Daten zu verlieren. Da müssen wir gegen an. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen, dass es um Transparenz geht, aber ganz sicher nicht um den gläsernen Bürger. Wissenschaft ist nie an Einzelfällen interessiert, daher ist eine Anonymisierung für uns selbstverständlich. Wenn überhaupt, dann geht es um die gläserne Politik, die sich und ihr Handeln evaluieren lassen muss, und zwar durch eine unabhängige, politisch nicht gebundene Wissenschaft. Dazu braucht es aber anständige Daten. 

 

Eine der Forderungen, die der RatSWD erst neulich wieder erhoben hat, ist die Einrichtung eines Bildungsregisters. Worum geht es da?

 

Schneider: Es geht genau um die Beantwortung jener Fragen, die wir eben angedeutet haben. Ein Bildungsregister würde es möglich machen, langfristig zu verfolgen, was Menschen im Laufe ihres Lebens lernen und wie die erworbenen Kompetenzen von ihrem familiären Hintergrund und von äußeren Einwirkungen abhängen. Zum Beispiel den Folgen einer Pandemie. Und das nicht nur in Form einer Stichprobe, sondern als Vollerhebung der gesamten Bevölkerung, hinuntergebrochen auf einzelne Regionen oder sogar einzelne Schulen. So dass die Politik endlich das Wissen bekäme, angemessene und rechtzeitige Maßnahmen zu ergreifen.   

 

Das liefe darauf hinaus, dass jeder Bürger und jede Bürgerin eine eigene Daten-ID bekäme. Auch wenn Sie plausibel machen können, dass Forschenden trotzdem keine Rückverfolgung auf individuelle Einzelfälle möglich wäre: Ist das wirklich nötig? Vor allem vor dem Hintergrund, dass es seit anderthalb Jahrzehnten das Nationale Bildungspanel (NEPS) gibt, das genau das bereits tut: die Bildungswege von 60.000 zufällig ausgewählten Menschen zu verfolgen. Aber auf freiwilliger Basis.  

 

Jungbauer-Gans: Das NEPS ist ein wichtiges Instrument, um differenzierte Informationen über Schülerinnen und Schüler, ihre Familien und Lehrkräfte zu erhalten und sie miteinander zu kombinieren. Inklusive der Einstellungen, dem Einkommen der Eltern oder andere Determinanten bestimmter Bildungsentscheidungen. Das sind Informationen, die Sie über ein Bildungsregister, das aus amtlichen Daten besteht, nie erhalten würden. Aber das Bildungsregister bietet entscheidende Ergänzungen. Zur sozialen Zusammensetzung der einzelnen Schulen zum Beispiel, die wiederum die individuellen Bildungswege in einen viel genaueren Kontext setzen. Und vergessen Sie nicht: Die jüngste Teilnehmer-Kohorte im NEPS stammt von 2010, die ist irgendwann durchs Bildungssystem durch, und die Kosten für jede neue Kohorte in der bisherigen Bandbreite sind immens. Das Bildungsregister wäre nicht so tiefgehend, aber auch mit einem viel geringeren Kosten verbunden. 

 

Schneider: Und wir würden ja nicht nur im Bildungsbereich bleiben mit dem Bildungsregister. Wir würden auch wissen, wie es den Personen beim Übergang in den Arbeitsmarkt ergeht. Die skandinavischen Länder verknüpfen die Bildungsdaten sogar mit den Gesundheitsdaten. Im Übrigen ist es ja nicht so, dass wir hier absurde Forderungen stellen. Die Einrichtung eines Bildungsregisters ist schon vor 19 Jahren von der Kultusministerkonferenz beschlossen wurden. Einige Bundesländer haben es halt nur nie umgesetzt. 

 

Im Ampel-Koalitionsvertrag tauchte dafür eine andere Ankündigung auf: SPD, Grüne und FDP wollen in dieser Legislaturperiode ein Forschungsdatengesetz auf den Weg bringen. Gerät das Vorhaben dann auch in so eine Endlosschleife? 

 

Jungbauer-Gans: Ich bin da doch optimistischer als beim Bildungsregister. Wir brauchen so ein Gesetz dringend, um genau jenen diskriminierungsfreien Zugang zu Daten zu erreichen, den ich vorhin beschrieben habe. Dazu würde gehören, dass es eine einzige ID für alle gäbe, mit der sich Daten aus dem Arbeitsmarkt mit denen aus dem Gesundheits- und Sozialversicherungssystem verbinden ließen. Dafür bräuchte es dann eine Einrichtung, ein Institut, das all diese Verknüpfungen herstellen und den Forschenden den Zugang gewähren würde. 

