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Forschungsstark und oberbürokratisch

Wie von der Humboldt-Stiftung geförderte Gastwissenschaftler Deutschland erleben.

DIE HUMBOLDT-STIFTUNG hat das Feedback von über 1800 ihrer internationalen Stipendiaten ausgewertet, die zwischen 2018 und 2012 an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen gelehrt und geforscht haben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Einerseits.

 

Die Qualität der Forschung in Deutschland schätzten die Befragten im Schnitt als extrem hoch ein (8,3 auf einer Skala von null bis zehn), ähnlich gute Noten gab es für Finanzierungsmöglichkeiten von Projekten, für Internationalität und – interessanterweise – für die Kinderbetreuung hierzulande.

 

Wobei der Blick auf die Herkunft der Befragten zeigt, wie stark ihre Bewertungen vom Vergleich mit ihrem Heimatland abhängen. So sehen US-Forschende die beruflichen Perspektiven in Deutschlands Wissenschaftssystem mit 5,1 am schlechtesten, die Kinderbetreuungsangebote und die Arbeitszeiten aber stuften sie als sehr positiv ein. Während es aus Westeuropa auch deutliche Kritik am Mangel an Kitaplätzen in Deutschland gab. 

 

Sonstige Assoziationen mit Deutschland: sehr wissenschaftsfreundlich (4,2 im Durchschnitt auf einer Skala von -5 bis +5), demokratisch (3,8), geschlechtergleichberechtigt (3,2). Auch ziemlich gastfreundlich (2,8) und tolerant (2,7). Schon deutlich weniger humorvoll (1,2) und offen (0,8).

 

Die Bewertungen zur Fortschrittlichkeit und Gastfreundlichkeit in der Bundesrepublik (beide 2,8) waren noch immer relativ hoch – aber niedriger als 2019. Sechs Prozent der (zusätzlich zu den Skalen-Bewertungen) über 1.550 Freitext-Antworten beschäftigten sich derweil mit Erfahrungen von Diskriminierung und Rassismus, laut Stiftung ähnlich viele beim letzten Mal. 

 

Das große Andererseits der Ergebnisse ist aber die deutliche Klage der Befragten über die deutsche Bürokratie. Auf einer Skala von -5 bis +5 gab es hier den einzigen Negativwert: -1,3. Noch einmal deutlich schlechter als bei der letzten Auswertung 2019. "Unexpectedly high" and "often very stressful", lautet der Kommentar eines US-Forschers über seine Erfahrung mit der deutschen Verwaltung – wobei nicht die Stiftung selbst Gegenstand der Klagen war. "Ein Eldorado der Forschung ­ – und der Bürokratie", schrieb die Humboldt-Stiftung denn auch passend als Titel über ihren Ergebnisbericht.

 

Das Erstaunliche daran: dass die Gastwissenschaftler vom Ausufern der Bürokratie in Deutschland tatsächlich noch überrascht waren. Doch wird sie sich – leider – herumsprechen. 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in meinem kostenfreien Newsletter.


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Kommentare: 3
  • #1

    Kaj Schumann (Donnerstag, 25 Mai 2023 12:50)

    Interessanter wäre es zu wissen, woran sich die Gäste bei der deutschen Bürokratie stören oder zumindest reiben. Nur dann kann man/frau auch an der Besserung ansetzen, als dies hier nur pauschal festzustellen.

    Ich kenne auch diverse verbesserungswürdige Vorgänge, daher interessieren mich die Ansichten der Externen.

  • #2

    Django (Freitag, 26 Mai 2023 08:17)

    Nicht humorvoll? Das ist nicht lustig! (OK, lassen wir das.)
    Was mich wirklich interessieren würde: Ein internationaler Vergleich. Nicht zuletzt bei der Bürokratie. Wie ist das denn z.B. in Frankreich oder Japan?

  • #3

    Beyeler (Dienstag, 30 Mai 2023 15:30)

    Mich würde auch ein Vergleich bei der Bürokratie interessieren. Ich habe die amerikanische Bürokratie(!) auch als stressig empfunden. Profunder Unterschied zu hier: Es gab an der Uni ein Office mit gezielter Unterstützung...