Die frühere BMBF-Staatssekretärin Döring ist mit ihrem Unterlassungsantrag gegen das BMBF auch in der zweiten Instanz gescheitert. Das Gericht habe unmissverständlich mit Spekulationen und Unterstellungen aufgeräumt, kommentiert Ex-Ministerin Stark-Watzinger. Hat sich die Fördermittelaffäre erledigt?
Illustration: Mohamed Hassan / Pixabay.
DER BESCHLUSS des Oberverwaltungsgerichts Münster ist in einem Basta-Ton gehalten, der unabhängig von seinem Inhalt überrascht. Dazu später mehr. Inhaltlich hat die Entscheidung in der Wissenschaftcommunity längst die Runde gemacht: Die frühere BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring ist mit ihrem Antrag auf Unterlassung bestimmter Aussagen ihrer früheren Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auch in zweiter Instanz gescheitert.
"Das Gericht hat uns vollumfänglich Recht gegeben", kommentiert Stark-Watzinger den Beschluss auf Anfrage. "Es ist gut, dass nun eine finale Klärung vorliegt. Das Gericht räumt unmissverständlich mit vielen Spekulationen und Unterstellungen auf, die in den letzten Monaten verbreitet wurden. Spätestens jetzt sollten alle zur Sacharbeit zurückkehren."
Die entscheidende Frage, die das Oberverwaltungsgericht zu beantworten hatte, lautete: Hat Stark-Watzinger nun – oder hat sie nicht? Hat die Ministerin in der BMBF-Pressemitteilung, in der sie Mitte Juni Dörings Entlassung bekanntgab, fälschlicherweise behauptet, Döring habe am 13. Mai eine Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen erbeten? Und ist insofern die von Döring geforderte Unterlassung angemessen?
Das Argument mit dem
"unvoreingenommenen Durchschnittsempfänger"
Nein, befanden die Richter und bestätigten damit den Beschluss der Vorinstanz, des Verwaltungsgerichts Minden, gegen den Döring Beschwerde erhoben hatte: In der Pressemitteilung würden "keine unwahren Tatsachen behauptet". Maßgeblich für das Verständnis von entsprechenden Erklärungen sei nach der Rechtsprechung "ein unvoreingenommener und verständiger Durchschnittsempfänger".
Die Richter gaben sich überzeugt: "Ein solcher Empfänger der Presseerklärung kann diese angesichts des klaren Wortlauts der gerügten Passage und deren sprachlichen Kontextes nur dahin verstehen, dass von dem – in der Erklärung nicht benannten – Handelnden bei den Fachreferaten eine förderrechtliche Prüfung erbeten wurde, die auf einen missverständlich formulierten und daher inhaltlich unklaren Prüfauftrag der Antragstellerin zurückging."
Im weiteren Verlauf des Beschlusses bekamen die "Politiker und Journalisten" von den Oberverwaltungsrichtern eins mitgegeben. "Die von der Antragstellerin angeführten Kommentierungen des Vorgangs durch Politiker und Journalisten ändern, soweit sie überhaupt die Ansicht der Antragstellerin stützen, diese Bewertung nicht. Als nachträgliche Äußerungen können sie nämlich keine dem Durchschnittsempfänger erkennbaren Begleitumstände der Presseerklärung darstellen. Zudem sind sie interessegeleitet und ignorieren erkennbar die differenzierte Darstellung der Presseerklärung." Hier klingt er durch, der anfangs erwähnte Basta-Ton.
Keine Nachfragen
mehr nötig? Nun ja...
Und nein, laut Richtern hat es im Ministerium auch nicht schon drei Tage vor dem Prüfauftrag vom 13. Mai einen "anderweitig initiierten internen Rechercheauftrag gegeben", sondern es sei lediglich eine Namensliste der Unterzeichner erbeten worden. Laut Gericht aus – genau wie Stark-Watzinger behauptet hatte – reinen Pressearbeitsgründen. Schließlich sei auch erkennbar, dass Döring die BMBF-Mitarbeitermail, in der sie zwei Tage vor ihrer Entlassung die Verantwortung für den missverständlichen Prüfauftrag übernommen hatte, aus freien Stücken verfasst habe (siehe zur Argumentation der Richter auch den Kasten unten).
Also: Deckel drauf nach dem richterlichen Basta-Wort, keine Nachfragen mehr nötig, Medien, Wissenschaft und Opposition mögen schweigen, und wer trotzdem öffentlich zweifelt, ist "interessegeleitet"?
