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"Sie haben die Wendung zum Guten vergessen"

Eine volldigitale, nutzerfreundliche und selbst bei Extrembelastung stabile Hochschulzulassung made in Germany – geht das? Ja, sagt Holger Burckhart, der seit vielen Jahren die Reform der früheren ZVS vorantreibt. Ein Gespräch über bürokratisches Beharrungsvermögen, das Schrauben an der neuen Software – und das nötige Commitment der Politik.

Holger Burckhart, 68, war Professor für Anthropologie und Ethik in den Rehabilitationswissenschaften in Köln und zwischen 2009 und 2023 Rektor der Universität Siegen, zwischen 2012 und 2018 zusätzlich Vizepräsident für Lehre und Studium der Hochschulrektorenkonferenz. 2019 übernahm er den Vorsitz des Stiftungsrats der Stiftung für Hochschulzulassung. Foto: privat.

Herr Burckhart, die Geschichte der Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) – besser bekannt unter ihrem Markennamen "Hochschulstart", noch besser unter ihrem vor 15 Jahren abgelegten Kürzel "ZVS" – ist eine Geschichte der Krisen, Pannen und bürokratischer Selbstblockaden. Eine zutreffende Beschreibung?

 

Stark verkürzt und einseitig, in Teilen aber trotzdem zutreffend. Sie haben nur die Wendung zum Guten vergessen.

 

Ist die denn schon passiert? Wenn ich es richtig sehe, hat der Stiftungsrat, in dem Vertreter von Hochschulen und Landeswissenschaftsministerien sitzen, schon 2020 beschlossen, die Software des Hochschulstart-Portals von Grund auf zu erneuern. Weil das bisherige System der Online-Studienplatzvorgabe, das DOSV 1.0, nach Aussage von IT-Experten nicht mehr zu retten war. Fünf Jahre später ist die Softwareentwicklung mit dem Arbeitstitel DOSV 2.0 immer noch nicht abgeschlossen, nach diversen Verzögerungen heißt es jetzt: 2027 soll es losgehen.

 

Sie wissen, dass die ehrliche Bestandsaufnahme 2019 überhaupt nur zustandekam, weil die damalige Brandenburger Wissenschaftsstaatssekretärin Ulrike Gutheil und ich als Stiftungsratsvorsitzende darauf gedrängt haben, dass wir technisch endlich reinen Tisch machen. Gleichzeitig haben wir einen Wechsel in der SfH-Geschäftsführung eingeleitet…

 

"Eine wirkliche Digitalisierung der
Hochschulzulassung kann nicht funktionieren,
wenn dahinter immer noch eine frühere Behörde sitzt,
in der die Leute die Akten hin und herschieben."

 

…Geschäftsführer war damals immer noch der frühere ZVS-Direktor Ulf Bade…

 

…weil für uns offensichtlich war, dass wir den technischen Neuanfang nur zusammen mit einem Neuanfang in der Governance hinbekommen. Eine wirkliche Digitalisierung der Hochschulzulassung kann nicht funktionieren, wenn dahinter immer noch eine frühere Behörde sitzt, in der die Leute die Akten hin und herschieben. Wir mussten also mit einem Reformprozess gleich zwei Fragen beantworten: Wie soll in Zukunft die volldigitale, maximal nutzerfreundliche Bewerbung um einen Studienplatz in Deutschland aussehen, und wie kann die ehemalige ZVS so agil werden, dass sie das auch umgesetzt bekommt? 

 

Sind Sie den Antworten nach all der Zeit nähergekommen?

