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Max-Planck-Generalsekretär Ludwig Kronthaler will Humboldt-Vizepräsident werden. Was sagt das über Max Planck aus?

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Artikelbild: Max-Planck-Generalsekretär Ludwig Kronthaler will Humboldt-Vizepräsident werden. Was sagt das über Max Planck aus?
Quelle: www.effinger-photography.de, bearbeitet

Es war eine Nachricht, die viele verblüfft hat. Ludwig Kronthaler, seit 2010 Generalsekretär der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), will Vizepräsident für Haushalt der Berliner Humboldt-Universität (HU) werden. Das "will" ist dabei entscheidend und noch wichtiger als die Tatsache, dass das HU-Kuratorium ihn vergangenen Freitag einstimmig als Kandidaten nominiert hat. Es ist ein erstaunlicher Coup, den die HU-Präsidentin Sabine Kunst da gelandet hat – oder landen wird, falls und sobald das HU-Konzil dem Vorschlag folgt und Kronthaler am 15. November in sein neues Amt wählt.

Doch verlassen wir zunächst für einen Augenblick Berlin und schauen nach München, wo die Max-Planck-Generalverwaltung residiert. Der Posten des MPG-Generalsekretärs war in der langen Geschichte von Deutschlands bekanntester Forschungsorganisation stets eine Schlüsselposition und meist mit herausragenden Persönlichkeiten besetzt. Einige von ihnen haben Max Planck fast stärker geprägt als ihre Präsidenten: Otto Benecke etwa, der ihren (Wieder-)Aufbau nach dem Zweiten Weltkrieg vorantrieb, oder sein direkter Nachfolger Hans Ballreich, der die MPG für die Sozialwissenschaften öffnete. Wer heute Generalsekretär ist, herrscht über eine 600 Köpfe starke Generalverwaltung und hat damit einen direkten Einfluss auf die Geschicke der weltweit 83 Institute, von dem die Verwaltungschefs der MPG-Schwesterorganisationen in der außeruniversitären Forschung, vor allem aber Leibniz und Helmholtz, nur träumen können. Ein in der Szene gern gebrauchte Metapher ist die des Geldtransporters, der einmal im Jahr die Steuermillionen im Innenhof der MPG-Zentrale abliefert. 1,8 Milliarden Euro sind das, um genau zu sein, dieses Jahr. Und dieses Geld verteilt dann wer auf die Institute: die Generalverwaltung.

Nein, natürlich nicht nach Gutdünken, sondern nach genau festgelegten Spielregeln. Aber wir alle wissen: Geld ist Macht. Der staatliche Zuschuss der HU soll 2017 übrigens bei 247 Millionen Euro liegen. Doch nicht nur Geld ist Macht: Die MPG rühmt sich gern, im Times-Ranking zur weltweit besten nicht-universitären Forschungseinrichtung gekürt worden zu sein, und in der Technologieforschung liege sie weltweit auf Platz 3 hinter At&T und dem Argonne National Laboratory. So steht es zumindest im deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag, und Max Planck hat dem nie widersprochen.

Sie verstehen, worauf ich hinaus will. Es muss eine Frage erlaubt sein. Nichts gegen die HU, im Gegenteil – von Sabine Kunst (und das zeigt nicht nur die aktuelle Personalie) ist einiges zu erwarten, aber dennoch: Warum bitte macht Kronthaler das? Im besten Fall ist es eine Wette auf die Zukunft, denn die nötige Machtfülle, um an der HU etwas bewerkstelligen zu können, muss erst noch geschaffen werden. Dass die wahrscheinlich neue rot-rot-grüne Berliner Koalition die Bezüge der Kanzler erheblich erhöhen möchte, wie aus Verhandlungskreisen zu hören ist, dürfte jemanden wie Kronthaler kaum locken.

Die Antwort, das darf man zumindest vermuten, muss auch in München liegen. Der Umbruch der Max-Planck-Gesellschaft, seit der neue Präsident Martin Stratmann 2014 das Amt übernommen hat, ist tiefgreifender, als viele es nach außen hin wahrnehmen. Immer wieder wird von Konflikten aus der MPG-Zentrale berichtet über die künftige Ausrichtung. Fest steht, dass die alte Selbstzufriedenheit der MPGler ("Zum Glück!", möchte man sagen) angekratzt ist und viele neue – und gute – Ideen kursieren. Ideen allerdings auch, die Instituten wehtun werden. Wie sich Kronthalers Abgang hier einordnet, ist Spekulation – solange bis er selbst sich dazu äußert. Dass er das in einem laufenden Verfahren nicht tun mag, ist nachvollziehbar.

Weil aber auch in der Generalverwaltung die Gerüchteküche brodelte, hat MPG-Präsident Stratmann am Montag in einer internen Mitteilung an alle Mitarbeiter Kronthalers Kandidatur bestätigt. "Diese Nominierung bringt die große Wertschätzung für die Expertise unseres Generalsekretärs zum Ausdruck", schreibt Stratmann. Und: "Sollte Herr Kronthaler die MPG tatsächlich verlassen, wäre das ein großer Verlust."

Für Berlin und die HU wäre er in jedem Fall ein großer Gewinn. Gleichzeitig steigt auf die HU der Druck, jetzt ihrerseits zu liefern. Ein Großkaliber wie Kronthaler will etwas bewegen, und dafür braucht er die nötige Freiheit. In der Vergangenheit jedoch hat sich die Universität der Einführung eines Kanzlerpostens anstelle des VP Haushalt verweigert – für Kunsts Vorgänger Jan-Hendrik Olbertz der Grund, nicht zur Wiederwahl anzutreten.

Wie hat Kunst in ihrem ersten Interview nach ihrer Wahl zur HU-Präsidentin gesagt: Es sei nicht relevant, wie das Amt heiße, "solange es attraktiv genug ist für den kleinen Kreis echter Profis, die dafür zur Verfügung stehen." Die HU stehe vor einer Reihe entscheidender finanzieller Weichenstellungen, und deshalb brauche sie eine Gesamtstrategie für Haushalt und finanzielle Planung, die von einem echten Experten mit der nötigen Kompetenz entwickelt wird. Und auf die Nachfrage, ob das nur ein Kanzler könne: "Wir brauchen eine Person mit der Professionalität und der Amtskompetenz, die gemeinhin Kanzler haben, ja.

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Kommentare

#1 -

Michael Kämper… | Mi., 02.11.2016 - 13:07
Lieber Herr Wiarda, viele Bemerkungen kann ich nachvollziehen. Dass ein VIzepräsident per se eine geringere Gestaltungsfreiheit als ein Kanzler hätte, lässt sich aber kaum belegen. Hier ist Ihre Retrospektive nach meiner Wahrnehmung nicht stimmig.

#2 -

Nikolaus Bourdos | Do., 03.11.2016 - 09:53
Ob jemand Kanzler oder Vizepräsident ist, ist ziemlich egal. Die Zuständigkeit/Verantwortungsbreite, wie sie auf dem Papier (im Organisationsplan) steht, ebenfalls. Entscheidend ist, wie man denjenigen "machen" lässt, ob und wie man ihn das Große und Ganze (mit)gestalten lässt.

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