Nun, auch auf diese Gefahr hin, ein paar Fragen und Anmerkungen drängen, so scheint mir, immer noch. Die Entscheidende: Warum, wenn man der Sichtweise des Gerichts folgt, hat Stark-Watzinger denn Döring dann entlassen? Was würde der von den Richtern bemühte "Durchschnittsempfänger" dazu wohl sagen?
Vermutlich doch genau dieses: Angesichts des öffentlichen Drucks, der sich Mitte Juni aufgebaut hatte, musste die Entlassung Dörings wie das Signal erscheinen: Die Verantwortliche bekommt die Konsequenzen ihres Handelns zu spüren. Und Ihr, liebe Wissenschaftler, Journalisten und Oppositionspolitiker, könnt jetzt wieder zur Ruhe kommen. Ich, die Ministerin, räume hier jetzt auf.
Dieser Eindruck entsteht umso stärker, weil Stark-Watzinger in der Pressemitteilung den Satz ergänzte, sie sei im Prozess der Aufarbeitung "zu der Überzeugung gelangt", "dass ein personeller Neuanfang nötig ist".
Erstaunlich, dass die Richter der Meinung sind, eine solche Sichtweise sei nur möglich, wenn man nicht "unvoreingenommen" sei.
Was war denn das nun
mit der Listenerstellung?
Die nächste Frage: Was war denn das dann mit der Listenerstellung drei Tage vor dem missverständlichen Prüfauftrag? Ist es für einen auch nur durchschnittlich mit den Gepflogenheiten der ministeriellen Pressearbeit Vertrauten wirklich plausibel, dass eine Liste der Unterzeichner des Offenen Briefs angefertigt wurde, "um in der anstehenden Pressekonferenz 'sprechfähig' zu sein"? In welchem denkbaren Szenario würde denn ein Ministerium die Frage nach konkreten Namen von Fördergeldempfängern nicht mit dem Hinweis auf Datenschutz abweisen? Diese Antwort bekommt mitunter schon, wer nur wissen will, ob ein bestimmter BMBF-Beamter innerhalb des Ministeriums den Posten wechselt. Beschlich die Richter an der Stelle ihrer Argumentation wirklich kein ungutes Gefühl?
Fest steht: Viele der mehr als 3000 Unterzeichner des Offenen Briefs sahen sich, als sie von der Liste erfuhren, in ihren Rechten verletzt und ihre Wissenschaftsfreiheit unter Druck. Und beim Projektträger DLR, der die Namen liefern sollte, äußerten Mitarbeiter, wie in vom BMBF selbst veröffentlichten E-Mails belegt, selbst große Skrupel, als sie die Namen der Geförderten herausgeben sollten.
Und wie ist das wiederum mit dem größeren Zusammenhang der Debatte im Ministerium, sollte man die nicht auch im Blick haben bei der Bewertung der Namensliste? Inzwischen sind umfangreiche interne Wire-Chats bekannt geworden, in denen die BMBF-Hausleitung über den Offenen Brief diskutierte.
Am prominentesten war dabei wohl der Satz des damaligen Abteilungsleiters Roland Philippi: Wenn sich "eine Art informelle, ‚freiwillige‘ und selbst auferlegte Antisemitismus-Klausel für unsere Förderung bei so manchen, verwirrten Gestalten etabliert (bspw so einen Aufruf nun mal eben nicht zu unterzeichnen wg Sorge um die Förderung), hätte ich jetzt ad hoc nix dagegen…" Philippi, wie Stark-Watzinger aus der hessischen FDP stammend, wurde wenig später von der Ministerin zu Dörings Nachfolger befördert.
Noch eine Frage: Inwiefern war es tatsächlich freiwillig, wenn eine Staatssekretärin zwei Tage vor ihrer Entlassung, diese womöglich bereits vor der Nase, unter intensivem Nachfragen der Ministerin und anderer Spitzenbeamten einen E-Mail-Entwurf in ihrem Namen akzeptierte, entstanden unter tatkräftiger Mitwirkung eines Stark-Watzinger-Vertrauten, in dem von ihrer Verantwortung für das "Missverständnis" die Rede war?