 

Immerhin so nahe, dass ich jetzt bald den Vorstandsvorsitz abgeben kann. Einfach aus dem Grund, weil die Governance-Reform abgeschlossen ist. Bislang war nur die Arbeitsebene der Ministerien im Stiftungsrat vertreten, ich habe aber immer gesagt: Hochschulstart ist als Aushängeschild so zentral für den Hochschulstandort Deutschland, dass seine strategische Führung Chefsache sein muss. 16 Rektoratsmitglieder, 16 Staatssekretäre, das ist das neue Spitzengremium. Gleichzeitig haben wir jetzt eine äußerst versierte Geschäftsführung mit Bibiana Kemner als Kaufmännische Geschäftsführerin und Hans Pongratz als Technischen Geschäftsführer, der vorher zehn Jahre lang CIO und Geschäftsführender Vizepräsident für IT-Systeme und -Dienstleitungen der TU München war. Insofern braucht es keinen Vorstand mehr als Gelenkstelle, ich habe mich sozusagen selbst überflüssig gemacht und kann abtreten.

 

Jetzt stelle ich mal die Außensicht dagegen und sage: All die Irrungen und Wirrungen in der Stiftung interessieren keinen einzigen Studienbewerber. Die interessiert nur, dass sie immer wieder mit kleinen und größeren Systemausfällen konfrontiert waren, mit einer in Teilen verwirrenden Nutzerführung oder mit dem Supergau, als vor zweieinhalb Jahren 282 Medizin-Studienplätze an der Frankfurter Goethe-Universität vergeben wurden, die es gar nicht gab.

 

Ein Vorfall, den wir transparent aufgearbeitet und gezeigt haben, dass das nicht am System lag, sondern an einem Fehler bei der betreffenden Universität. Und die allermeisten Studienbewerber, die fälschlicherweise eine Zusage erhielten, haben am Ende einen echten Studienplatz bekommen.

 

Nur dass sich der Fehler nie so dramatisch ausgewirkt hätte, wenn das System flexibler gewesen wäre.

 

Sie sehen die Herausforderung für die Stiftung: Wir mussten parallel zu allen Veränderungen die alte Software ertüchtigen und so belastbar machen, dass sie jedes Jahr hunderttausende Bewerbungen verarbeiten kann, bis sie endlich durch die neue Technik abgelöst wird. Bei allen Schwierigkeiten muss ich sagen: Das haben wir in den vergangenen Jahren ziemlich gut hinbekommen. Sonst hätten Sie viel häufiger über fehlerhafte Studienplatzvergaben wie in Frankfurt berichtet.

 

Im Wintersemester 2023/24 wurden auch an den Universitäten Düsseldorf und Münster hunderte überzählige Zulassungsangebote ausgesprochen, weil, so der Vorwurf, die Stiftung ihren Quotierungsalgorithmus angepasst hatte, ohne dies den Hochschulen aktiv mitzuteilen.

 

Wir haben bislang über den Fehler, der da geschehen ist, geschwiegen, weil auch der nicht bei der Stiftung lag. Wir haben die Änderung kommuniziert, 180 Hochschulen haben sie verarbeitet bekommen und zwei nicht. Das sollte für sich sprechen.

 

"Den Hochschulen war der Aufwand zu hoch,
alle paar Jahre ihre Prozesse und Campus-
Management-Systeme umzustellen." 

 

Während alle auf die neue Zulassungssoftware warten, sind im bestehenden System Bewerbungen für Zwei-Fach-Bachelor oder Lehramtsstudiengänge immer noch nicht abbildbar.

 

Wir haben den Hochschulen die entsprechenden Verfahren angeboten. Für die Lehramtsstudiengänge hatten wir es wegen des Lehrermangels sogar bereits mit Hochdruck entwickelt, doch unsere Angebote wurden nicht angenommen. Den Hochschulen war der Aufwand zu hoch, alle paar Jahre ihre Prozesse und Campus-Management-Systeme umzustellen. Ich kann das nachvollziehen. Man will lieber alles auf einmal mit der großen Reform erledigen.

 

Die, wenn es jetzt gut geht, sieben Jahre nach dem Entwicklungsauftrag an die Stiftung in Betrieb gehen soll. Mit Verlaub: Sind solche Zeiträume verantwortbar?

