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Bitte Schub geben

Der neue BuWiK zeigt: Die Reform der wissenschaftlichen Karrierewege ist weit fortgeschritten. Für weitere Verbesserungen brauchen die Universitäten aber die Politik – und vor allem das versprochene Bund-Länder-Programm für mehr Dauerstellen. Ein Gastbeitrag von Jetta Frost und Linda Jauch.

WISSENSCHAFT BRAUCHT attraktive Arbeitsbedingungen, um herausragende Persönlichkeiten gewinnen, fördern und halten zu können. Universitäten haben die Verantwortung, die dafür nötigen transparenten und nachhaltigen Karrieremodelle weiterzuentwickeln und flächendeckend zu implementieren – und die auf dem Weg dahin notwendigen Transformationsprozesse aktiv zu gestalten. Natürlich benötigen die Universitäten zu diesem Zweck zuverlässige und vergleichbare politischen Rahmenbedingungen.

 

Der jüngst veröffentlichte "Bundesbericht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer frühen Karrierephase" (BuWiK 2025) zeigt, dass bereits viele Veränderungen zur Gestaltung von vielfältigen und verlässlichen Karrierewegen angestoßen wurden. So scheint die W1- bzw. W2-Professur mit Tenure-Track nicht nur den klassischen Weg zur Professur über die Habilitation, sondern in starkem Maße auch die Qualifizierungswege über die Nachwuchsgruppenleitung und die Juniorprofessur ohne Tenure-Track ersetzt zu haben. Die Anzahl der Frauen mit Tenure-Track-Professur hat sich von 238 im Jahr 2018 auf 583 im Jahr 2022 erhöht – eine Steigerung um 145 Prozent. Außerdem zeigt der BuWiK, dass Promovierte insgesamt herausragende Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

 

Transformationsprozesse

vielerorts bereits gestartet

 

Dies sind sehr positive Entwicklungen, die unter anderem deutlich machen, wie ein Bundesprogramm, hier konkret das "Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses" (WISNA), Universitäten in der Gestaltung von nachhaltigen Karrieremodellen erfolgreich unterstützen kann. Die Diskussionen rund um die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft vermittelten zeitweise das Gefühl, es tue sich wenig an deutschen Universitäten, und die Politik müsse über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) dringend "nachsteuern". Dabei sind vielerorts Transformationsprozesse gestartet. So haben wir zum Beispiel an der Universität Hamburg gerade die Karrierewege "(Senior) Lecturer" und "(Senior) Researcher" eingeführt und entwickeln dafür Tenure-Wege, setzen die "Hamburger Erklärung zu Hochschul-Karrierewegen in der Wissenschaft" um und arbeiten intensiv an der Gestaltung einer nachhaltigen und exzellenten Karriere- und Wissenschaftskultur.

 

Universitäten haben ein genuines Interesse, eine angemessene Balance zwischen befristeten und unbefristeten Beschäftigungen zu bieten, um einerseits Entwicklungsperspektiven, Verlässlichkeit und Diversität zu stärken und andererseits die Innovationskraft der Universität als Qualifizierungs-, Bildungs- und Forschungsinstitution sicherzustellen. Der bisher in der öffentlichen Debatte oft dominierende Fokus auf Befristungszahlen greift zu kurz und sagt wenig über die Entwicklung von wissenschaftlichen Karrierewegen an unseren Universitäten aus. Vergleiche mit der Wirtschaft oder mit ausländischen Wissenschaftssystemen taugen ebenfalls nur bedingt. In Großbritannien zum Beispiel sind unbefristete Verträge regelmäßig an die Dauer eines Drittmittelprojekts gebunden. 

 

Deutsche Universitäten müssen – und viele sind bereits eingestiegen – selbstbewusst zeitgemäße Karrierewege gestalten, um national wie international die besten Köpfe zu gewinnen und zu halten. Institutionell brauchen wir dafür in Zusammenarbeit mit den Fakultäten differenziertere Personalstrukturkonzepte und gezieltere Überlegungen, welche Karrieremodelle wann und wofür ausgebracht werden. Es sollte der Grundsatz gelten: "vom Denken in Stellenkategorien und Einzel-Maßnahmen zur aktiven Gestaltung einer ganzheitlichen Karriere- und Wissenschaftskultur".

