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Handy weg?

Die Debatte um ein Verbot von Smartphones in der Schule nimmt Fahrt auf, demnächst wollen die Bildungsminister der Länder sie gemeinsam führen. Abseits plakativer Schlagzeilen gilt es, viele Fragen zu beantworten.

Foto: Pxhere, CCO.

ES IST SICHERLICH nicht eines der wichtigsten bildungspolitischen Themen in diesem Jahr, doch es braucht nicht viel Fantasie, um zu prognostizieren: Es wird eines der schlagzeilenträchtigsten werden. Und eines der emotionalsten dazu. Soll Schülern die Handynutzung an Schulen grundsätzlich verboten werden?

 

Hessens Kultusminister Achim Schwarz (CDU) treibt die Debatte seit seinem Amtsantritt vor genau einem Jahr voran. Im Oktober 2024 reiste er als deutscher Vertreter zum G20-Bildungstreffen in Brasilien und tauschte sich mit Bildungspolitikern aus Kanada und Australien aus. Beide Länder haben Smartphone-Verbote an Schulen eingeführt, Australien beschloss im November sogar, unter 16-Jährigen die Nutzung sozialer Medien zu verbieten.

 

Aus Australien und Kanada habe er "nur Positives" berichtet bekommen, sagte der frühere Gymnasiallehrer Schwarz dem Hessischen Rundfunk. Das gelte auch für europäische Länder wie Frankreich oder Großbritannien, wo es bereits Verbote gibt. Die Einführung einer allgemeingültigen Regelung könne die Lehrkräfte "von der permanenten Kontrolle" entlasten. Studien zeigten zudem, dass eine entsprechende Regelung an Schulen die Konzentration erhöhe, während das Risiko von Ablenkungen und Depressionen sinke. "Es geht hier nicht um Politik, es geht um Verantwortung", sagte Schwarz.

 

Nun ja, es geht schon auch um Politik. Schwarz hat von Anfang an mit Themen auf sich aufmerksam gemacht, die Kontroversen garantieren und damit auch eine rasche Steigerung des Bekanntheitsgrads. Sei es die Umsetzung eines von der CDU-SPD-Koalition vereinbarten Genderverbots mit Sonderzeichen in der Schule, inklusive der bundesweit einzigartigen Bewertung als Rechtschreibfehler. Sei es die Forderung nach Rücknahme einer Reform der Bundesjugendspiele, die die Verleihung von Urkunden nicht mehr von festen Punktzahlen, sondern vom Abschneiden im Klassenvergleich abhängig machte. "Ein schwerer, schwerer Fehler", wie Schwarz Table.Briefings sagte. Was man im Sport lerne, "zeigt sich auch im Leben." Oder sei es besagte Verbannung der Smartphones vom Schulgelände.

 

Schulterschluss der Bildungsminister?

 

Und doch ist das Thema so heiß, dass Schwarz den Schulterschluss mit seinen Bildungsminister-Kollegen aus den anderen 15 Ländern sucht. Deutscher Lehrerverband und Landesschülervertretungen etwa hatten ein Verbot als "nicht durchsetzbar" oder "nicht zeitgemäß" abgelehnt. Auf Initiative von Schwarz soll die Frage einer bundesweit einheitlichen Regelung nun in der neuen Bildungsministerkonferenz (Bildungs-MK) behandelt werden, voraussichtlich bei deren Sitzung im März.

 

Schon jetzt nimmt die Schlagzeilen-Dichte nach einem Zwischen-Hiatus wieder zu. Zuletzt forderten drei Berliner Jugend- und Gesundheitsstadträte ein umfassendes Handyverbot und appellierten in einem Brief, über den der Tagesspiegel berichtete, an Berlins Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) und Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD), ein solches einzuführen. "Aus psychologischer, gesundheitlicher und sozialer Sicht überwiegen die Nachteile einer unkontrollierten Smartphone-Nutzung während der Schulzeit die möglichen Vorteile bei weitem", heißt es in dem Brief. Cybermobbing, der Konsum gewaltverherrlichender oder pornografischer Inhalte, teilweise strafrechtlich relevant, machten Schulhöfe nicht nur zu Orten der Angst, sondern auch zum Tatort. "Die derzeitige Situation weiter zu tolerieren, wäre unverantwortlich."

 

Eine ethisch-moralisch eindeutige Sache also? Eine vom Augsburger Schulpädagogik-Professor Klaus Zierer durchgeführte Studie ergab zwar, dass Smartphone-Verbote die Lernleistungen und das soziale Wohlbefinden von Schülern nachhaltig verbessert hätten. Doch er empfiehlt, die Verbote an Alter und Medienkompetenz der Kinder anzupassen. "Das bedeutet beispielsweise, dass in der Grundschule und in der Sekundarstufe I keine Smartphones genutzt werden dürfen, wohingegen in der Sekundarstufe II diese Möglichkeit in festen Zeiten und dafür vorgesehenen Räumen eröffnet werden kann." Dabei sei wichtig, all diese Maßnahmen immer mit einem pädagogischen Konzept zu begleiten und zwischen den privaten und schulischen Geräten zu unterscheiden, "weil die privaten Geräte nicht nur ein viel größeres Ablenkungspotenzial, sondern auch ein kaum zu kontrollierendes Setup mitbringen."