Eine andere – faktische –
Art von Basta
Die Liste mit Fragen ließe sich fortsetzen, aber eigentlich ist das kaum nötig. Denn abgesehen von den Richtern, deren Tonalität in der Sache schwer erklärbar ist, sah sowohl Scholars at Risk die Fördermittelaffäre als so gravierend an, dass sie Eingang fand in den Jahresbericht des "Academic Freedom Monitoring Project". Und Stark-Watzingers Nachfolger, der neue BMBF-Chef Cem Özdemir (Grüne), erschienen die Vorgänge und die in der Wissenschaft enstandene Aufruhr ebenfalls so bedeutend, dass er erst diesen Dienstag die große Bühne des Jahrsempfangs der Leibniz-Gemeinschaft nutzte: für die Versicherung, dass Wissenschaft ohne Wissenschaftsfreiheit schlicht nicht denkbar sei, dass er um den entstandenen Vertrauensverlust wisse – und dass er eine "transparente und umfassende Aufklärung" vornehmen werden. Die, so seine Vorgängerin, doch längst erledigt ist.
Womöglich reichen also am Ende noch zwei Anmerkungen. Erstens: Nein, auch juristisch ist die Fördermittelaffäre nicht zu Ende. Die Online-Plattform "FragDenStaat" hat vor dem Verwaltungsgericht Köln auf die Herausgabe der Wire-Chat-Nachrichten zu den Vorgängen geklagt, und diese Entscheidung steht aus. Anfang Juli hatte "FragDenStaat" eine einstweilige Anordnung gegen das BMBF durchgesetzt. Das Ministerium müsse vorerst alle internen Kurznachrichten sichern, die im Zusammenhang mit der Affäre über den Messenger-Service "Wire" verschickt wurden. Auch das automatisierte Löschen der Nachrichten müsse zunächst deaktiviert werden. Bis endgültig entschieden ist, was damit passiert. Wann das sein wird? Unklar.
Zweitens und faktisch folgenreicher als jeder Gerichtsspruch: Stark-Watzinger ist nicht mehr Ministern, und obgleich sie sich wieder für den Bundestag bewirbt, ihre Karriere als Wissenschaftspolitikerin ist vorbei. So sind die Gepflogenheiten für eine Ex-Ressortchefin, an die sich hoffentlich auch die FDP-Politikerin halten wird.
Vor dem Hintergrund hat das öffentliche Interesse an der Beantwortung der offenen Fragen zur Fördermittelaffäre bereits deutlich nachgelassen. Zumal der FDP-Vorwurf an Özdemir, würde er drei Monate vor der Bundestagswahl tatsächlich eine Aufklärungsoffensive starten, absehbar wäre: Wahlkampfgetöse! Ein Lackmustest wird sein, ob er die Verschwiegenheitspflicht Dörings aufhebt, so dass sie aussagen kann. Was Stark-Watzinger immer abgelehnt hatte. Andernfalls ist es gut möglich, dass die oben genannten und weitere Fragen unbeantwortet bleiben. Eine andere Art von Basta.
Was in Stark-Watzingers Pressemitteilung stand
– und was die Richter dazu sagen
In der Pressemitteilung, in der das BMBF Mitte Juni an einem Sonntagabend um 22.50 Uhr die Entlassung Dörings bekanntgab, hatte sich Bettina Stark-Watzinger (FDP) erstmals selbst zu der damals seit wenigen Tagen schwelenden Fördermittelaffäre geäußert, die sich zunehmend zu einer politischen Bedrohung für sie zu entwickeln schien. Sie habe den Bundeskanzler darum gebeten, Döring in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, schrieb die Ministerin damals.
Die Geschichte, wie es zur Entlassung kam, erzählte die Ministerin im Folgenden so: Eine Gruppe von Hochschullehrern habe sich im Mai mit einem offenen Brief zu den Protestcamps an Hochschulen positioniert. Ein, so Stark-Watzinger, "legitimer Teil von Debatte und Meinungsfreiheit". Doch genauso selbstverständlich sei es, dem eine andere Meinung gegenüberzustellen. "Denn Meinungsfreiheit ist kein Recht auf Zustimmung."
Das mit dem Dagegenstellen einer anderen Meinung hatte die Ministerin damals selbst sehr schnell und sehr ausgiebig getan. "Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos", zitierte sie schon Mitte Mai die BILD. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost. Und die Ministerin fügte hinzu: "Dass es sich bei den Unterstützern um Lehrende handelt, ist eine neue Qualität." Denn gerade Professoren und Dozenten müssten "auf dem Boden des Grundgesetzes stehen".
