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Ein Gesetz, drei Vorschläge

Das BMBF hat seine WissZeitVG-Eckpunkte "zurück in die Montagehalle" geholt. Ein öffentliches Gespräch mit Hochschulrektoren, Wissenschaftsorganisationen, Verbänden und Initiativen soll am Donnerstag den Durchbruch bringen. Drei Vorschläge, wie das gelingen könnte.

Michael Schulz ist Direktor des MARUM an der Universität Bremen, Georg Jongmanns hat das WissZeitVG evaluiert, Simon Pschorr ist Jurist und Experte für das Arbeitsrecht des akademischen Mittelbaus (von links). Fotos: privat.

BUNDESFORSCHUNGSMINISTERIN Bettina Stark-Watzinger (FDP) versucht, die Erwartungen zu dämpfen. Der Bund könne mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) zwar die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingen schaffen, man könne damit aber nicht alles regeln, sagte sie im Deutschlandfunk. Wichtiger seien generell mehr Arbeitsplätze ohne zeitliche Befristungen.

 

Kurz vorher hatten Gewerkschaften, Beschäftigeninitiativen und Professor:innen vor dem BMBF demonstriert. Es war das erste Mal, dass Stark-Watzinger sich öffentlich in die WissZeitVG-Debatte einschaltete, nachdem sie am vorgegangenen Freitag den vermeintlichen Durchbruch bei den Ampel-Eckpunkten zur geplanten Reform verkündet hatte. Danach war sie zu ihrer Taiwan-Reise aufgebrochen. Als die Pläne in einen Proteststurm gerieten und tausende Professoren sich per offenem Brief mit "#IchbinHanna" solidarisierten, waren es dann Stark-Watzingers Staatssekretäre gewesen, die auf Twitter das Zurückrudern übernahmen

 

Diesen Donnerstag hat das BMBF nun zwischen 10 und 12 Uhr vormittags zu einem weiteren Gespräch über das Gesetz eingeladen, im Gegensatz zu all vorher absolvierten "Stakeholder-"Dialogen wird es gestreamt. Damit keiner auf die Idee kommt, die Eckpunkte sollten noch einmal als Ganzes aufgeschnürt werden, heißt es in dem vom parlamentarischen Staatssekretär Jens Brandenburg (FDP) unterschriebenen Einladungsbrief,  es solle "noch einmal" die Fragestellung "einer den vielgestaltigen Anforderungen an die Postdoc- Phase angemessenen Höchstbefristungsdauer" erörtert werden. Wobei mitschwingt: nur diese.

 

Dabei wissen sie auch im BMBF, dass die Ampel selbst es war, die durch ihren Koalitionsvertrag die Erwartungen an die WissZeitVG-Novelle steil in die Höhe geschraubt hat – indem sie die Versprechen von "verlässlichen Arbeitsbedingungen", von "Planbarkeit und Verbindlichkeit" und "Dauerstellen für Daueraufgaben" allesamt in einem Absatz mit der Gesetzesform gepackt hat.

 

Sie wissen auch im Haus von Stark-Watzinger, dass bei dieser Reform deshalb alles mit allem zusammenhängt und dass die Bandbreite der daraus resultierenden Forderungen fast unmöglich in einen für alle oder die meisten tragbaren Kompromiss verengt werden kann. Allein in den vergangenen zehn Tagen haben Fächer, Initiativen, Verbände und Gewerkschaften und Wissenschaftsorganisationen mit unzähligen Tweets, Stellungnahmen und Positionspapieren genau dies verdeutlicht, so dass die Frage erlaubt sein muss, welche strategischen Erwägungen das BMBF erwogen hat, bei allen Proteststürmen das Heil in einer weiteren Dialogrunde zu suchen.

 

Auf den zweiten Blick allerdings – und das überrascht – liegen die tatsächlichen Positionen vielleicht doch nicht unvereinbar weit auseinander wie die am lautesten geäußerten. Zeichnet sich womöglich Linien ab, an dem sich alle Beteiligten treffen könnten? Könnte am Ende eine Kompromisskombination stehen aus einer neu gefassten, gestuften Postdoc-Befristungsregel, ansonsten nur leicht modifizierten BMBF-Eckpunkten – und der Verabredung, sich unter Einbeziehung der Länder (und womöglich moderiert vom Wissenschaftsrat) an die grundsätzliche Neugestaltung der Karrierepfade und ihrer Finanzierung zu machen?

