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Untersuchungskommission entlastet frühere Kieler Unipräsidentin Fulda

Die Medizinerin war Anfang 2024 nach massiven Datenmanipulations-Vorwürfen zurückgetreten. Diese seien "unbegründet" gewesen, sagt jetzt das Gremium an Fuldas früher Universität und schließt seine Untersuchungen ab. Anderswo laufen diese aber noch.

Simone Fulda bei ihrer Amtseinführung im Oktober 2020. Foto: CAU, FlickrCC BY-NC-SA 2.0

ES IST ELF MONATE HER, dass der Rücktritt der damaligen Kieler Universitätspräsidentin Simone Fulda für Schlagzeilen sorgte. Nur drei Tage, nachdem die Lokalpresse erstmals über Vorwürfe der Datenmanipulation und gefälschter Abbildungen in Publikationen von Fulda und weiteren Wissenschaftlern berichtet hatte. "In Verantwortung für die Universität und schweren Herzens gehe ich diesen Schritt", erklärte die Medizinerin am 10. Februar 2024, nachdem sich in Rekordzeit die Dekane aller acht Fakultäten und die übrigen Präsidiumsmitglieder öffentlich von ihr abgewandt hatten. Jegliche Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis bestritt Fulda hingegen weiter vehement.

 

Seitdem haben unabhängige Wissenschaftler an den Universitäten Ulm und Frankfurt am Main, wo Fulda zum Zeitpunkt der verschiedenen Veröffentlichungen forschte, die zuerst im Blog "For Better Science" von Leonid Schneider erhobenen Anschuldigungen untersucht, ebenso ein Gremium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die die Forschungsprojekte finanziell gefördert hatte. Als erstes veröffentlichte nun die Kommission zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten an der Frankfurter Goethe-Universität das Ergebnis ihrer Arbeit, und es ist ein Paukenschlag: Die Vorwürfe der Datenmanipulation seien "unbegründet", teilte die Universität am Freitag mit, man habe kein relevantes wissenschaftliches Verhalten Fuldas festgestellt und das Verfahren gegen sie "wegen Geringfügigkeit" eingestellt.

 

Nach dem ersten Artikel in den Kieler Nachrichten
überschlugen sich die Ereignisse 

 

Rückblick. Bereits am 22. Januar 2024 hatte Schneider in seinem Blog einen umfangreichen Artikel über mutmaßliche und nach seinen Recherchen tiefgreifende Verstöße Fuldas und anderer Wissenschaftler gegen die gute wissenschaftliche Praxis veröffentlicht, die er dort im Einzelnen aufführte. 

 

Die betreffenden Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der molekularen Onkologie fielen in eine Zeit, bevor Fulda Präsidentin in Kiel wurde. Bis 2010 forschte sie an der Universität Ulm, wo ihr Kollege und Mentor Klaus-Michael Debatin seit 1997 als Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin fungiert. Debatin wurde in Schneiders Blogbeitrag ebenfalls scharf angegangen. 2010 ging Fulda als Professorin für Experimentelle Tumorforschung an die Goethe-Universität Frankfurt und wurde Direktorin des dortigen Instituts für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie.

 

Die Vorwürfe aus Schneiders Blog waren schon in den Tagen und Wochen zuvor allmählich an der Universität durchgesickert, doch erst seit dem ersten Artikel in den Kieler Nachrichten am 7. Februar 2024 überschlugen sich die Ereignisse. Während die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mitteilte, zunächst Vorprüfungen eingeleitet zu haben, die über die Einleitung eines förmlichen Untersuchungsverfahrens entscheiden, zitierte der NDR Schleswig-Holstein bereits zwei "unabhängig voneinander angefragte Professoren von anderen Hochschulen", die zwar namentlich nicht genannt werden wollten, aber anhand der vorliegenden Abbildungen "die Möglichkeit von Unregelmäßigkeiten" bestätigten. Wörtlich sagte einer der Professoren demzufolge: "Ohne alle Details geprüft zu haben, sieht es so aus, als wenn ein großer Teil der Vorwürfe berechtigt sein könnte." 