 

Fragen für die Bildungs-MK

 

Wenn das Thema in der Bildungs-MK aufschlägt, dann insofern hoffentlich mit der nötigen Differenzierung. Dazu eine Reihen von Fragen: Was genau sollte ein "bundesweites Handyverbot" eigentlich beinhalten? Dass gar keine Handys mehr in die Schule mitgebracht werden dürfen oder nur keine Smartphones? Wie würde die konstruktive Nutzung von Smartphones als Teil einer digitalen Mündigkeit in den Schulen thematisiert und vermittelt bei gleichzeitiger Geltung eines Handyverbots? Bieten schulische Endgeräte hier einen realistischen Ersatz? Viele Eltern möchten aus Sicherheitsgründen, dass ihre Kinder auf dem Schulweg ein Handy dabei haben, was wäre damit? Könnte ein bundesweites Handyverbot also in der allgemeinen Festlegung bestehen, dass sie mitgebracht, aber bis zum Verlassen des Schulgeländes nur in Notfällen oder in Absprache mit den Lehrkräften eingeschaltet und ansonsten konfisziert würden? Aber wäre das dann wirklich eine große Revolution, oder wird dies nicht längst vielerorts so gehandhabt?

 

Würde ein bundesweites Handyverbot bedeuten, keinen Unterschied zu machen zwischen den Altersstufen und Erst- wie Zwölftklässler zu behandeln? Dass den Schulen zu alldem von den Bildungsministerien genaue Regeln mitgeteilt würden und die Schulen dann die strikte Umsetzung verantworten müssten? Wie würde die Alltagstauglichkeit dieser Regeln überprüft, und welche Unterstützung bekämen Lehrkräfte und Schulen in Konfliktfällen?

 

Schulpädagoge Klaus Zierer sagt, das sei eine bildungspolitische Verantwortung, die nicht an die Einzelschule delegiert werden dürfe. "Das führt in der Fläche zu Wildwuchs, zu Druck und zu Ungerechtigkeiten."

 

Und noch eine letzte Frage: Wäre es nicht genauso drängend, parallel zur plakativen Diskussion über ein bundesweites Handyverbot in den Schulen mindestens genauso viel Energie zu verwenden, dass digitale Lerntechnologien und der Umgang mit digitalen Medien wirklich an allen Schulen und in allen Bundesländern in den Curricula verankert werden? Und dafür bundesweit einheitliche und möglichst barrierefreie Zugänge zu schaffen? Freilich muss man das nicht gleich derart überhöhen wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der laut dpa jüngst der Schulpolitik attestierte, sie halte zu sehr am Alten fest und eine "KI-Revolution in den Lehrplänen" verlangte.

 

Die Bildungspolitik steht nicht blank da

 

Kurzum: Es ist, gerade vor dem Hintergrund von Mahnrufen wie jüngst aus Berlin, nachvollziehbar und wichtig, die Handydebatte zu führen. Ebenso wichtig ist, sie jetzt nicht ewig mäandern zu lassen, sondern bei aller Emotionalität politisch zielführend zu gestalten. Eben als Teil eines umfassenden Konzepts zu Rolle und Einbindung digitaler Medien und KI in den Schulen.

 

Die Bildungsminister stehen da zum Glück nicht blank da. Seit ihrer ersten Strategie "Bildung in der digitalen Welt" von 2016 hat die Kultusministerkonferenz sich fortlaufend mit diesem Thema befasst und ihre Positionen weiterentwickelt, unter anderem mit einer eigenen ständigen Kommission dazu. Und mit ihrer "Handlungsempfehlung für die Bildungsverwaltung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz in schulischen Bildungsprozessen" erst mit Oktober 2024 wichtige, obgleich noch zu wenig verbindliche Schritte nach vorn getan.

 

Wenn die jetzt verantwortlichen Minister ihre anstehenden Handy-Debatten aud diesen Ansätzen fußen, anstatt sich von den absehbaren Schlagzeilen treiben zu lassen, müsste eine vernünftige Lösung eigentlich gelingen.



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Kommentare: 7
  • #1

    R. Wiederholdt (Freitag, 17 Januar 2025 13:30)

    Hoffentlich werden die un"sozialen" Medien von den Schulen eliminiert, wo man ganz andere Dinge lernen soll.

  • #2

    Leif Johannsen (Samstag, 18 Januar 2025 11:43)

    Sorry, jetzt muss ich doch mal kurz Dampf ablassen!

    Groesstenteils finde ich die dargestellten Befunde von Schulpaedagoge Zierer sehr plausibel, dieses Argument kann ich aber nicht im geringsten nachvollziehen:
    "Schulpädagoge Klaus Zierer sagt, das sei eine bildungspolitische Verantwortung, die nicht an die Einzelschule delegiert werden dürfe. 'Das führt in der Fläche zu Wildwuchs, zu Druck und zu Ungerechtigkeiten.'"