 

Solche Zeiträume sind weder verantwortbar noch sind sie zumutbar. Nicht für die Studienbewerber und auch nicht für die Mitarbeiter der Studierendensekretariate an den Hochschulen. Ich will mich da nicht herausreden, sondern kann mich nur an Erklärungen versuchen. Das fängt an mit den Beharrungskräften der früher im Stiftungsrat Verantwortlichen. Die haben viel zu lange gesagt: Wieso überhaupt eine Neuentwicklung? Das System läuft doch. Erst nachdem ich die Studienplatzvergabe vier Wochen lang komplett abschalten musste, weil das System so überlastet war, waren die Wissenschaftsministerien wirklich bereit, die längst überfällige Ausschreibung des neuen Systems auf den Weg zu bringen. Als wir dann endlich mit der neuen Geschäftsführung um Hans Pongratz am Ausschreibungsverfahren waren, gab es eine Klage dagegen, wir haben den Prozess verloren und mussten nochmal loslegen. Das hat uns 16 Monate gekostet. Wäre es mit einer anderen Governance schneller gelangen, einer Governance mit mehr Kompetenzen für die Geschäftsführung und ohne die ständige Rückkopplung mit dem Stiftungsrat? Ganz sicher. Darum habe ich an der Stelle so gepusht. Eine Behörde, die 40 Jahre um sich selbst gekreist ist, verwandeln sie nicht im Handumdrehen in ein Unternehmen.

 

Alles war schwierig, aber jetzt wird alles gut, so hört sich das bei Ihnen an. Hört man in die Hochschulen und Studierendensekretariate hinein, erfährt man weiter ziemlich viel Kritik an Hochschulstart. Und auch an Ihnen. Es gebe keine Transparenz bei der Entwicklung der neuen Software, die Stiftung arbeite vor sich hin, die Zulassungsexperten in den Hochschulen seien nie nach ihren Bedarfen und Erwartungen an das neue Verfahren gefragt worden.

 

Was die vergangenen fünf Jahre angeht, würde ich das ausschließen. Wir haben jedes Jahr sogenannte Nutzertagungen. Und wir haben eine Resonanzgruppe als Sounding Board, das sich regelmäßig trifft.

 

Aus den Hochschulen wird berichtet, die Resonanzgruppe sollte eigentlich alle zwei bis drei Monate zusammenkommen, doch habe es seit Mitte 2023 lediglich zwei Treffen gegeben. Und die Protokolle dieser Treffen seien nur widerwillig den nicht anwesenden Hochschulvertretern zur Verfügung gestellt worden. 

 

Die Kritik mangelnder Transparenz kann ich nicht nachvollziehen. Die Resonanzgruppe soll den Querschnitt der Hochschulstart-Nutzer abbilden, sie hat 2023 und 2024 jeweils zweimal getagt. Zu mehr bestand keine Notwendigkeit, weil wir in der Software-Entwicklung noch nicht so weit sind. Außerdem befragen wir Schüler der Abschlussklassen. Die Nutzertagungen dienen dazu, alle Kritik offen und deutlich zu thematisieren, und wenn es etwas Neues zu Testen gibt, laden wir die Hochschulen in Testpools ein.

 

Ihnen, Herr Burckhart, wird vorgeworfen, Sie hätten in den vergangenen sieben Jahren nie den Kontakt zur Fachebene der Hochschulen gesucht. Trotz Einladung hätten Sie auch nie an den Arbeitstreffen der Studierendenverwaltung teilgenommen.

 

Ich habe genau eine Einladung erhalten, für den Dezember 2024, und da konnte ich wirklich nicht, weil ich im Flugzeug auf dem Weg in die USA saß. Sonst mache ich alles möglich, auch per Videokonferenz. Zugleich habe ich meine Bereitschaft mitgeteilt, jederzeit auch an einer Sondersitzung teilzunehmen. Außerdem sind die beiden Geschäftsführer eigentlich auch jedes Mal dabei.