 

Das ebenfalls im Koalitionsvertrag erwähnte Dateninstitut.

 

Jungbauer-Gans: Genau. Außerdem, und das ist entscheidend, würde ein solches Gesetz weitere Regelungen enthalten, um die Vertraulichkeit der Forschungsdaten zu sichern. Indem die Forschenden etwa zur Verschwiegenheit verpflichtet würden. Was auch, wie wir das bei anderen Berufsgruppen wie Ärzten kennen, Strafen bei Verstößen gegen diese Verschwiegenheitspflicht nach sich zöge. Umgekehrt erhielten die Forschenden ein Zeugnisverweigerungsrecht und den Schutz vor der Beschlagnahmung von Forschungsunterlagen. Ein Forschungsdatengesetz sollte also auch die Wehrhaftigkeit gegen Datenmissbrauch verstärken. 

 

"Wir wünschen uns lediglich, mit Forschungsdaten unter den Bedingungen arbeiten zu können, wie sie anderswo selbstverständlich sind." 

 

Gesetz und Daten-Institut werden derweil vor allem von Teilen der freien Wirtschaft mit Skepsis beäugt. Denn viele Unternehmen fürchten, dass sie am Ende auch ihre Daten für die Forschung freigeben müssen. Bekommt die Wissenschaft den Hals nicht voll?

 

Schneider: In dem Positionspapier, das der RatSWD zum Forschungsdatengesetz formuliert hat, geht es zunächst und vor allem um Daten, die von öffentlichen Einrichtungen erhoben werden. Wenn wir zu denen Zugang bekämen, würde uns das helfen, zumindest ein Stückweit zu unseren europäischen Nachbarländern aufzuschließen. So viel zu "die Wissenschaft bekommt den Hals nicht voll". Wir wünschen uns lediglich, unter den Bedingungen arbeiten zu können, wie sie anderswo selbstverständlich sind. 

 

Also haben Sie kein Interesse an von Unternehmen gesammelten Daten? 

 

Schneider: Natürlich sind die Daten von Unternehmen für uns als Wissenschaft interessant – als Ergänzung dessen, was wir schon haben. Beispielsweise Daten zu Nutzer- oder Mobilitätsverhalten sind ein ganz neuer Typus von Daten. Ich glaube aber, dass der Staat nicht gesetzlich vorschreiben kann oder sollte, dass die Unternehmen all diese Daten offenlegen müssen. Aber die rechtlichen Rahmenbedingungen erleichtern könnte uns ein Forschungsdatengesetz schon. Die Wirtschaft ist zum Teil unentschlossen und skeptisch, weil für sie die Daten einen materiellen Wert bedeuten und sie sich um ihr Wirtschaftsmodell sorgen. Das bekommen wir nur geregelt, indem wir Wissenschaftler:innen uns mit den Unternehmen zusammensetzen und reden. Auch Unternehmen muss doch klar sein, dass wir als rohstoffarmes Land als einziges Kapital Wissen haben und möglichst viel davon generieren müssen. Das darf kein Gegeneinander von Wissenschaft und Wirtschaft sein, sondern ein Miteinander – auch in dem Bemühen, junge Menschen für die Wissenschaft und für die Wirtschaft auszubilden. 

 

Jungbauer-Gans: Und genau so ein Forum, an dem sich Wissenschaft und Wirtschaft treffen, wo sie über Lizenzmodelle, Gebührenmodelle und Zugangsregeln sprechen, sollte das Daten-Institut werden. Wo sie klären, welche Daten die Wissenschaft braucht und welche Daten Unternehmen zur Verfügung stellen können. Die Wissenschaft will ja nicht anfangen, künftig Autos zu bauen. Aber die Daten, die von den Bordcomputern ständig und überall gesammelt werden, die können für bestimmte wissenschaftliche Fragestellungen sehr hilfreich sein. Oder auch zum Trainieren bestimmter Algorithmen. Wenn Wissenschaft und Wirtschaft das zusammen hinbekämen, wäre das ein Kulturwandel für alle. 