 

Noch erstaunlicher war, dass noch am Tag des ersten Artikels in Lokalpresse Professoren der Fakultät für Medizin in einem Brief faktisch Fuldas Rücktritt forderten: Sie solle "weiteren Schaden" von der Universität abwenden. Und ebenfalls noch am selben Mittwochabend, kurz nachdem Fulda sich in einer nichtöffentlichen Sitzung des Universitätssenats gegen die Vorwürfe der Datenmanipulation verwahrt hatte, sprachen ihr unter anderem die Dekane aller acht Fakultäten das Misstrauen aus. Nicht aber der Senat wohlgemerkt.

 

Die Kieler Nachrichten kommentierten am 9. Februar, nur 48 Stunden nach ihrem ersten Artikel: Es gehe in Kiel "längst nicht mehr" um die Frage, ob die Unipräsidentin vor vielen Jahren während ihrer Forschungsarbeit Daten manipuliert habe. Wenn die Spitzenforscher von Fulda verlangten, "Verantwortung gegenüber der Universität" zu übernehmen und darauf verwiesen, die wissenschaftlichen Vorwürfe gegen sie "im Detail zur Kenntnis genommen zu haben", dann habe sie "keinen Spielraum mehr. Simone Fulda muss zurücktreten."

 

Der entscheidende
Termin dazwischen

 

Die Landes-SPD warf Schleswig-Holsteins CDU-Wissenschaftsministerin Karin Prien unterdessen vor, sich in der Angelegenheit zu passiv zu verhalten. Prien selbst sagte am 9. Februar, die im Raum stehenden Vorwürfe hätten "das Potenzial, die nun dringend notwendigen Anstrengungen der CAU zu überschatten, im weiteren Verfahren der beiden bestehenden Exzellenzcluster erfolgreich zu sein". 

 

Lag hier in Wirklichkeit der Hase im Pfeffer? Wer sich mit Blick auf Leonid Schneiders Blogveröffentlichung bereits am 22. Januar 2024 und dem ersten Artikel in den Kieler Nachrichten am 7. Februar 2024 gewundert hatte, warum die Sache erst so viel später hochgekocht war, fand seine mögliche Antwort in einem für die Universität entscheidenden Termin dazwischen. 

 

Am 2. Februar hatte die DFG die Vorentscheidung in der neuen Runde der national beachteten Exzellenzstrategie ("ExStra") bekanntgegeben mit einem für Schleswig-Holsteins einzige Volluniversität niederschmetternden Ergebnis. Alle drei neuen Clusterbewerbungen, von der Landesregierung mit zusätzlichem Geld unterstützt, fielen schon als Antragsskizzen bei den Gutachtern durch. Nun blieb nur noch die Verteidigung der beiden bestehenden, bereits 2018 bewilligten Kieler Exzellenzcluster.

 

Die im Oktober 2020 ins Amt gekommene Fulda hatte ihren Erfolg von Anfang an strategisch und rhetorisch eng mit dem Abschneiden in der Exzellenzstrategie verbunden. Fünf Tage später nach der "ExStra"-Pleite erschien der erste Bericht über die Datenmanipulations-Vorwürfe in den Kieler Nachrichten, acht Tage später trat Fulda zurück. 

 

So drängte sich der Eindruck auf, dass der Kommentar der Lokalpresse genau den Punkt traf: Die Affäre drehte sich gar nicht allein um die Vorwürfe und deren Wahrheitsgehalt, sondern darum, dass einflussreiche Mitglieder der Universität Kiel ihre Präsidentin ohnehin loswerden wollten. Dass man nach dem Erscheinen von Schneiders Blogartikel offenbar das ExStra-Ergebnis abgewartet hatte, um – je nach Abschneiden – danach aktiv zu werden.

 

Was ist mit den Verfahren von
DFG und Uni Ulm?

 

Wohlgemerkt hatten sich die einzigen für die Wahl der Unipräsidentin zuständigen Hochschulgremien, Senat und Hochschulrat, in keiner Weise gegen Fulda positioniert, im Gegenteil: Am 9. Februar, einen Tag vor Fuldas Rücktritt, gab die Universität Kiel eine Pressemeldung zum enttäuschenden Abschneiden Kiels in der Exzellenzstrategie heraus, in der sich die Vorsitzenden von Senat und Hochschulrat hinter die Präsidentin stellten.

