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Eine Taskforce, fünf Thesen und unendlich viel Ratlosigkeit

Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger lud am Dienstag zum Bildungsgipfel in Berlin. Es war eine Veranstaltung, bei der vieles deutlich wurde. Vor allem der gegenwärtige Zustand der bildungspolitischen Debatte. Eine Analyse.

Das war der Gipfel: Podiumsgespräch mit Bettina Stark-Watzinger. Foto: JMW.

MAN MUSS Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger dankbar sein für diesen Bildungsgipfel. 

 

Auch wenn der, worauf schon im Vorfeld viele Kommentatoren hinwiesen, gar keiner war, zumindest nicht im klassischen politischen Sinne. Es gab keine wochenlange konzeptionelle Vorbereitung der Spitzengespräche durch die Arbeitsebene, keine vorab verhandelten Beschlüsse und Communiqués. 

 

Stattdessen gab es ein zwischendurch ausgeteiltes Papier mit "fünf Thesen für eine neue Zusammenarbeit in der föderalen Bildungspolitik", das allerdings nicht in Zusammenarbeit entstanden war. Alleiniger Autor: das Ministerium von Bettina Stark-Watzinger. Und es gab die noch recht diffuse Ankündigung der FDP-Politikerin, dass der Start einer "Taskforce Team Bildung" bevorstehe, die eine neue Gesprächskultur ermöglichen könne abseits der üblichen "Arena der Verhandlungen". 

 

Womit Stark-Watzinger offenbar auch die sonst bei "Gipfeln" üblichen Spitzengespräche meinte, die es ebenfalls nicht gab an diesem Dienstag am Alexanderplatz in Berlin. Zumindest nicht, wenn man angesichts der Länderzuständigkeit für Bildung unter Spitzengesprächen die Anwesenheit eines Großteils der verantwortlichen Landes-Spitzenpolitiker verstanden hätte. Möglichst, wie 2008 beim Nationalen Bildungsgipfel in Dresden, der Ministerpräsidenten. Auf jeden Fall aber der Kultusminister. Von denen jedoch nur zwei von 16 der Einladung Stark-Watzingers gefolgt waren, unter anderem weil ihnen nach eigener Aussage besagte Vorbereitung gefehlt hatte. Kern des offiziellen Gipfelprogramms waren dann zwei öffentliche Paneldiskussionen.

 

Schmerzhafte
Gipfel-Stunden

 

Man muss Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger trotz oder gerade wegen all dem dankbar sein für diesen Bildungsgipfel. Nicht nur, weil schon dessen Ankündigung ein großes Medienecho und öffentliche Debatten über Bildungsgerechtigkeit ausgelöst hat. Sondern auch, weil sie durch die konkrete Ausgestaltung der Veranstaltung der gegenwärtigen Sprachlosigkeit zwischen Bund und Ländern und, noch viel grundsätzlicher, der bildungspolitischen Ideen- und Ratlosigkeit über alle Ebenen hinweg eine Bühne bereitet hat. In einer Deutlichkeit, die über weite Strecken dieser kurzen drei Gipfel-Stunden am Dienstagvormittag schmerzhaft zu spüren war. 

 

Da ist eine BMBF-Chefin, der durch den Ampel-Koalitionsvertrag enorme bildungspolitische Ambitionen vorgegeben wurden. Der nun aber nicht nur die bildungsföderalen Kompetenzen fehlen, sie einzulösen, sondern, spätestens seit dem Ukraine-Krieg, auch die Haushaltsmilliarden, um die daher nötige Zustimmung der Länder für den vielbeschworenen föderalen Neustart zu erkaufen.

 

Ob sich das demnächst ändern wird, nachdem SPD-Chefin Saskia Esken anlässlich des Bildungsgipfels ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bildung forderte, bleibt abzuwarten. Esken hatte damit ihr bereits vor fünf Wochen gemachtes Plädoyer mit einer konkreten Summe versehen, das bislang selbst in der SPD enttäuschend wenig Widerhall gefunden hat. Eine Reaktion von Kanzler Scholz ist ebenfalls nicht überliefert.