 

Ob Bildungsregister, Forschungsdatengesetz oder Dateninstitut: Ist der Eindruck richtig, dass sich durch die Datenmisere in der Coronakrise ein Gelegenheitsfenster aufgetan hat? Weil die Politik endlich bereit ist, über den eigenen Schatten zu springen?

 

Schneider: Die Wissenschaft weiß seit langem, was nötig ist, aber es ist ihr schwer gefallen, Gehör zu finden. Umgekehrt gab es immer mal Initiativen aus der Politik, denken Sie nur an die Datenstrategie der Großen Koalition. Nur versandete vieles dann bald. Die Krisen haben in der Tat dabei geholfen, der Öffentlichkeit vor Augen zu führen, wie wichtig gute Daten sind. Nicht nur für die Wissenschaft, sondern für funktionierende Verwaltungsprozesse. Und mit dem Bewusstsein in der Bevölkerung steigt jetzt das Dringlichkeitsempfinden in der Politik.  

 

Jungbauer-Gans: Die Brisanz ist seit der Coronakrise eine andere. Geholfen hat aber auch, und das ganz unabhängig von der Pandemie, dass die Politik den Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) beschlossen und finanziert hat. Vor der NFDI arbeiteten viele im Kleinen vor sich hin, jetzt haben sich ganze Forschungsfelder in NFDI-Konsortien organisiert. Sie sind ehrgeizig und spüren, dass sie immer öfter an rechtliche Grenzen stoßen. Sie sind aber auch ganz anders in der Lage, ihre Forderungen in Richtung Politik zu artikulieren. Die Krisen haben gezeigt, dass die Politik ohne die Wissenschaft nicht mehr weiterkommt. Aber ohne die Hilfe der Politik kommt die Wissenschaft jetzt auch nicht mehr weiter. So einfach ist das. 


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Kommentare: 2
  • #1

    Gerrit Bludau (Mittwoch, 07 Dezember 2022 11:27)

    Oh, was für ein Trauerspiel mit den Daten. Wie man auch am Beispiel der Bahn- und Verkehrs-Infrastruktur (oder des Fußballs) leicht ersieht, ist Deutschland - im Unterschied zur Vergangenheit - ein Entwicklungsland geworden. Früher wurde vieles einfach instand gehalten. Heute wird alles auf
    Verschleiß gefahren.

  • #2

    Niels Seidel (Donnerstag, 08 Dezember 2022 21:06)

    Ein nationales Bildungsregister wäre ein interessanter Ansatz für die geplante Nationale Bildungsplattform (NBP). Das BMBF drängt jedoch darauf, dass die persönliche Bildungshistorie inkl. aller Abschlüsse und Zertifikate nicht zentral, sondern mittels einer Self-Sovereign Identity (SSI) nur auf den Endgeräten der Bürger gespeichert wird. Ob eine solche dezentrale Haltung von Bildungsdaten auf lange Sicht praktikabel ist, wird derzeit unter Experten diskutiert. Mit einem nationalen Bildungsregister würde sich diese Diskussion erübrigen.

    Aus Datenschutzsicht birgt eine zentrale Datenhaltung jedoch erhebliche Risiken. Erstens kann man für die Sicherheit eines solchen Datensatzes keine Garantie abgeben. Menschen und Forschende sind anfällig für Social Engineering und machen Fehler. Jede verwendete Software (bspw. jene für die Datenhaltung, ...) hat Schwachstellen, die Angreifer ausnutzen können. Zweitens lassen sich hochdimensionale Daten nicht hinreichend anonymisieren. Kenne ich bspw. den Studienort oder Ausbildungsberuf meiner einstigen Klassenkameradin, kann ich ihre weiteren Bildungsweg bis zum letzten Volkshochschulkurs nachvollziehen. Ein paar Informationen aus einem XING-/LinkedIn-Profil dürften für eine Deanonymisierung genügen.

    Das Problem was wir in Deutschland haben ist jedoch noch viel grundsätzlicher als hier in dem Beitrag beschrieben. Forschenden an den meisten Hochschulen mangelt es an einem Forschungsdatenmanagement und Möglichkeiten, die erhobenen Daten abzulegen, zu teilen und auf Dauer zu archivieren. Arbeit mit Forschungsdaten ist, als wenn man sich am Meer eine Sandburg baut, die mit der nächsten Welle wieder weggespült wird.