Die Länder setzen BMBF-Chefin Stark-Watzinger in den Digitalpakt-Verhandlungen erneut eine Frist. Innerhalb von einer Woche soll sie konkret sagen, wie sie den alten Digitalpakt zu Ende und den neuen Digitalpakt ausreichend anfinanzieren will. Aber was passiert, wenn die Ministerin sich weigert?
AM DONNERSTAGABEND hatte KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot (SPD) mit Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gesprochen, doch offenbar hat auch der direkte Austausch der beiden in Sachen Digitalpakt-Finanzierung immer noch nicht die erwünschte Aufklärung gebracht. Darum versucht Clivot es nun im Namen aller Bundesländer per Brief, mit Fragenkatalog und Fristsetzung.
Sie wende sich "mit großer Sorge um die Zukunft der digitalen Bildung in unserem Land" an Stark-Watzinger, schreibt Streichert-Clivot in ihrem am Montag per E-Mail versandten Brief. "Leider ist aktuell nicht erkennbar, dass der DigitalPakt 2.0 im vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf des Bundeshaushalts 2025 berücksichtigt und finanzielle Mittel hinterlegt worden sind. Dies hat auf Länderseite zu sehr großen Irritationen geführt – auch aufgrund dessen, dass Sie, Frau Bundesministerin, stets betont hatten und es auch weiterhin tun, dass der DigitalPakt 2.0 kommen müsse."
Insbesondere für die Schulträger sei die Herstellung der notwendigen Planungssicherheit von größter Bedeutung, auch sie warteten auf ein klares Signal, wie und wann ein DigitalPakt 2.0 komme. Es sei daher höchste Zeit, dass das BMBF schnell und deutlich erkläre, ob und welche Gelder für den DigitalPakt 2.0 im Haushalt 2025 vorgesehen seien. "Sollte das BMBF keine Mittel dafür eingestellt haben, wäre dies angesichts Ihrer Zusagen, Frau Bundesministerin, sowie der mittlerweile sehr lange andauernden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, mehr als unverständlich."
Den Streichert-Clivots Brief beigefügten Katalog mit zwölf Fragen "zur Abfinanzierung des DigitalPakts Schule 2019-2024 sowie zur Berücksichtigung des DigitalPakts 2.0 im Entwurf des Bundeshaushalts 2025" wollen die Länder innerhalb einer Woche, "bis spätestens zum 29. Juli 2024", beantwortet haben. Denn: "Die rechtzeitige Rückmeldung Ihres Hauses zu den für uns drängenden Finanzfragen ist zentrale Grundlage für die geplante Klausurtagung der Fach-AG am 1. und 2. August 2024."
Die sogenannte Fach-AG bereitet auf Ebene von Ministerialbeamten die Ausgestaltung der Vereinbarungen zum Digitalpakt 2.0. vor.
Welchen Hebel haben die Länder wirklich?
Einen Verhandlungsabbruch? Wohl kaum
Die KMK-Präsidentin ergänzt die Deadline der Länder mit einer Warnung: Sollten die Kultusminister bis zur Klausurtagung "keine zufriedenstellenden Antworten erhalten, werden wir uns eine kurzfristige Einberufung einer digitalen Sondersitzung der Kultusministerkonferenz vorbehalten."
Welche Konsequenzen die Länder dort beraten würden, lässt Streichert-Clivot offen. Was ihre Fristsetzung ein wenig unentschlossen wirken lässt, denn welchen Hebel haben die Länder wirklich? Einen Verhandlungsabbruch? Wohl kaum. Sie sind es doch, die den Digitalpakt unbedingt wollen – und bezweifeln zugleich an Stark-Watzingers Ernsthaftigkeit. Klar ist lediglich: Versagt die Ministerin den Ländern die konkrete Beantwortung ihrer Fragen, wäre dies ein weiterer Tiefpunkt in den aktuell ohnehin miesen KMK-BMBF-Beziehungen.
Der Fragenkatalog selbst ist wenig überraschend, haben doch die Kultusminister die meisten Fragen längst öffentlich gestellt – und eben bislang keine Antwort bekommen.