 

Universitäten brauchen

geeignete Rahmenbedingungen

 

Aber Universitäten benötigen auch die Unterstützung der Politik: Wir brauchen geeignete und vor allem vergleichbare Rahmenbedingungen. Der lange Prozess und die Unsicherheit rund um die Novellierung des WissZeitVG hat vielerorts die begonnenen Transformationsprozesse an unseren Universitäten ausgebremst.

 

Gleichzeitig kann das WissZeitVG bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen und Personalstrukturen nur eine von vielen Stellschrauben sein. Um neue Karrieremodelle erfolgreich zu etablieren, ist es zentral, die rechtlichen Bestimmungen für unbefristete Beschäftigungen neben der Professur zu überprüfen und, wo nötig, anzupassen. Landeshochschulgesetze spielen hier eine entscheidende Rolle. Es sollte dabei dringend die Etablierung eines länder- und universitätsübergreifenden Rahmens für neue Positionen neben der Professur geprüft werden. Es braucht mehr Austausch mit dem Bund und den Ländern, um über Anpassungen in Landeshochschulgesetzen, Lehrverpflichtungsverordnungen und Kapazitätserlassen zu diskutieren, die Hochschulen die notwendigen Spielräume geben.

 

Damit ein Aufwuchs an universitären unbefristeten Stellen zu einer besseren Betreuungsrelation und nicht bloß zur Erhöhung der Studierendenzahl bzw. zum Abbau von Professuren führt, bedarf es zudem einer grundlegenden Reform des Kapazitätsrechts. Das hat auch die HRK in ihren "Leitlinien für unbefristete Stellen an Universitäten neben der Professur" deutlich gemacht. Schließlich sollten Aufstiegsmöglichkeiten in Richtung Senior Lecturer und Senior Researcher mit einer entsprechenden Höhergruppierung verbunden werden, was für Universitäten vor allem tarifrechtlich eine große Herausforderung darstellt. 

 

Für die Transformation wissenschaftlicher Karrierewege brauchen wir jetzt dringend das bereits vielfach diskutierte Bund-Länder-Programm für mehr Dauerstellen neben der Professur. Es kann die gleiche Schubkraft wie das WISNA Programm entfalten, um Lecturer- und Researcher-Stellen in Universitäten zu implementieren. Noch zögerliche Einrichtungen und Fachbereiche haben einen Anreiz zu beginnen und mit dem Programm können wir Insellösungen einzelner Universitäten in einzelnen Bundesländern überwinden: Wir können verlässliche und bundesweit vergleichbarere wissenschaftliche Karrierewege gestalten, die international höchst attraktiv wären.

 

Jetta Frost ist Vizepräsidentin der Universität Hamburg und Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats für den BuWiK 2025. Linda Jauch leitet den Bereich Academic Career & Research Culture der Universität und ist ab Mai Vorstandsmitglied von UniWiND.



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Kommentare: 3
  • #1

    #IchBinTina (Dienstag, 18 Februar 2025 09:01)

    "Die Diskussionen rund um die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft vermittelten zeitweise das Gefühl, es tue sich wenig an deutschen Universitäten, und die Politik müsse über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) dringend "nachsteuern". Dabei sind vielerorts Transformationsprozesse gestartet."

