Das Momentum wächst: Was der von Alan M. Garber angeführte Protest der Hochschulen in den USA bedeutet, warum die Zeichen auf Zuspitzung stehen – und wo eine Spaltung droht.

Widener Library der Harvard University (Symbolbild). Foto: Joseph Williams, CC BY 2.0,via Wikimedia Commons.
GUT MÖGLICH, dass die US-Wissenschaft eines Tages auf diese mutigen Worte Alan M. Garbers zurückblicken und sagen wird: Das war der Anfang des Aufstands der Anständigen, der die Wissenschaftsfreiheit (und womöglich weit mehr als nur diese) in den USA bewahrt hat. Donald Trump hat die Symbolik des Moments begriffen und hält entsprechend scharf dagegen.
"Am späten Freitagabend veröffentlichte die Regierung eine aktualisierte und erweiterte Liste von Forderungen und warnte, Harvard müsse diese erfüllen, wenn wir unsere 'finanziellen Beziehungen zur Bundesregierung aufrechterhalten' wollen", schrieb Harvard-Präsident Garber am Montag vergangener Woche an die eigene Universitäts-Community, aber eigentlich gerichtet an die gesamte akademische Welt. Obwohl einige der Forderungen der Regierung auf die Bekämpfung von Antisemitismus abzielen, handele es sich bei den meisten um eine direkte staatliche Regulierung der intellektuellen Bedingungen in Harvard. "Wir haben die Regierung über unseren Rechtsbeistand darüber informiert, dass wir die vorgeschlagene Vereinbarung nicht akzeptieren werden. Die Universität wird weder ihre Unabhängigkeit noch ihre verfassungsmäßigen Rechte aufgeben." Keine Regierung gleich welcher Partei dürfe, fügte Garber hinzu, privaten Universitäten vorschreiben, "was sie lehren dürfen, wen sie zulassen und einstellen dürfen".
Die Trump-Regierung reagierte unmittelbar, indem sie (wie erwartet) rund 2,3 Milliarden Dollar an mehrjährigen Zuschüssen und Verträgen auf Eis legte. Und während Harvard Klage gegen die Kürzungen einreichte mit der Begründung, diese verletzten die akademische Freiheit, unterzeichnete der Präsident unter anderem ein Dekret, das ausländische Spenden für Unis ins Visier nimmt.
So klingen autoritäre Regime
Denn, wie in den Nachrichtenagenturen ein Mitarbeiter Trumps zitiert wurde, es gebe den Verdacht, dass Universitäten wie Harvard Gesetze zur Offenlegung ausländischer Spenden verletzten. Der neue Erlass soll demnach dafür sorgen, dass Hochschulen zum Schutz von "nationalen und Sicherheitsinteressen" alle ausländischen Gelder offenlegen, die in ihre Einrichtungen fließen. So solle der "Markt der Ideen" vor aus dem Ausland finanzierter Propaganda geschützt werden.
So klingen autoritäre Regime. Trump selbst klang am Dienstag auf seiner Social-Media-Plattform "Truth Social" so: "Harvard ist eine antisemitische und extrem linke Institution, wie viele andere auch. Dort werden Studenten aus aller Welt aufgenommen, die darauf aus sind, unser Land zu zerstören. Dieser Ort ist ein liberales Durcheinander, das es einer gewissen Gruppe fanatischer Spinner erlaubt, ungehindert in die Unterrichtsräume zu gehen und zu kommen und dort verlogene Wut und Hass zu verbreiten. Es ist wahrhaft entsetzlich! Seit Beginn unserer Klagen tun sie nun so, als seien sie der Inbegriff des 'amerikanischen Idealbilds'. Harvard ist eine Gefahr für die Demokratie."
(Dass Trump sich im selben Post nebenbei einen Kleinkrieg mit einem Anwalt liefert, der jetzt Harvard, aber in anderer Sache auch sein Unternehmen vertritt, sagt dies nur nebenbei bemerkt, in seiner eitel-gekränkten Kleinkrämerhaftigkeit wieder einmal viel über die Psyche des Präsidenten).