 

"Ich sehe bei den Mitarbeitern eine große
Bereitschaft, die Dinge neu zu denken."  

 

Angeblich soll es in der Stiftung eine hohe Personalfluktuation geben. Versierte Experten seien gegangen, selbst die neue Geschäftsführung habe sie nicht aufhalten können. Auf einschlägigen Arbeitgeber-Bewertungsportalen erhält Hochschulstart miese Noten.

 

Auch hier stellt sich die Realität anders dar. Beim Übergang von der alten Geschäftsführung zur neuen gab es Unruhe und einige Abwanderungen, aber das ist Jahre her, und seitdem sehe ich bei den Mitarbeitern eine große Bereitschaft, die Dinge neu zu denken.  

 

Zum Stand der Software-Neuentwicklung berichtet Hochschulstart, diese solle spätestens zum 31. Dezember 2026 abgeschlossen sein, "sodass im Folgejahr ein Produktivstart geplant ist". Und weiter: "Der tatsächliche Produktiveinsatz des neuen Studienplatzverfahrens kann aber erst erfolgen, wenn auch die Anpassungen auf Seiten der Campus-Management-System-Hersteller erfolgen und die angepassten Systeme an den Hochschulen im Einsatz sind." Die konkreten Zeitbedarfe würden aktuell durch die Stiftung in Gesprächen mit den Campus-Management-System-Herstellern und Hochschulen abgestimmt. Gehen da bei Ihnen nicht alle Warnsignale an? Die Schnittstellen zwischen Hochschulstart und Campus-Management-System waren schon bei DOSV 1.0. über Jahre die große Schwachstelle.

 

Sie legen den Finger in die richtige Wunde. Genau um die Wiederholung der von Ihnen beschriebenen Misere zu vermeiden, haben wir die Hersteller ja diesmal von Anfang an eingebunden. Sonst kämen wir in der Tat nicht weiter.

 

Einige Hersteller kritisierten vor nicht allzu langer Zeit, dass genau dies nicht der Fall sei.

 

Solche Kritik gibt es immer. Damit muss ich leben. Fakt ist, dass die HIS GmbH als Marktführer, der 70 bis 80 Prozent der Hochschulen abdeckt, beständig im Gespräch mit uns ist, auf allen Ebenen, bis rauf in den Vorstand. Die vielleicht zehn weiteren Anbieter, die den Rest des Marktes unter sich ausmachen, laden wir auch immer ein. 

 

Sie können also ein erneutes Schwarzer-Peter-Spiel im Jahr 2027 ausschließen, bei dem sich Stiftung und Hersteller gegenseitig beschuldigen, falls die Systemimplementierung nicht klappt?

 

Wir kommunizieren die technischen Anforderungen für die Schnittstellen, die aus unserer Sicht notwendig sind, und wir gleichen das mit der Sicht der Hersteller ab. Immer unter Begleitung unseres hochkarätig besetzten IT-Beirats, der von Ramin Yahyapour geleitet wird, dem gemeinsamen Chief Information Officer von Universität und Universitätsmedizin Göttingen. Ich kann Ihnen deshalb nicht garantieren, dass alles klappen wird, aber wir haben eine belastbare Struktur gegenseitiger Checks and Balances eingeführt. Darum nehme ich die von Ihnen zitierten Hinweise aus der Community zu Mängeln bei Transparenz und Partizipation sehr ernst.

 

Am Anfang haben Sie gesagt, die strategische Führung von Hochschulstart müsse auch in den Ministerien Chefsache sein. Was erwarten Sie von der Politik?