    Das ist eine ziemlich beschönigende, unreflektierte Sichtweise: Die vermeintlichen "Transformationsprozesse" bestehen vor allem darin, viel zu spät der weit verbreiteten missbräuchlichen Nutzung des Sonderbefristungsrechts entgegenzuwirken, weil die durch die öffentliche Diskussion sichtbar geworden ist. Z.B. Mindestvertragslaufzeiten für Promovierende: Dass dreijährige Verträge für die Qualifikation überhaupt als Errungenschaft vorgezeigt werden können, ist nur möglich, weil die durchschnittliche Vertragslaufzeit zuvor deutlich unter den für eine wissenschaftliche Qualifikation notwendigen Zeitraum gefallen war. Ohne den Druck der Öffentlichkeit hätte es auch diese sehr marginale Verbesserung nicht gegeben, denn auch dafür musste zuerst die sehr aggressive Ignoranz der Hochschulleitungen überwunden werden. Exakt diese Ignoranz spricht auch aus den unangenehm selbstbeweihräuchernden Aussagen zur Einführung von neuen Stellenmodellen, die faktisch völlig unabhängig vom Befristungsmissbrauch sind: Da auch mit der aktuellen Fassung des WissZeitVG unbefristet beschäftigt werden kann, ist es völlig unerheblich, ob die Mitarbeitenden im jeweiligen Hochschulgesetz "wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen" oder "Senior Lecturer/Researcher" genannt werden. Ebenfalls irreführend ist die Behauptung, dass eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen nur mit einem Bund-Länder-Programm für die Schaffung von Dauerstellen möglich sei. Damit wird übergangen, dass schon die dritte Phase des Hochschulpakts diese Zielsetzung enthielt und die Universitäten diese Mittel schlicht zweckwidrig genutzt haben - warum sollte also mit einem weiteren Bund-Länder-Programm gewährleistet sein, dass es nicht wieder zur Mittelzweckentfremdung kommt, wenn es keine flankierende gesetzliche Regelung, die den Befristungsmissbrauch durch die Hochschulleitungen unterbindet? Die Befristungsquote ist daher sehr wohl ein aussagekräftiger Kennwert, da damit Transparenz über die Leistung der Hochschulleitungen hergestellt wird. Exakt die Transparenz, die durch Phrasen wie "attraktive und exzellente Karrierewege" verlorengeht, die kaum im Rahmen eines Benchmarkings operationalisierbar sind.

    Und schließlich:

    "In Großbritannien zum Beispiel sind unbefristete Verträge regelmäßig an die Dauer eines Drittmittelprojekts gebunden."

    Das wäre in Deutschland ohne WissZeitVG, d.h. eine missbrauchsanfällige Ausnahmeregelung für die Wissenschaft, auch so. In dem Fall könnte nämlich einfach mit Sachgrund nach TzBfG befristet beschäftigt werden, allerdings mit deutlich besserer gerichtlicher Kontrolle bei institutionellem Rechtsmissbrauch, z.B. durch unnötige Kettenbefristungen.

  • #2

    emob (Mittwoch, 19 Februar 2025 09:58)

    Das letzte Zitat, das #IchbinTina hervorhebt ist schon bemerkenswert. Eine Lösung für ein Problem, das es nicht gibt! Ich finde immer wieder bemerkenswert wie der naive Glaube in der Wissenschaft kultiviert wird, man hätte ein so einzigartige Arbeitsverhätltnisse vorliegen, für die man unbedingt alle möglichen Ausnahmen und Sonderregelungen benötigte. Als ob die Frage ob eine Idee unter der Dusche entsteht eine so einzigartige Form der Wertschöpfung sei, die in öffentlichen (!) Einrichtungen, also Hochschulen und außeruniversitären FE einer besonderen Behandlung bedürfe. Als ob solche arbeitsrechtlichen Fragen nicht überall schon weitesgehend geklärt wären.

  • #3

    Timo (Mittwoch, 19 Februar 2025 11:38)

    Es ist schon interessant, dass die Autorinnen so schreiben, als wäre haushaltspolitisch nichts passiert. Ein Blick in die Schweiz hilft, um die bundesdeutsche Zukunft zu erahnen. Dort empfiehlt eine Expertenkommission, dass sich der Bund auf seine Zuständigkeiten konzentriert. Ist es so abwägig, Ähnliches auch für uns zu prognostizieren? Zumal die Schaffung von Dauerstellen in Hochschulen keine genuine Aufgabe des Bundes ist. Die Länder selbst sind mit den Hochschulen zusammen zur Problemlösung aufgefordert.