 

"Ich habe vollstes Vertrauen, dass Simone Fulda ihr Amt als Präsidentin der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel weiterhin mit großer Kompetenz und hohem Engagement ausüben wird", wird der Senatsvorsitzende Wolfgang J. Duschl zitiert, und die Hochschulratsvorsitzende Ursula Gather sagte: "Der Hochschulrat weiß die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit Präsidentin Simone Fulda an ihrer Spitze in den besten Händen und hat vollstes Vertrauen in die Präsidentin. Wir sehen die CAU mit dieser Präsidentin auf einem überzeugenden Weg, die strategische Weiterentwicklung der Universität weiter zukunftsfähig zu gestalten."

 

Im Archiv der Pressemitteilungen auf der Website der Universität sucht man die Meldung inzwischen vergeblich. 

 

Und nun also das Votum der Frankfurter Untersuchungskommission, ein faktischer Freispruch für Fulda? Nicht bekannt ist, wie weit die Arbeit der entsprechenden Gremien von DFG und Universität Ulm ist, in der Vergangenheit hatten beide Institutionen stets auf die Vertraulichkeit der Verfahren verwiesen (Aktualisierung siehe unten). Vorwürfe, die unter anderem auch auf der Plattform Pubpeer erhoben wurden, beziehen sich größtenteils auf die früheren Jahre, als Fulda in Ulm war. Auch wie weit die Untersuchungen gegen andere Autoren fortgeschritten sind, vor allen gegen Debatin, ist unbekannt. 

 

Die Goethe-Universität hingegen teilt öffentlich mit: "Für die von einem Dritten behauptete Datenmanipulation im Sinne eines bewussten und zielgerichteten Vorgehens hat die Kommission keinerlei Anhaltspunkte festgestellt. In den Fällen, in denen die nach der Satzung und den Vorgaben der DFG erforderliche Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren noch nicht abgelaufen war, konnte im Gegenteil mit Hilfe der Rohdaten nachgewiesen werden, dass die Experimente selbst nach den Regeln wissenschaftlicher Praxis durchgeführt wurden und die Ergebnisse nicht verfälscht sind."

 

Zwar sei es in Einzelfällen zu einer unbeabsichtigten Verwechslung von repräsentativen Beispielabbildungen und ähnlich gelagerten Versäumnissen gekommen. "Diese haben aber weder zu einer Veränderung am Inhalt der Abbildungen noch der Publikation insgesamt geführt. Sie wurden außerdem von der Wissenschaftlerin durch Korrekturmeldungen in den betreffenden wissenschaftlichen Zeitschriften unverzüglich richtiggestellt." Im Ergebnis habe daher die Kommission kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten Fuldas festgestellt "und das Verfahren unter Würdigung der Tatsache, dass Fulda durch ihre umfassende Kooperation zur Aufklärung der Angelegenheit und Richtigstellung beigetragen hat, wegen Geringfügigkeit im Einklang mit der Satzung eingestellt. Das Verfahren ist damit abgeschlossen."

 

"Ständige Androhung
von Reputationsverlusten"

 

Für Fulda ist es das nicht. Sie hat ihr Amt als Universitätspräsidentin verloren, ihre Reputation wurde nachhaltig beschädigt. Unabhängig davon, ob das Frankfurter Ergebnis durch die DFG und die Universität Ulm bestätigt werden sollte oder nicht, wäre es an der Zeit für die Akteure in Universität, Medien und Politik, sich mit ihrer Rolle in den überstürzten Geschehnissen des vergangenen Jahres auseinanderzusetzen. 

 

Die zurückgetretene Universitätspräsidentin sagte auf Anfrage: "Bevor laufende Verfahren in der gleichen Angelegenheit noch nicht abgeschlossen sind, werde ich mich aus Respekt vor diesen Verfahren in dieser Sache nicht äußern."

 

Ein Kommentar kommt dagegen von der inzwischen ehemaligen Vorsitzenden des Kieler Hochschulrats. Die "wichtigste Feststellung" der Frankfurter Untersuchung sieht Ursula Gather darin, dass "die Verwechslung der Abbildungen keinen Einfluss auf die wissenschaftlichen Resultate der Arbeiten hatte, weswegen der Vorwurf einer Täuschungsabsicht keinen Sinn ergibt". Zumal es sich um teilweise mehr als 20 Jahre alte Forschungsarbeiten handle, "die von der Fachwelt vielfach zitiert, repliziert und in all den Jahren niemals falsifiziert" worden seien.