 

Die Wissenschaftsministerien müssen zeitnah drei Fragen beantworten. Erstens: Welchen Grad der Digitalisierung des Bewerbungs- und Zulassungsprozesses soll die Stiftung abbilden? Bis hin zur Hinterlegung digitaler Zeugnisse und aller anderen studienrelevanten Dokumente wie in den Niederlanden? Zweitens: Soll Hochschulstart als zentrales Portal für Studieninteressierte aus dem In- und Ausland fungieren, Stichwort "One face to the customer", beispielsweise zusammen mit dem "Hochschulkompass"-Portal, das alle Studienangebote in Deutschland auflistet? Oder ist das Ziel, dass jede einzelne Hochschule ihr eigenes Angebot betreibt und die Bewerber von dort zu uns weitergeleitet werden? Und drittens und damit zusammenhängend: Sollen wir alle Studiengangsbewerbungen administrieren, oder bleibt Hochschulstart wie bislang zuständig allein für zulassungsbeschränkte Studiengänge? Reduzieren wir weiter, so dass am Ende nur die bundesweiten NC-Fächer wie Medizin verbleiben? Das ist jetzt alles in Menschensprache, die Sprache der Techniker beherrsche ich nicht. Die Kurzbotschaft lautet: Alles ist möglich, vieles ist darstellbar. Wir brauchen nur den Auftrag dazu.

 

Mich wundert, dass so grundlegende Fragen von der Politik bislang nicht beantwortet sein sollen.

 

Wir haben die Politik gefragt und bislang immer die Rückmeldung bekommen, wir sollen so umfänglich planen, dass jede Variante umsetzbar bleibt. Den Rest will man entscheiden, wenn das System steht. Wir entwickeln also jetzt einen großen Baukasten mit verschiedenen Tools, verschiedene Portale, die wir unabhängig voneinander einsetzen können. Natürlich so, dass die Nutzer am Ende gar nicht merken, dass sie von einem Portal zum anderen wechseln. Was auch bedeutet: Möglicherweise bauen wir Dinge, die von der Politik am Ende gar nicht abgerufen werden.


"Alles aus einer Hand.
Ohne Medienbrüche."

 

Was noch mehr Zeit kostet. Dann beschreiben Sie doch mal in Menschensprache, wie nach Ihrer Vorstellung, vielleicht auch nach Ihrem Wunsch, Hochschulstart 2027 konkret aussehen sollte. 

 

Ich stelle mir das so vor: Wir haben eine mindestens zweisprachige Website, auf die alle Menschen als Erstes gehen, wenn sie sich für einen Studienplatz an einer deutschen Hochschule interessieren. Dort finden sie Orientierung und anschauliche Informationen zu allen Studiengängen, die es gibt, schon heute sind das über 22.000. Sie finden digitale Tests, mit denen sie ihr Studieninteresse und ihre Studieneignung überprüfen können. Wenn sie sich für ein Fach entscheiden, klicken sie drauf, und dann geht direkt das Fenster mit dem Bewerbungstool auf. Sie werden durch jeden Schritt der Bewerbung hindurchgeführt, sie können alle Zeugnisse und Dokumente hochladen, sie wählen die Hochschulen, an denen sie sich bewerben wollen. Am Ende drücken sie den Kontrollbutton, der bestätigt ihnen, dass sie alles ausgefüllt und alle notwendigen Unterlagen eingereicht haben. Das System schafft dann zwischen allen Bewerbern und Hochschulen den Abgleich aller Daten und Prozesse. Zwischendurch können sie jederzeit den Bestand all ihrer laufenden Bewerbungen einsehen und bei Fragen mit den Hochschulen kommunizieren. Im Idealfall werden sie zugelassen und finden wiederum alle notwendigen Dokumente in ihrem Hochschulstart-Account. Also: Alles aus einer Hand. Ohne Medienbrüche.

 

Die Bildungsminister diskutieren die Einführung einer Schüler-ID, auch im Koalitionsvertrag wird dessen Einführung befürwortet. Würde das die Dinge vereinfachen?

