Die Sozialdemokraten betonen die Bedeutung von Forschung und Bildung und haben die zuständigen Ministerien trotzdem erneut dem Koalitionspartner überlassen. Wie das zusammenpasst – und warum die anstehende SPD-Ministerkür aus Sicht der Bildungspolitik trotzdem bedeutsam ist.

Warten auf die SPD-Chefetage (Parteizentale in Berlin). Foto: Gertrud K., CC BY-NC-SA 2.0.
DIE UNION HAT ihre designierten Minister und Staatssekretäre präsentiert, die Nominierungen bei der SPD stehen – bis auf die von Lars Klingbeil – aus.
Am Mittwochvormittag wurde erst einmal das Ergebnis des Mitgliederentscheids bekannt gegeben. Mit 84,6 Prozent Ja-Stimmen stimmte die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag überraschend deutlich zu. Anfang der Woche sollen bei den Sozialdemokraten die übrigen Personalien folgen.
Die Spannung steigt? Nicht aus Sicht der Bildungs- und Forschungspolitik. Denn die Führung der ältesten demokratischen Partei Deutschlands hat beide zuständigen Ministerien der CDU und CSU überlassen – ohne ein Wort des Bedauerns.
Das hat Tradition. Seit 20 Jahren hat die SPD noch bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf das BMBF verzichtet. Jetzt wechselt die Bildung ins bisherige BMFSFJ, das von den vergangenen gut elf Jahren acht bei der SPD und etwas mehr als drei bei den Grünen war – und die Sozialdemokraten winken auch hier dankend ab.
Wie das mit all den Ambitionen im SPD-Wahlprogramm zusammenpasst? Ziemlich gut. Denn die sind mit tatkräftiger Unterstützung von Noch-Chefin Saskia Esken hineingekommen – an deren Karriereende gerade viele kräftig arbeiten. Während der für das maue Wahlergebnis mindestens genauso verantwortliche Co-Chef Klingbeil nach oben fällt und Finanzminister und Vizekanzler werden soll. Go figure.
Baut Klingbeil Bildung und Wissenschaft
wenigsten die finanziellen Brücken?
Die starken Männer in der SPD fühlen sich offensichtlich für Höheres berufen als für Schule, Kinder, Familien oder Wissenschaft. Mal schauen, ob Lars Klingbeil dann wenigstens die finanziellen Brücken baut für die neuen Ministerien BMFTR und BMBFSFJ – oder ob er aus parteipolitischer Motivation, weil er den Unionskolleginnen nichts gönnen will, mauern wird. Sein Vorvorgänger Christian Lindner (FDP) hatte das mit dem Mauern ja sogar bei der eigenen Parteikollegin hinbekommen.
Wenn schon nicht auf die Bildungspolitik im Bund, so könnte die SPD-Bundesministerkür eventuell jedoch massive Auswirkungen auf die Bildungspolitik der Länder haben.
Im Gespräch für das Amt der Bundesjustizministerin ist nämlich Stefanie Hubig, Ex-Richterin, Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz. Sie war bereits 2014 bis 2016 Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz. Ihre Nominierung wäre auch ein Zeichen, dass SPD-Chef Klingbeil die Landtagswahlen im März 2026 im Blick hätte, kommentierte Table.Media.
Die Kultusministerkonferenz hätte er jedenfalls nicht im Blick. Hubig hat seit vergangenem Jahr in der Bildungsministerkonferenz (BMK) das Amt der Koordinatorin der SPD-regierten Länder inne, womit sie, seit 2016 Bildungsministerin, nicht nur zu den erfahrensten BMK-Mitgliedern gehört, sondern zu den einflussreichsten. Zusammen mit Karin Prien, die seit 2017 Bildungsministerin in Schleswig-Holstein war, ebenfalls seit vergangenem Jahr BMK-Koordinatorin – und zwar für die unionsregierten Länder – und jetzt das BMBFSFJ übernehmen soll.
Ein besonderes Tandem
vor dem Abschied?
Hubigs und Priens fast gleichzeitiger Start als Koordinatorinnen vorausgegangen war der doppelte Abschied zweier langjähriger KMK-Führungsfiguren: von Ties Rabe (SPD) aus Hamburg, der aufhörte, und von Alexander Lorz (CDU) aus Hessen, der ins dortige Finanzressort wechselte.
Avancierte Hubig zur Bundesjustizministerin, würde die BMK also erneut zwei Führungsfiguren auf einmal verlieren, die hervorragend harmonierten. Ausgerechnet die beiden, die – Hubig wie Prien – parteiübergreifend Druck gemacht haben, etwa bei der Modernisierung der Kultusministerkonferenz oder der Debatte über messbare Bildungsziele, und die als bildungspolitische Chefverhandlerinnen in den Koalitionsverhandlungen im Bund fast schon als strategisches Tandem wahrgenommen wurden.
Würde Hubig in der BMK bleiben, könnte sie mit Prien als Bundesministerin ganz neue inhaltlich-konzeptionelle Linien zwischen Bund und Ländern ziehen. Trotzdem sei Hubig, wenn er denn tatsächlich kommen sollte, der Karriereschritt natürlich gegönnt. Für die Bildungsministerkonferenz wäre es ein schmerzlicher Aderlass.
Dieser Kommentar erschien in einer kürzeren Version zuerst in meinem kostenfreien Newsletter.
In eigener Sache: Sind Sie gern hier? Bitte unterstützen Sie den Wiarda-Blog

Was ist los im Wiarda-Blog? Und wie steht es um seine Finanzierung? Und wie können Sie helfen? Der Überblick.
Kommentar schreiben