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Startchancen-Finanzierung: Stark-Watzinger macht Druck auf die Länder

Sie wolle die zusätzliche Bildungsmilliarde zur "Startchancen-Milliarde" machen, sagt die Ministerin – aber nur, wenn die Länder auch eine Milliarde drauflegen.

Foto: BMBF/Hans-Joachim Rickel.

BETTINA STARK-WATZINGER (FDP) will die von Christian Lindner versprochene zusätzliche Bildungsmilliarde zur "Startchancen-Milliarde" machen. "Zielgerichtete Bildungspolitik heißt für uns: Weg von der Gießkanne, hin zu gezielten Ansätzen mit wissenschaftlicher Begleitung", sagt die Bundesbildungsministerin am Mittwoch vor dem Bundestag. "Die zusätzliche Bildungsmilliarde, die geben wir gerne in das Startchancen-Programm, und zwar Jahr für Jahr. Aber wir erwarten, dass sich die Länder in gleicher Weise finanziell beteiligen."


Der Poker um die Finanzierung des wichtigsten Bildungsprogramms der Ampelkoalition ist damit offiziell eröffnet. Bislang hatte Stark-Watzinger es stets abgelehnt, den genauen Betrag zu beziffern, den sie in die Verhandlungen mit den Ländern einbringen wird. Jetzt nennt sie also eine Milliarde pro Jahr – etwas weniger als die Hälfte der Summe, die in den Koalitionsverhandlungen intern für die "Startchancen" veranschlagt worden war. Und sie macht deutlich: Sie will als Gegenleistung, dass die Länder das Programm um eine weitere Milliarde auf den (nahezu) vollen Betrag aufstocken. Ein 50-50-Schlüssel bei der Finanzierung also.

 

Eine offiziell bekannte Position aus den Ländern gibt es zu der Forderung noch nicht. Im Hintergrund heißt es allerdings aus verschiedenen Kultusministerien, dass sich der Bund damit einen schlanken Fuß machen wolle. Die Ampel habe das "Startchancen"-Programm großzügig verkündet, jetzt folge – scheinbar nicht weniger großzügig – die Ankündigung einer "Bildungsmilliarde", die aber in Wirklichkeit einem Sparmodell gleichkomme.

 

Das Problem sei dabei nicht, dass die Länder nicht offiziell eine 50-Prozent-Gegenfinanzierung ausweisen könnten. Das Problem sei, dass die Landesfinanzminister das sicherlich nicht mit zusätzlichen Ausgaben tun würden, sondern mittels Umlabeln bereits im Bildungssystem steckender Gelder. Ergebnis: Am Ende werde, falls der Bund nicht mehr gebe, kaum mehr als eine echte Milliarde in den Schulen ankommen. Und Stark-Watzinger wisse das.

 

Die Ministerin beschwört weiter
den großen Bildungsaufbruch

 

Aus ihrem Ministerium heißt es, das BMBF poche auf die Zusätzlichkeit der Mittel. Und in ihrer Bundestagsrede zumindest beschwor Stark-Watzinger weiter den großen Bildungsaufbruch, die Erneuerung des "Aufstiegsversprechens": "Wir werden da investieren, wo die Herausforderungen am größten sind: an etwa 4 000 Schulen mit einem hohen Anteil an sozial Benachteiligten. Die Startchancen-Schulen sollen Modellcharakter haben, echte Impulse für moderne Bildung geben."

 

Derweil lässt ihre Aussage, die zusätzliche Bildungsmilliarde zur "Startchancen-Milliarde" zu machen, auch andere Fragen aufkommen. Im Ampel-Koalitionsvertrag waren viele bildungspolitische Versprechungen enthalten – unter anderem die Verlängerung des Kern-Digitalpakts, der bislang 2024 ausläuft. Selbst wenn es nur bei dessen bisherigen Höhe bliebe, wäre für die Fortsetzung eine weitere Milliarde über die bisherige mittelfristige Finanzplanung hinaus nötig.

 

Hat Lindner die schon innerlich eingeplant? Oder erwartet er, dass Stark-Watzinger sich entscheidet, wofür sie die eine zusätzliche Bildungsmilliarde ausgibt? Was hieße dann ihr Bekenntnis zur "Startchancen-Milliarde" für das Digitalprogramm? Ganz zu schweigen von dem Umstand, dass der Pakt – so zumindest die interne Verabredung von SPD, Grünen und FDP in den Koalitionsverhandlungen, eigentlich sogar aufgestockt werden sollte auf zwei Milliarden Euro pro Jahr. Hat sich das dann in jedem Fall erledigt? Oder läuft es daran hinaus, dass die Länder auch hier künftig statt zehn Prozent (übrigens meist kein frisches Geld) 50 Prozent bezahlen sollen? 

 

So oder so herrscht nicht nur in vielen Ländern der Eindruck, dass Lindner mit seinem Versprechen einer zusätzlichen Bildungsmilliarde pro Jahr im Grunde das endgültige finanzpolitische Ende der hochfliegenden Ampel-Bildungsambitionen eingeläutet hat. Auch Stark-Watzingers Bundestagsrede kann man so deuten, dass ihr das selbst nur zu bewusst ist. "Gerade jetzt", sagte sie, "in schwieriger Haushaltslage, in der alle Ausgaben geprüft werden, alle vielleicht auch sparen müssen, dauerhaft eine zusätzliche Milliarde Euro, zeigt unsere Priorität in der Koalition." Wenn die Ministerin "alle" sagt, nimmt sie das BMBF offensichtlich nicht aus.

 

Unterdessen sagte ihr Sprecher auf Anfrage, Stark-Watzinger plane weiter mit einem Beginn des "Startchancen-"Programms 2024. Wenn die SPD fordere, bereit 2023 loszulegen, sei das "unrealistisch", denn die Mittel seien dieses Jahr gar nicht im Bundeshaushalt vorgesehen und Bund und Länder würden noch über die genaue Ausgestaltung des Programms verhandeln. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte in einem Beschlusspapier den schrittweisen Start bereits zum Schuljahr 2023/24 gefordert und damit auf direkten Konfrontationskurs zum Koalitionspartner FDP gegangen. So wie zuvor schon SPD-Chefin persönlich. "Ich bin der Auffassung, wir müssen 2023 mit dem Startchancen-Programm beginnen, das ist auch realistisch, wenn wir zunächst mit den Grundschulen loslegen und später andere Schulformen hinzunehmen", sagte Saskia Esken im Dezember hier im Blog.


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