 

Ich vertrete die Idee einer einzigen Bildungs-ID, also für Schüler und Studierende, seit Jahren. Schon die bildungspolitischen Vorteile wären enorm. Wir könnten Bildungskarrieren individuell verfolgen und begleiten und so auch das Phänomen des Studienabbruchs viel besser verstehen. Für uns als Stiftung würde es möglich, das Bewerbungsverhalten von Studieninteressenten genauer nachzuvollziehen und darauf zu reagieren. Welches Alternativfach wählen Schulabgänger zum Beispiel am häufigsten, wenn sie keinen Medizin-Studienplatz bekommen? Wohin wechselt jemand im Master, nachdem er an einer HAW seinen Bachelor gemacht hat? Wer ist unter welchen Umständen bereit, für einen Studienplatz weiter weg von zu Hause zu gehen? 

 

Sie kommen ja richtig ins Schwärmen. Für wie wahrscheinlich halten Sie denn, dass eine solche Bildungs-ID kommt?

 

Ich halte das derzeit für sehr unrealistisch, die Datenschützer halten mit aller Macht dagegen. Aber das ist wie mit der Einführung wirklich digitaler Zeugnisse, deren Entwicklung gerade von der Agentur für Sprunginnovation vorangetrieben wird: Sie müssen die Vision immer wieder neu anfachen, Sie müssen die Politik zu einem wirklichen Committment bewegen. Dann wird es irgendwann doch etwas.



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Kommentare: 4
  • #1

    Ein „Experte“ (Dienstag, 22 April 2025 17:41)

    Vielleicht wurde nicht die Wendung zum Guten vergessen. Vielleicht ist die aktuelle Geschäftsführung einfach nur die Fortsetzung der früheren „Bade-Anstalt“ mit anderem Namen.

  • #2

    Wolfgang Kühnel (Dienstag, 22 April 2025 17:47)

    Ich vermisse den Hinweis auf dieses hier:
    https://www.jmwiarda.de/2020/09/28/wieder-Ärger-um-hochschulstart-de/
    Dort wird diskutiert, was die Schattenseite dieser Art von Digitalisierung ist, nämlich Fehlermöglichkeiten und das Ausgeliefertsein gegenüber der Software. Wenn etwas schiefgeht, erklärt die Behörde, der Bewerber sei selbst schuld. Wir haben auch bei der kürzlichen elektronischen Grundsteuererklärung Erfahrungen gesammelt.

    Nach einem Hackerangriff auf die TU Berlin war diese Uni monatelang nicht imstande, Bachelor-Zeugnisse auszustellen, anderes ging vermutlich auch nicht. Wenn das bei der ZVS passiert, gibt es ein irreparables Chaos.

    Ich kann auch die Lobreden auf die Einführung einer weiteren ID nicht mehr hören. Bereits die jetzige Version des Bewerbungsportals von hochschulstart.de sieht vor:

    "Im Zuge der Registrierung werden Ihnen mit der Bewerber-ID (BID) und der Bewerber-Authentifizierungs-Nummer (BAN) zwei individuelle Identifikationsnummern zugeteilt, die Sie zwingend für Ihre Bewerbungen benötigen.
    Die Bewerber-ID dient allein Ihrer Identifikation im DoSV-Bewerbungsportal, während Sie die BAN für eine dezentrale Bewerbung über die Portale der Hochschulen benötigen, damit der automatische Datenabgleich zwischen den EDV-Systemen der Hochschule und www.hochschulstart.de gewährleistet werden kann. BID und BAN liefern die Grundlage dafür, dass alle Ihre Bewerbungen sowohl im DoSV-Bewerbungsportal als auch in den Bewerbungsportalen der Hochschulen einheitlich behandelt werden können."