Je lauter der Präsident wird, desto deutlicher tritt hervor, wie stark er das Handeln Harvards als Bedrohung für seine Agenda sieht und dass er in seiner Logik unbedingt ein Exempel statuieren muss. Doch auch die Universität scheint bereit, die Sache bis zuletzt auszufechten.
Harvards Voranschreiten ließ den Knoten platzen
Und ihrem Beispiel folgend traute sich zuletzt dann eine große Anzahl von Hochschulen und wissenschaftlichen Gesellschaften, einen öffentlichen Protestbrief zu unterzeichnen, veröffentlicht am Dienstag auf der Website der American Association of Colleges and Universities. Aus den anfänglich mehr als hundert Unterschriften vor allem von Unipräsidenten waren am Donnerstagabend über 400 geworden, Tendenz schnell steigend. Harvard, Yale, sogar die zuvor vor dem Druck aus Washington eingeknickte Columbia University: alle dabei. Auch große staatliche Universitäten wie jene aus Michigan oder Kalifornien.
Das ist angesichts der bisherigen vorsichtig-ängstlichen Zurückhaltung der meisten Chefetagen bemerkenswert, Harvards Voranschreiten hat den Knoten endlich platzen lassen. Denn klar ist auch: Hinter jeder Unterschrift eines Unipräsidenten steht die Unterstützung seines Hochschulrats, oft Board of Trustees oder Board of Governors genannt, in dem einflussreiche und an Privatunis nicht selten sehr konservative Leute sitzen. Sie neigen, vorsichtig gesagt, nicht zum Krawallmachen, haben bislang vermutlich viele Hochschulleitungen in ihrer Protestbereitschaft ausgebremst.
Doch damit scheint es jetzt vorbei zu sein, auch wenn die Stellungnahme, Überschrift "A Call for Constructive Engagement", eine Spur zurückhaltender formuliert ist als die Statements Alan Garbers, der übrigens auch mitunterzeichnet hat. "Als Leiter amerikanischer Hochschulen, Universitäten und wissenschaftlicher Gesellschaften sprechen wir uns geschlossen gegen die beispiellose staatliche Übergriffigkeit und politische Einmischung aus, die die amerikanische Hochschulbildung gefährdet. Wir sind offen für konstruktive Reformen und stellen uns nicht gegen legitime staatliche Aufsicht. Wir müssen uns jedoch gegen unangemessene staatliche Eingriffe in das Leben derjenigen wehren, die auf unseren Campi lernen, leben und arbeiten. Wir werden stets effektive und faire Finanzierungspraktiken anstreben, lehnen jedoch ab, dass über die Vergabe öffentlicher Forschungsgelder Zwang erzeugt wird."
Aufschlussreich ist beim Blick auf die unterzeichnenden Institutionen auch, wer nicht dabei ist, und das Fehlen dieser Schwergewichte wird umso offensichtlicher, je länger die Liste der Unterschriften wird. Vergeblich sucht man bislang nach so wichtigen und traditionsreichen staatlichen Universitäten wie der 32.000 Studierende starken University of North Carolina at Chapel Hill, die im nationalen Ranking aller privaten und staatlichen Hochschulen von US News & World Report auf Platz 27 liegt. Oder nach der University of Florida (62.000 Studierende, Platz 30), der University of Texas at Austin (52.000 Studierende, ebenfalls Platz 30) oder der University of Georgia at Athens (41.000 Studierende, Platz 46). Und das sind nur ein paar Beispiele aus den Top 50.
Eine Spaltung im Widerstand
Hier deutet sich im Widerstand gegen die Trump-Administration eine mögliche Spaltung an: Zwar sind es private wie staatliche Universitäten, die protestieren, was wichtig ist, obwohl sich die Regierung mit ihren drastischsten Maßnahmen bislang stärker auf einige Private konzentriert hatte mit der Begründung, diese seien besonders lasch im Umgang mit antisemitischen Ausschreitungen gewesen (wobei in Wirklichkeit, siehe Harvard, vor allem eine Rolle gespielt haben dürfte, dass dank ihrer Stiftungsvermögen ihre finanzielle – und damit politische – Widerstandsfähigkeit größer ist).