 

Gather, von 2008 bis 2020 Rektorin der TU Dortmund, war im Mai 2024 von ihrem Amt als Hochschulratsvorsitzende zurückgetreten, offiziell ohne Begründung, doch intern ließ sie keinen Zweifel daran, dass sie mit ihrem Schritt gegen den Umgang mit Fulda protestieren wollte. 

 

Es könne immer sein, sagt Gather jetzt, dass es in einer Universität Gruppierungen und Personen gebe, denen die Entscheidungen einer Präsidentin oder eines Rektors missfielen. "Aber auf der Grundlage unbestätigter und unbewiesener Anschuldigungen einen solchen Druck aufzubauen, um eine Person aus dem Amt zu drängen, halte ich für äußerst fragwürdig." Unter der ständigen Androhung von Reputationsverlusten seien unpopuläre, aber nötige Entscheidungen an einer Hochschule kaum noch möglich.

 

 

Nachtrag 1: Am Freitagmittag teilte DFG-Pressesprecher Marco Finetti auf Anfrage mit, derzeit sei der DFG-Ausschuss zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens unter Leitung von DFG-Generalsekretärin Heide Ahrens mit der Prüfung der Vorwürfe gegen Fulda befasst. Damit befinde sich die Prüfung in der zweiten Stufe des zweistufigen DFG-Verfahrens bei Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Dies bedeute jedoch keine Vorentscheidung über den Ausgang. Vom jetzigen Verfahrensschritt aus seien grundsätzlich zwei Szenarien möglich: die Einstellung wegen Nichtbestätigung oder Geringfügigkeit des Fehlverhaltens oder aber die Feststellung eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens, woraufhin dem DFG-Hauptausschuss Maßnahmen vorgeschlagen würden. Sollte dies geschehen, würde der Hauptausschuss in einer seiner kommenden Sitzungen über diese beschließen; dies könne nach Terminlage frühestens Ende März 2025 sein. 

 

Die Sprecherin der Universität Ulm, Christine Liebhardt, sagte, es gebe gegenüber ihrer Antwort aus dem Oktober 2024 nichts Neues zu berichten. Damals hatte Liebhardt mitgeteilt, aufgrund des vertraulichen Verfahrens "können und dürfen wir nicht mitteilen, in welchem Prüfungsstadium sich laufende Untersuchungen befinden".

 

Nachtrag 2: Seit Fuldas Rücktritt steht die Universität Kiel ohne gewählte Spitze da und wird wohl noch eine Weile in diesem Zustand bleiben. Zwar hatte der Senat im November mit großer Mehrheit die für Personal- und Organisationsentwicklung zuständige Vizerektorin der Universität Halle-Wittenberg, Insa Theesfeld, zur neuen Präsidentin gekürt, doch hatte wenig später mit Lutz Kipp ausgerechnet ein früherer Kieler Unipräsident Konkurrentenklage erhoben. Der Grund: Kipp, direkter Vorgänger Fuldas, hatte sich ebenfalls beworben, war aber von der Findungskommission aus Senats- und Hochschulratsmitgliedern schon im Vorfeld aussortiert worden. Neben Theesfeld wurde nur ein weiterer Bewerber zur Wahl zugelassen. Als dieser überraschend absagte, war Theesfeld plötzlich die einzige Kandidatin. Der Senatsvorsitzende Matthias Vetter betonte laut Kieler Nachrichten, man freue sich weiter sehr auf die Zusammenarbeit mit Theesfeld. Das Wahlverfahren habe sich streng an die Regularien gehalten, doch habe der Senat beschlossen, die Wahlsatzung der Universität zu überarbeiten. Ziel sei, die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, "dass am Ende im Senat nur über eine ‚Einer-Liste‘ abzustimmen ist". Bis die Konkurrentenklage juristisch geklärt ist, ruht das Besetzungsverfahren.