Ihre Fassungslosigkeit betonte Stark-Watzinger auch in ihrem Statement zur Entlassung Dörings. Die Bemerkung in der BILD, mit der sie offensichtlich die Grundgesetztreue der Unterzeichner angezweifelt hatte, dagegen nicht. Stattdessen kam Stark-Watzinger auf die Frage zu sprechen, wie es am 13. Mai im Ministerium zu der internen Beauftragung einer Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen für die Unterzeichner des Briefs hatte kommen können, über die wenige Tage zuvor erstmals das NDR-Magazin Panorama berichtet und die Affäre damit ins Rollen gebracht hatte.
Stark-Watzinger wörtlich: "Am 11.06.2024 ist mir eine E-Mail aus der Fachebene meines Ministeriums zur Kenntnis gebracht worden, welche die Prüfung potentieller förderrechtlicher Konsequenzen für die Unterzeichner des besagten offenen Briefes zum Gegenstand hat."
Die Ministerin versicherte also, erstmals überhaupt fünf Tage vor Dörings Entlassung von dem diesbezüglichen Mailaustausch aus dem Mai erfahren zu haben – und damit sogar erst nach dem Panaroma-Beitrag, der sechs Tage zuvor gelaufen war. Zu der Frage, was sie darüber hinaus und möglicherweise vorher von anderen (Prüf-)Vorgängen im Zusammenhang mit dem Offenen Brief wusste, schrieb Stark-Watzinger nichts.
Sie habe veranlasst, "dass der Sachverhalt gründlich und transparent aufgearbeitet wird". Fest stehe, "dass eine Prüfung potentieller förderrechtlicher Konsequenzen
bei den zuständigen Fachreferaten in der Tat erbeten wurde".
Es folgt die für Dörings Unterlassungsklage entscheidende Passage: "Die für die Hochschulabteilung fachlich zuständige Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring hat – wie schon öffentlich bekannt – den zugrundeliegenden Prüfauftrag veranlasst. Ebenfalls hat sie erklärt, dass sie sich bei ihrem Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe. Nichtsdestotrotz wurde der Eindruck erweckt, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erwogen werde. Das widerspricht den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit. Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen finden nicht statt."
Hat Stark-Watzinger in der Pressemitteilung ihres Ministeriums fälschlicherweise behauptet, Döring habe am 13. Mai eine Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen erbeten?
Nein, sagt das Oberverwaltungsgericht Münster: In der Pressemitteilung würden "keine unwahren Tatsachen behauptet".
So, wie die Richter ablehnen, den Prüfauftrag vom 13. Mai im Zusammenhang der Ereignisse in den Tagen zuvor zu sehen: "Die Behauptung der Antragstellerin, es habe schon am 10.05.2024 einen anderweitig initiierten internen Rechercheauftrag gegeben, erweist sich nach einer detaillierten Auswertung des Akteninhalts und insbesondere der E-Mails, die innerhalb der zuständigen Abteilung des Ministeriums versandt worden sind, als unzutreffend. Danach ist am 10.05.2024 kein Auftrag zu einer Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen erteilt, sondern allein eine Auflistung der geförderten Unterzeichner erbeten worden, um in der anstehenden Pressekonferenz 'sprechfähig' zu sein."
Schließlich habe Döring selbst "wiederholt von einer missverständlichen Auftragserteilung gesprochen, die den Prüfinhalt für den Adressaten unklar ließ".
Womit sich die Richter vor allem auf die BMBF-Hausmitteilung vom 14. Juni bezogen, einem Freitag, in der Döring zwei Tage vor ihrer Entlassung den Ministeriumsmitarbeitern mitteilte, sie habe einen missverständlich formulierten Prüfauftrag erteilt. Diese E-Mail sei Döring "entgegen dem Beschwerdevortrag zuzurechnen". Das ergebe sich aus der Genese dieser E-Mail, "die der Senat im Einzelnen nachverfolgt hat. Danach hat die Antragstellerin sich mit dem – von dem für Kommunikation verantwortlichen Mitarbeiter entworfenen – Inhalt der E-Mail nach Abstimmung mit ihr ausdrücklich 'völlig einverstanden' erklärt, sodann selbst noch ein Wort ausgetauscht und ist nur der von ihr schließlich noch gewünschte Austausch eines weiteren, aber unerheblichen Wortes unterblieben."
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