 

Hinzu kommt das noch viel größere Problem Stark-Watzingers, dass sie mit den meisten Kultusministern bislang keine gemeinsame Gesprächsebene gefunden hat. So appelliert sie zwar ständig, auch auf dem Bildungsgipfel, an alle bildungspolitischen Akteure, das Mit-dem-Finger-Aufeinander-Zeigen zu lassen, weil davon, wie sie sagt, noch kein Kind klüger geworden sei. Doch hat sie selbst in den vergangenen Monaten in zahllosen Zeitungsinterviews vor allem solche Probleme in den Schulen (schlechte Schülerleistungen, Lehrkräftemangel etc.) beklagt, für deren Lösung sie gar nicht zuständig ist. Umgekehrt hat sie den Ländern aber bis heute kein konkretes Angebot über die Ausgestaltung und den Umfang etwa des im Koalitionsvertrag versprochenen Startchancen-Programms auf den Tisch gelegt.

 

Genau diese Kombination von beidem ist vielen ihrer Kollegen in den Ländern wiederholt und sauer aufgestoßen. Wer also nach Gründen sucht, warum die meisten Kultusminister einer Veranstaltung ferngeblieben sind, auf der sich laut Ampel- Koalitionsvertrag "Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über neue Formen der Zusammenarbeit und gemeinsame ambitionierte Bildungsziele verständigen" sollten, findet auch hier die Antwort. 

 

Die Forderung
der 50 Stiftungen

 

Vor diesem Hintergrund wirkt die ohne Konkretisierung  beim Gipfel angekündigte "Taskforce Team Bildung" plötzlich vor allem wie ein Zeichen der Hilflosigkeit, genau wie Stark-Watzingers Entgegnung auf die Forderung von 50 Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften nach einem echten nationalen Bildungsgipfel unter Einbeziehung der Regierungschefs: "Bei allem Respekt" vor Kanzler und Ministerpräsidenten, sagte sie vor dem Gipfel-Publikum: "Die Arbeit müssen wir bringen" – wobei sie mit dem "wir" neben sich selbst offenbar die anwesenden Akteure in den Schulen meinte, außerdem die Schulträger, die Kultusminister. Was sollte sie aber auch sagen, wenn doch ein nationaler Bildungsgipfel offenbar nie zur Debatte stand? 

 

Da sind aber auch Kultusminister, die bei dem BMBF-Gipfel nicht nur ganz überwiegend durch Abwesenheit glänzten, sondern sich viel zu oft untereinander nicht zusammenraufen können. Die, sobald beide nicht identisch sind, immer noch bei zu vielen Gelegenheiten die Interessen ihres Bundeslandes vor die Interessen des Gesamtstaates stellen. Aktuell zu beobachten beim länderinternen Verteilungsstreit um die erhofften "Startchancen"-Bundesgelder, die eigentlich dorthin fließen müssten, wo die Bildungsnot am größten ist. Doch pochen drei Länder, die dann weniger bekommen würden, trotzdem auf die übliche Gießkannen-Verteilung. Dem Ansehen der föderalen Bildungspolitik schaden solche Egoismen immens, doch sind die Anreize, für das eigene Bundesland möglichst viel herauszuholen, eben anders gesetzt.

 

Stark-Watzinger kann solch ein Verhalten der Länder mit allem Recht beklagen, doch ändern wird sie es nicht mit noch so vielen Appellen für einen neuen Geist der Zusammenarbeit – und auch nicht die tiefgreifenden Reformen im Bildungssystem erreichen, die etwa die 50 Stiftungen und Verbände anmahnten. Dass man deshalb an eine Neuordnung des Bildungsföderalismus nicht zu viele Gedanken verschwenden sollte, machte zum Beispiel der Bildungsforscher Kai Maaz während des Gipfels überzeugend deutlich. Ohne die Länder und deren Konsens untereinander geht nichts und wird nichts gehen.

 

Da sind auch die Kommunen, die Städte, Gemeinden und Landkreise als Schulträger, die sich mehr und zudem eine direkte Kooperation mit dem Bund wünschen, wie auch der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Ralph Spiegler, in Berlin betonte. Nur dass die Länder stets eifersüchtig darüber wachen, dass davon möglichst wenig zustande kommt und sie als Scharnier dazwischen bleiben. Allerdings schienen auch die Erwartungen der Kommunen an den BMBF-Gipfel nicht allzu hoch zu sein, hatten doch zwei von drei kommunalen Spitzenverbänden offenbar kurzfristig ihre Podiumsbeteiligung abgesagt.

 

Die einzig denkbare Reformperspektive
für den Bildungsföderalismus

 

Soweit wurde insgesamt an so vielen Stellen beim vom Bundesbildungsministerium ausgerichteten Gipfel, der kein Gipfel war, deutlich: Die einzig denkbare Reformperspektive für den Bildungsföderalismus liegt in einer Reform der Zusammenarbeit der Länder untereinander, und für die ist nicht das BMBF zuständig und auch nicht eine von ihm eingesetzte "Taskforce".