Doch unter den staatlichen Universitäten, die jetzt aufstehen, befinden sich bislang mehrheitlich jene aus demokratisch dominierten Bundesstaaten. Weil der Arm Trumps in den republikanischen bis in die vorrangig für die Hochschulen zuständigen Landesregierungen reicht. So dass die Courage der dortigen Hochschulleitungen mitunter nicht einmal für einen für die Einzelinstitution wenig riskanten Protestbrief im 400er-Geleitzug genügt? Oder aber die Hochschulleitungen hätten unterschrieben, haben aber von ihren Boards kein grünes Licht bekommen. An der University of North Carolina etwa wird das Board durch das Staatsparlament bestimmt.
Zu alldem passt, dass es schon vor Trumps erneuter Präsidentschaft mit dem Erstarken der MAGA-Bewegung einen wissenschaftlichen Braindrain aus republikanischen in demokratische Bundesstaaten gegeben haben soll, wie US-Wissenschaftler berichten. Ein Braindrain, der sich jetzt auf internationaler Ebene, raus aus Amerika fortsetzt?
Auch diese Frage könnte durch die von Harvard angeführte Auseinandersetzung entschieden werden, die unweigerlich auf eine weitere Zuspitzung zusteuert. Dieser Aufstand der Anständigen könnte zur Rettung der US-Wissenschaft werden. Oder in seinem Scheitern zum Sinnbild der Existenzkrise der amerikanischen Demokratie.
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Wolfgang Kühnel (Montag, 28 April 2025 18:52)
Gewiss: Präsident Trump geht autoritär und zudem auch noch reichlich plump vor. Widerstand dagegen ist richtig.
Aber man soll doch bitte nicht so tun, als hätte es vor Trump keine staatliche Einflussnahme auf die Universitäten und die Wissenschaft gegeben. Trump könnte sagen: "Ich mache das, was ihr schon lange gemacht habt, nur konsequenter."
Als Beispiel für Deutschland sei hier mal an eine ältere Sache von 1998 erinnert. Die SPD-geführte Landesregierung von NRW (noch unter Ministerpräsident Rau) hat die Streichung von Geldern als Mittel eingesetzt, um in einer gewissen Detailfrage eine bestimmte Universität zu erpressen. Es ging nicht um politische Grundsatzfragen im engeren Sinne, sondern "nur" um Regelungen bei Studiengängen, wo die Ministerial-bürokraten und Parteipolitiker meinten, es besser zu wissen als die Fachleute:
https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/dmvm-1998-0408/html
Später setzte sich das fort mit der Art und Weise, wie die sog. Bologna-Reform mit Bachelor und Master "nach Gutsherrnart" durchgesetzt wurde; sie wurde nie von einem demokratisch legitimierten Parlament beschlossen, obwohl es sich eigentlich um gesetzliche Regelungen handelte (man stelle sich heute mal eine ähnliche Änderung bei der Migrationspolitik vor). Auch damals stand im Raum, dass ein Fachbereich mit finanziellen Konsequenzen rechnen musste, falls er sich dieser Reform widersetzt und beim Diplom bleibt. Deswegen empfahl uns unser damaliger Dekan dringend eine Vorreiterrolle in dieser Frage, man könnte auch sagen: einen "vorauseilenden Gehorsam". Von einem "Widerstand der Anständigen" war nicht die Rede. Die Nachteile der Bologna-Reform wurden spätestens bei den Lehramtsstudiengängen sichtbar, wo man jetzt in 16 Bundesländern einen Wust von Regelungen mit "polyvalentem" 2-Fach-Bachelor geschaffen hat, alles nur, damit der Lehramts-Bachelor auf dem Papier "berufs-qualifizierend" genannt werden kann und die Bürokraten zufrieden sind. Plötzlich gab es neue Wissenschaften; aus einer Prüfungsordnung in Flensburg:
"Die Bachelor-Prüfung ist kumulativ. Sie bildet den berufsqualifizierenden Abschluss des Studiums der Vermittlungswissenschaften."