    Ist das nicht ein Ausdruck "typisch deutscher" Ordnungspolitik? Alles muss ueberall gleich geschaltet werden, um "Wildwuchs" zu vermeiden. Mir ist im Sinne der gesellschaftlichen Resilienz "Wildwuchs" lieber als anfaellige "deutsche Monokulturen in Reih und Glied".

    So ein Quatsch mit der angeblichen (Bildungs-)Ungerechtigkeit. Meine Tochter hat das vergangene Schuljahr in UK verbracht. Dort wurden die privaten Mobiltelefone den Schueler_innen waehrend der Woche nur von 16:30 bis 21:30 ausgehaendigt und von 19:30 an waren ausserdem noch Hausaufgaben angesetzt. Jede Schueler_in hatte trotzdem waehrend des Schultages ein Schultablet fuer die Arbeit im und ausserhalb des Unterrichts. War das jetzt eine Benach- oder Bevorteilung gewesen? Geschadet hat diese Erfahrung soweit ich es bisher beurteilen kann jedenfalls nicht.

    Meine Meinung entgegen dem deutschen "Ordnungs-/Gerechtigkeitsempfinden": soll doch jede Schule eigene mehr oder weniger strikte Regel forcieren koennen. Meine Vorhersage ist, dass die Schulen mit moderaten bis sehr strikten Einschraenkungen der privaten Mobiltelefonnutzung bei der akademischen Entwicklung der Schueler_innen besser abschneiden werden. Das heisst aus einem Nachteil, wird letztlich ein Vorteil, der vermutlich mittel- bis langfristig einen groesseren Benefit haben wird.

    Die Aufgabe der Politik waere es, den Schulen in ihrer jeweiligen Entscheidung entsprechend den Ruecken zu staerken, so das eine lokale Verbindlichkeit besteht: der durch die Schulleitung festgelegten Regelung muss gefolgt werden.

  • #3

    Michael Felten (Samstag, 18 Januar 2025 19:39)

    Ist die Sache wirklich so kompliziert?
    Smartphones wirken beim Lernen ungemein ablenkend, auf Schüler jeden Alters - auch wenn sie ungenutzt in der Schultasche liegen. Deshalb kann es doch nur eine sinnvolle Regelung geben: Alle mitgebrachten Smartphones werden vor Unterrichtsbeginn im diebstahlsicheren "Handy-Hotel" der Klasse oder des Jahrgangs eingeschlossen und nach U-Schluss wieder ausgehändigt. Wer ein Gerät verheimlicht, verstößt gegen die Schulordnung und muss es bis zum Folgetag abgeben. Die KMK sollte ihren Mitgliedern eine entsprechende Regelung empfehlen. Eine solche wird in Einzelfällen ja schon mit Gewinn praktiziert.
    https://www.eltern-lehrer-fragen.de/Schule-digital/

  • #4

    Wolfgang Kühnel (Samstag, 18 Januar 2025 21:27)

    Zu #2: Wie soll das mit dem "gestärkten Rücken" denn funktionieren, wenn die Schulen gleichzeitig um die Gunst der Eltern buhlen sollen?
    "Der Regelung muss gefolgt werden". Da sollte man mal eruieren, was alles offiziell verboten ist und was dennoch ständig gemacht wird, z.B. Messer oder Drogen in Schulen zu bringen. In diesen Dingen ist der Staat ein zahnloser Tiger geworden: Es darf nämlich nicht kontrolliert werden. Wie bitte wollen Sie eine Regelung durchsetzen, deren Erfüllung nicht kontrolliert werden darf?

  • #5

    Jürgen Hartmann (Sonntag, 19 Januar 2025 14:19)

    Es ist Zeit dass sich etwas tut,

    das Rauchen aus den Schulen zu verbannen hat letztlich über 40 Jahre gebraucht. Die schädlichen Wirkungen waren allgemein bekannt. Beim Smartphone ist dies nicht viel anders, bis hin zur Schädigung der psychischen Gesundheit.
    Das Problem dabei: Es steht eine milliardenschwere Industrie dahinter die natürlich nur das Beste will: Die Rohstoffe des 21 Jahrhunderts schürfen: Zeit, Geld und Daten.

  • #6

    Als Schüler (Dienstag, 21 Januar 2025 15:08)

    Als Schüler würde ich einfach ein altes Smartphone abgeben, wenn die "Handypolizei" kommt. Außerdem glaube ich kaum, dass Lehrkräfte morgens Leibesvisitationen durchführen möchten – das ist doch unrealistisch. Es wirkt wieder wie eine Idee aus dem "Elfenbeinturm", die wenig mit der Praxis zu tun hat. Warum überlässt man nicht den Schulen und Lehrkräften selbst die Entscheidung? Sie kennen schließlich ihre Schüler und die spezifischen Herausforderungen vor Ort am besten.

  • #7

    Ralf Meyer (Mittwoch, 22 Januar 2025 15:59)

    Dies ist eine der Fragen, die sehr gut innerhalb der Schule geklärt werden können. Idealerweise entwickelt jede Schule im Gespräch mit den Betroffenen eine Regelung, die dann breit akzeptiert wird. Oder schnell geändert werden kann, wenn sich Probleme herausstellen.