Ein paar Beispiele: Sind die 1,617 Milliarden Euro, die im Haushaltsentwurf 2025 als Bundesunterstützung für die digitale Infrastruktur in den Schulen vorgesehen sind, der einzige Haushaltstitel für Digitalpakt 1.0 und Digitalpakt 2.0? Was ist mit der ausschließlich für diesen Haushaltstitel vorgesehenen globalen Minderausgabe in Höhe von 163,5 Millionen Euro, reduziert diese die vorhandenen Digitalpakt-Mittel? Falls Digitalpakt 1.0 und 2.0 nächstes Jahr tatsächlich aus ein und demselben Betrag finanziert werden sollen, wieviel ist davon für welchen Pakt gedacht? Warum sind keinerlei sogenannte Verpflichtungsermächtigungen für die Jahre von 2026 an vorgesehen, was für die Planung weiterer Ausgaben nötig wäre?
Und schließlich die entscheidende Frage: Falls nicht alle nötigen Beträge zur Finanzierung des Digitalpakts 2.0 im Bundeshaushalt abgebildet sein sollten, "wie will das BMBF eine Finanzierung des DPS 2.0 sicherstellen?"
Aus jedem Satz des KMK-Briefs und aus jeder Frage sprechen Misstrauen und Frust angesichts der BMBF-Kommunikation zum Digitalpakt. Ob das Schreiben hier tatsächlich einen neuen Impuls setzen kann? Oder dient es vor allem als ein öffentliches Signal nach dem Motto: Wir Länder wollen nichts unversucht lassen, um den Digitalpakt 2.0 zu retten?
Eine Stellungnahme aus dem BMBF zum Brief der Kultusminister lag zunächst nicht vor.
Das letzte Mal, als KMK-Präsidentin Streichert-Clivot BMBF-Chefin Stark-Watzinger eine Frist gesetzt hatte im Zuge der verkorksten Digitalpakt-Verhandlungen, hatte Stark-Watzinger zwar die Frist für eine Antwort eingehalten, war ansonsten aber zum Gegenangriff übergegangen. Immerhin kamen danach die Bund-Länder-Gespräche zwischenzeitlich wieder besser in Gang. Bis zum jüngsten Haushaltsstreit.
Nachtrag am 22. Juli, 20 Uhr
BMBF: Gesamtfinanzierung ist im Haushalt angelegt,
hängt aber wesentlich von den Ländern ab
Eine Sprecherin des BMBF teilte am Abend auf Anfrage mit, das Schreiben der KMK-Präsidentin sei eingegangen und werde selbstverständlich beantwortet. "Im Übrigen hat die Ministerin bereits mehrfach betont, dass der Digitalpakt 2.0 kommen muss." Notwendig sei ein Gesamtkonzept für digitale Bildung, das neben der technischen Ausstattung auch eine Stärkung der Lehrerbildung umfasse. Der Bund sei bereit, die Hälfte der Finanzierung "im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten" zu übernehmen. "Die Gesamtfinanzierung, die vonseiten des Bundes im Haushalt 2025 und den Folgejahren angelegt ist, hängt maßgeblich von der Bereitschaft der Länder ab, hierzu die Voraussetzungen zu schaffen und einen substantiellen finanziellen Beitrag zu leisten."
Allesamt Aussagen, die Stark-Watzinger und ihr Ministerium so oder ähnlich bereits viele Male gemacht haben, die laut Kultusminister aber keine ihrer Fragen beantwortet. Aber noch ist ja auch eine Woche Zeit.
In eigener Sache: Prekäre Blog-Finanzierung
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Manfred Ronzheimer (Dienstag, 23 Juli 2024 07:02)
Zum Nachtrag um 20 Uhr: Genau die gleiche Sentenz hatte BMBF-Sprecherin Reiche am Freitag in der RegPK vorgelesen:
https://youtu.be/2AzSSaBWen8?si=BBUfo_0-gsVNZ-O3
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