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Dieser Blog zeichnete sich immer dadurch aus, dass er unterschiedliche demokratische Perspektiven in gegenseitiger Wertachtung gelten ließ. Dabei soll, muss und wird es bleiben, ganz gleich wie die Debatte anderswo sich entwickelt.

 

Mit bestem Dank und guten Wünschen für 2025

Ihr Jan-Martin Wiarda


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Kommentare: 3
  • #1

    #IchBinTina (Freitag, 10 Januar 2025 11:24)

    Hoffentlich nehmen DFG und HRK solche Fälle zum Anlass, ihre Verfahren, sowohl bei wissenschaftlichem Fehlverhalten, als auch bei Dienstvergehen (wozu z.B. Diskriminierung oder Machtmissbrauch gehören) zu überarbeiten - jetzt, wo es eine von ihnen getroffen hat. Denn zur Zeit sorgt der völlige Verlust von Vertrauen in die Verfahren dafür, dass Vorwürfe instrumentalisiert werden können. Der absolut unangemessene, herablassende Umgang der DFG mit Watch-Dog-Blogs (wie For Better Science), anonymen Hinweisgebenden oder Plattformen (wie PubPeer) ist ein entscheidender Faktor. Zur Zeit "dürfen" sich Hinweisgebende an die Ombudsleute oder das Ombudsgremium wenden und wenn eine vorläufige Untersuchung keinen Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten ergibt, "dürfen" die Hinweisgebenden Widerspruch einlegen, müssen dafür aber neue Beweise (!) beibringen. Die DFG-Gremien maßen sich regelmäßig an, die Motivation der Hinweisgebenden in ihre Entscheidungen einzubeziehen. Damit werden die Darlegungs- und Beweislasten Personen aufgebürdet, die gar nicht die Ressourcen haben, solche Fälle aufzuklären. Die Verfahren dauern absurd lange und der Kontext (Sonderbefristungsrecht, besonders ausgeprägte Abhängigkeitsverhältnisse, ...) wird komplett ausgeblendet. Insgesamt ist an der Verfahrensgestaltung deutlich zu erkennen, dass die DFG eine Einrichtung der Selbstverwaltung ist, der es vor allem um den Schutz der langfristig stimmberechtigten Mitglieder geht. Dass es anders geht, zeigen die USA: Das NIH ist eine staatliche Behörde, die Bundesförderung kann bei Verstößen gegen die Antidiskriminierungsgesetze (Title IX) entzogen werden. Es gibt nicht nur einen effektiven Whistleblower-Schutz, sondern auch qui-tam-Regelungen. Drittmittel können nicht an andere Universitäten "mitgenommen" werden, um die Erpressung der Universitäten zu verhindern, wenn sie gegen machtmissbräuchliche Laborleiter*innen vorgehen. In der Folge handeln die Leitungspersonen deutlich verantwortungsbewusster. S. z.B. der Fall von Francesca Gino/Harvard: Der Dekan hat die Blogger von Data Colada gebeten, ihre Ergebnisse erst zu veröffentlichen, wenn die Universität ihre Untersuchung abgeschlossen hat. Ich bin mir sicher, dass sich auch Leonid Schneider auf eine solche Vereinbarung einlassen würde, wenn ihm von der DFG nicht immer wieder diese unangenehme Herablassung entgegenschlagen würde. Im Fall von Francesca Gino wurde die Rechtmäßigkeit der Data-Colada-Publikation gerichtlich bestätigt und Harvard konnte den erheblichen Image-Schaden abwenden.

  • #2

    #IchStelleRichtig (Freitag, 10 Januar 2025 13:43)

    Es trifft nicht zu, dass die Universität in Kiel seit "Fuldas Rücktritt [...] ohne gewählte Spitze" dasteht.

    Sowohl Kanzlerin als auch Vizepräsidenten und Vizepräsidentin sind vom Senat gewählt und nehmen die Aufgaben des Präsidentenamtes derzeit aktiv und auf die jeweiligen Personen verteilt wahr.

  • #3

    Jan-Martin Wiarda (Freitag, 10 Januar 2025 14:33)

    @"#IchStelleRichtig": Vielen Dank für diese Richtigstellung. Ich hätte schreiben sollen "ohne gewählte Präsidentin" und bitte um Entschuldigung!

    Beste Grüße
    Ihr Jan-Martin Wiarda