 

Drei Gastautoren – der Direktor eines Forschungszentrums, ein Experte für Arbeitsrecht und ein Wissenschaftsforscher – wollen mit ihren Gastbeiträgen hier im Blog Wege aufzeigen, wie es gehen könnte. Unabhängig voneinander, und doch ergeben die drei Kommentare Fingerzeige für ein mögliches Gesamtbild.









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Kommentare: 5
  • #1

    GN (Dienstag, 28 März 2023 12:12)

    Wie sollte der Wissenschafstrat moderieren können, wenn Bund und Länder selbst Teil des Wissenschafstrates sind. Ein solcher (ggf. notwendiger) Prozess müsste anders und ggf. an völlig neuer Stelle aufgesetzt werden.

  • #2

    hmm (Dienstag, 28 März 2023 12:49)

    In der heutigen FAZ hat Marietta Auer, Direktor am MPI für Rechtsgeschichte u Rechtstheorie, Frankfurt, einen Artikel zum Thema veröffentlicht. Das ist der einzige sinnvolle Beitrag zum Problem, den ich bislang gesehen habe. Verkürzt gesagt, lautet ihre Botschaft:

    Abschaffung der Höchstbefristungsregelungen. Stattdessen: Mindestbefristungsregelungen.

    Genau das würde das Problem weitestgehend lösen. Wer das Risiko eingehen will (und es ist gut, dass das ein Risiko ist), in der Wissenschaft zu bleiben, kann das ad ultimo auf befristeten Stellen tun - solange er gut genug ist, eine solche Stelle zu bekommen oder eine Professur - und die Mindestbefristungsdauer (etwa von einigen Jahren) sichert materielle Erträglichkeit. Wer diese Art Risiko nicht haben möchte, geht eben raus aus dem System. Das erhält den unbedingt nötigen Wettbewerb um Stellen, verstopft nichts für nachfolgende Generationen und beendet die unerträgliche staatliche Bevormundung durch das WissZeitVG, die einer Art Berufsverbot gleichkommt.

  • #3

    DW (Dienstag, 28 März 2023 18:35)

    Hallo Herr Wiarda,
    warum kommen hier nur Maenner zur Wort als Gastautoren? Das reflektiert mal wieder, wo grosse Probleme in der Wissenschaft sind. Minderheiten, Frauen, PoC, usw. werden gar nicht gefragt. Immer, wenn es etwas zu entscheiden gilt, tauchen Maenner auf oder besetzen solche Stellen.

  • #4

    DW (Dienstag, 28 März 2023 19:46)

    Sehr schade, keine der drei kümmert sich um Diversitaet, Intersektionalitaet. So wird das nichts.

  • #5

    SG (Mittwoch, 29 März 2023 11:45)

    Antwort auf #2:

    Nein der Vorschlag ist der einzig sinnvolle. Der Aspekt der Abschaffung Maximalbefristung u Schaffung von Mindestvertragslaufzeiten mit daran gekoppelten "Zielen" ist sicher diskussionswürdig.

    Aber auch ihr Vorschlag zielt am Ende wieder nur darauf, "Prof als einzige Option einer unbefristeten Stelle" und verkennt die Realitäten, daß auch unterhalb der Professur unbefristetet Stellen notwendig sind.

    U in der bisherigen Diskussion wird ein besonderes Problem an Unimedizinen massiv übersehen, dort machen 80-90% der Forschungstätigkeit im "Epi" und "Wetlab" Bereich mittlerweile Nicht-Mediziner, sprich meist Naturwissenschaftler. Für die gibt es die Option "Professur als unbefristete" Option einfach nicht, weil die meisten maximal Senior Staff Researcher werden könnten, manchmal AG Leiter, weil in der Regel sind schon die AG-Leiter aber Profs zu 100% Mediziner. Grade dort braucht es unbefristete Optionen und Perspektiver UNTERHALB der Professur.