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Die Erben von Königstein

Der Königsteiner Schlüssel soll beim Verteilen von Geld zwischen den Bundesländern Streit vermeiden. Dass darunter ausgerechnet die Jüngsten und ihre Bildungschancen leiden müssen, gehört schleunigst reformiert.

Die Burgruine Königstein, die der Stadt im Hochtaunus ihren Namen gab – und dem Schlüssel, der auch mal eine Grundsanierung bräuchte. Foto: Johannes Robalotoff, CC BY-SA 3.0.

WAS HAT DAS Königsteiner Staatsabkommen von 1949 "über die Finanzierung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen" mit der Verteilung von Schul-Laptops in der Coronakrise 2021 zu tun? Die Antwort: Alles. Und das ist das Problem. 

 

Kurz bevor die Westzonen sich zur Bundesrepublik vereinigten, mussten die anfangs elf Länder unter anderem die Finanzierung der Max-Planck-Gesellschaft untereinander aufteilen. Man einigte sich auf den Vorläufer dessen, was bis heute als "Königsteiner Schlüssel" die föderalen Finanzbeziehungen regelt: anhand des Steueraufkommens und der Bevölkerungsgröße. Im Grunde das elaborierte Modell einer Gießkanne, das auch bestimmt, wieviel Prozent jedes Land von einem Bundesprogramm abbekommt. 

 

In einem Staat, in dem Armut und Reichtum gleichmäßig verteilt sind, sicher die fairste Lösung. In Deutschland, wo der Anteil der Schüler, die von Sozialleistungen leben, etwa in Bremen mehrfach so hoch liegt wie in Bayern, weniger. Führt der Schlüssel doch dazu, dass Bremen pro armen Schüler 228 Euro für Laptops ausgeben konnte – und Bayern 910. Ausgerechnet hat das die GEW. 

 

Was bei dem 500-Millionen-Paket ein Ärgernis war, könnte sich beim geplanten "Startchancen"-Programm der Ampel als fatal erweisen. Über viele Jahre soll es laufen, viele Milliarden schwer sein und tausende Schulen unterstützen, auf die besonders viele benachteiligten Kindern gehen. Absurd, wenn wieder Königstein zum Zug käme. Deshalb fordern Bildungsexperten, Gewerkschaften und das BMBF ein Abweichen vom Schlüssel. Doch welchen Anreiz hätten Bayern, Baden-Württemberg und andere reiche Länder, von der Formel abzuweichen?

 

Falls gesamtstaatliche Vernunft und Mitgefühl als Argumente nicht reichen sollten, hilft vielleicht die Ausweitung der Debatte. Der Widersinn des Schlüssels zeigt sich zunehmend auch bei anderen Themen, laut Spiegel etwa bei der Verteilung Geflüchteter (Hamburg sagt: Als Stadtstaat fehlen uns die Flächen) oder der Finanzierung von Geburtskliniken (Brandenburg sagt: Dünn besiedelte Regionen haben das Nachsehen).   

 

Föderalismus braucht klare Strukturen. Er braucht aber auch Flexibilität, und er muss zielgenau sein. Vor allem, wenn es um die Jüngsten geht. 

 

Dieser Kommentar erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen " im Tagesspiegel.


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