    Der digitale Mensch besteht künftig aus einer Liste von IDs. Die Steuer-ID haben wir ja auch alle, sie muss der Krankenversicherung mitgeteilt werden. Eine Schüler-ID ist auch schon im Gespräch, die verbessert angeblich die Bildung im Lande generell. Und der einzelne braucht für jedes Portal ein login und ein Passwort. Vor 50 Jahren wurde die Hochschulzulassung auch irgendwie organisiert, man hatte wohl mehr Mitarbeiter in den Zulassungsstellen, aber man sparte sich die IT-Experten, die an der Software herumschrauben ("alle paar Jahre ihre Prozesse und Campusmanagementsysteme umzustellen"), und natürlich die vielen Blamagen, wenn mal wieder was nicht funktioniert. Wer recherchiert eigentlich mal, ob das neue digitale System unterm Strich wirklich Kosten spart? In einem der obigen Links werden die Kosten für die Stiftung kritisiert. Eine "Governance-Reform" im Stiftungsrat mit 16 Staatssekretären, die klingt eigentlich eher nach viel Geldverschwendung durch Aufbau von Bürokratie, z. B. durch eine neue PR-Abteilung, die alles anpreist -- so im Stile von Waschmittelreklame ("wäscht jetzt noch weißer").

  • #3

    Thomas Grünewald (Donnerstag, 24 April 2025 11:04)

    Die Stiftung und ihre Misere - nur ein Symptom (eins, unter vielen) unserer nationalen Modernisierungsdefizite.

    Stellen wir uns Holger Burckhart und alle Gutwilligen in der Stiftung für Hochschulzulassung als glückliche Menschen vor im Sinne des "Mythos des Sisyphos" (Albert Camus, 1942). Sie agieren im Absurden und versuchen das Beste.

    Das Absurde: Hunderte von Hochschulen verteidigen eisern ihre leicht unterschiedlichen Zulassungsregime zu absurden Tausenden von bisweilen nur leicht unterschiedlichen Studiengängen und bündeln ihr Zulassungshandeln in 16 leicht unterschiedlichen Länderregimen. Sagt der Bund: Alles Föderalismus.

    Alle miteinander nutzen wir defizitäre IT-Systeme, deren keines einen guten Service für die Studierenden der Zukunft verheißt. Tapfer verteidigt das etatistische System seine Existenz, erkennt die Absurdität, hat aber keine Mühe, hilfreiche Vereinfachungen durch Standardprozesse mit dem Hinweis auf Autonomie und föderale Zuständigkeiten zu verweigern. Unterdessen schauen wir zu, was junge, moderne Nationen von Estland bis Armenien und bei uns selbst ein paar private Hochschulen uns vormachen.

    Bei Livius (aus der Zeit des römischen Kaisers Augustus) steht der Satz: Nec vitia nostra nec remedia pati possumus - wir können weder unsere Fehler ertragen noch die Mittel sie zu beheben.

  • #4

    Ein „Experte“ (Donnerstag, 24 April 2025 17:48)

    Sehr geehrte Herr Grünwald,
    Die Bewerbungs- und Zulassungsprozesse an den Hochschulen sind in den letzten zehn Jahren weitestgehend standardisiert worden. Hierzu haben die Einführung moderner CMS beigetragen aber auch der Wille der Hochschulen und die sinkenden Bewerberzahlen beigetragen.
    Die SfH war hier eher ein Problem, weil sie sich für die Abbildung von Prozesse nur am Rande interessiert hat. Man denke hier nur an die Probleme bei der Abbildung des Lehramtes: wenn man am DoSV teilnehmen will, musste man Verrenkungen betreiben, um lebensfremde Prozesse der SfH „nutzen“ zu können. Unabhängig davon: was spricht eigentlich dagegen, wenn die SfH endlich als Dienstleister der Hochschulen agiert und diese wirklich unterstützt - immerhin zahlen die Hochschulen ja mittlerweile große Teile des Verfahrens ohne das die Anforderungen bei den Hochschulen an ein modernes Verfahren wenigstens mal abgefragt wurden. Und die Kolleg/innen der SfH, die genau dafür da waren, hat man dann auch noch reduziert…