 

Mit dieser hakt Stark-Watzinger zwar eine weitere Vorgabe des Koalitionsvertrages, die Einrichtung einer "Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen", ab. Doch bei aller Betonung und Sinnhaftigkeit partizipativer Formate, bei aller Notwendigkeit neuer Arenen für die Besprechung von Ideen, Arbeitspaketen und Konzepten für eine veränderte Kultur der Zusammenarbeit im Bildungsföderalismus: Die Taskforce, auf die es wirklich ankommt, gibt es längst. Es ist die Strukturkommission "Weiterentwicklung der Kultusministerkonferenz und des Sekretariats der Kultusministerkonferenz", die den fast unlösbaren Auftrag hat, eine grundsätzliche Reform der KMK zu organisieren. 

 

Mit einem neuen, strategischeren Selbstverständnis, mit der Ermöglichung von Mehrheitsentscheidungen jenseits von Länderegoismen, und dem Umbau des KMK-Sekretariats zu einem Ort, an dem Daten, Expertisen und Statistiken zum Bildungssystem gesammelt, aufbereitet und analysiert werden.  

 

Klingt unwahrscheinlich? Mag sein – ist aber noch vergleichsweise realistisch im Vergleich zu der Hoffnung, dass angesichts der herrschenden Atmosphäre zwischen BMBF und vielen (nicht allen) Kultusministern der BMBF-Bildungsgipfel jetzt die bildungsföderale Wende einläutet. Im Vergleich zu dem Sammelsurium der am Dienstag in Berlin geäußerten Appelle und Lagebeurteilungen (häufig gehörter Dauerbrenner: "Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem") wirkt die Reform der KMK unter den geltenden Verfassungsrealitäten noch wie eine vergleichsweise unkomplexe Lösung.

 

Nicht so viel reden,
dafür mehr tun

 

Insofern hatte Hessens Kultusminister Alexander Lorz, der die CDU-Bildungspolitik der Länder koordiniert und der wegen seiner Abwesenheit auf dem Gipfel von Moderator Armin Himmelrath als "Elefant im Raum" bezeichnet wurde, Recht mit seinem vorab geäußerten Statement: "Der Bildungsgipfel findet am Donnerstag statt – dann trifft sich die KMK."

 

Nur dass sich die KMK vorwerfen lassen muss, trotz all der Bildungsgipfel der Vergangenheit und Gegenwart, die sie abgehalten hat, bislang keine kohärente gesamtstaatliche Bildungspolitik abgeliefert zu haben. 

 

Weshalb auch Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe, Lorz‘ Gegenpart als Koordinator der SPD-Bildungspolitik in den Ländern, Recht hat. Er war im Gegensatz zu Lorz gekommen zum Bildungsgipfel in Berlin, er saß auf dem Podium. Doch anstatt über neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund, Länder und Kommunen wollte er vor allem über das reden, was jede Ebene auch ohne tun könne. "Jeder hat an seinem Platz genug Möglichkeiten, um voranzukommen."

 

Dass das stimmt, bekommt Rabe übrigens selbst seit Jahren von Bildungsforschern bescheinigt. Hamburg gilt als Vorbild einer datengesteuerten Bildungspolitik, die dort am meisten unterstützt, wo die Bedürfnisse am größten sind. Weder der Bund noch die KMK haben dabei wirklich geholfen.  


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Kommentare: 2
  • #1

    Klaus Diepold (Dienstag, 14 März 2023 17:15)

    das klingt eigentlich nach einer kompletten Nullnummer. Zudem gibt es auch wenig Anzeichen für eine echte Verbesserung der Lage auf politischer Ebene.

    Wenn wir das mit der Verbesserung/Reform in der Bildung in Deutschland nicht auf den Weg bringen, dann kann sich das BMBF und angeschlossene Häuser (Länder) alle Bemühungen um eine verbesserte Innovationskultur auch gleich an die Backe kleben.

  • #2

    Monika Slama (Dienstag, 14 März 2023 20:51)

    Bildung beginnt schon in der Kita! Das wird immer wieder vergessen! Wir bereiten die Kinder auf den Schulstart vor! Dafür brauchen wir Fachkräfte. Die bekommen wir nur, wenn sich die Wertschätzung innerhalb der Gesellschaft und die Arbeitsbedingungen verbessern! Es ist bereits 5 nach 12!