· 

Englisch, so what?

Bayerns Wissenschaftsminister erlaubt den Hochschulen so viele englischsprachige Bachelor-Studiengänge, wie sie wollen. Eine Entscheidung, die Proteste auslösen dürfte – und trotzdem große Chancen bietet.

Foto: Pia / flickr - CC BY-NC-SA 2.0

ES IST EINE ART Freibrief: Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) hat den Präsidenten aller Hochschulen im Freistaat per Rundschreiben erlaubt, so viele englischsprachige Bachelorprogramme einzurichten, wie sie es für richtig halten.

 

Der Paradigmenwechsel ist bemerkenswert. Bislang herrschte auch in Bayern die Praxis, dass die akademische Grundversorgung auf Deutsch zu erfolgen hat. Studiengänge in einer Fremdsprache kamen nur in Frage, wenn es das entsprechend Angebot auch ohne Zulassungsbeschränkung auf Deutsch gab. Diese Regelung sei nicht mehr "zeitgemäß", befand Sibler jetzt. Zuerst hatte darüber die FAZ berichtet.

 

Der Proteststurm setzt schon ein. Wird hier die Wissenschaftssprache Deutsch einer naiv-neoliberalen Begeisterung fürs Englische geopfert? Koppelt sich die Wissenschaft weiter, nun auch sprachlich, von der Gesellschaft ab, die sie finanziert – obwohl alle doch mehr Wissenschaftskommunikation fordern? Herrscht an deutschen Unis künftig ein radebrechendes Möchtegern-Englisch vor, das die tiefgehende Reflexion erschwert – eben weil Sprache das Denken formt? Und schließlich: Darf Sibler den Unis überhaupt eine solche Erlaubnis geben, verstößt sie nicht gegen geltendes Recht, solange das Hochschulgesetz nicht novelliert ist?

 

Keine dieser Einwände sollten die Hochschulen auf die leichte Schulter nehmen. Sie tun gut daran, behutsam mit den neuen Möglichkeiten umzugehen, bei jedem neuen englischsprachigen Studiengang, den sie einrichten wollen, zu fragen, zu wessen Nutzen er dient – und ob es ausreichend Studierende gibt, die ihn auf einem vernünftigen Sprachniveau absolvieren können.

 

Jedes Willkommenssignal
ist hilfreich

 

Auf keinen Fall aber sollten die Hochschulen aus Angst vor der absehbaren Kritik die Chancen verstreichen lassen, die sich ihnen durch Siblers Freibrief eröffnen. Im Wettbewerb um die besten internationalen Studierenden, gerade in den MINT-Fächern, kann Deutsch als Unterrichtssprache eine Barriere darstellen. Und die schlausten Köpfe entscheiden sich oft nicht erst zum Master, welches Land sie für ihre akademische Ausbildung wählen. Sondern bereits zum Bachelor.

 

Da ist jedes Willkommenssignal hilfreich – erst recht wenn, wie gerade erst wieder eine Auswertung des Stifterverbandes ergab, viele internationale Studienanfänger sich in Deutschland ohnehin schon ausgebremst fühlen: durch die Bürokratie, durch fehlende Beratung, aber auch durch unzureichende englischsprachige Informationen.

 

Als noch wirkungsvoller könnte die Neuregelung sich erweisen, wenn es darum geht, wissenschaftlich exzellente Professoren aus dem Ausland zu holen. Es ist DIE Achillesferse der vielgerühmten deutschen Hochschulinternationalisierung: dass es bislang nicht gelang, den Anteil der ausländischen Professoren aus dem einstelligen Prozentbereich zu heben. Bisher dürften viele von ihnen abgewunken haben, sobald sie erfuhren, dass sie spätestens nach ein paar Jahren auch auf Deutsch lehren mussten. Damit könnte es in Bayern jetzt vorbei sein.

 

Dieser Kommentar erschien zuerst im WISSEN3-Newsletter der ZEIT.

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Thomas Hoffmeister (Donnerstag, 24 Oktober 2019 07:56)

    Gerade der letzte Punkt ist wichtig. Längst haben wir an deutschen Hochschulen eine hohe Diversität und Internationalität der Studierendenschaft, die in kaum einer Weise bei den Lehrenden repräsentiert ist. Und dies wird nur zu ändern sein, wenn Deutsch als Spreche in der Lehre nicht immer als Hindernis fungiert.

  • #2

    McFischer (Freitag, 25 Oktober 2019 11:54)

    Ich sehe auch das Problem nicht: Es ist ja nicht so, dass in Bayern nur noch englischsprachige Studienangebote eingerichtet werden dürften. Aufgehoben wird ja nur die Koppelung an parallel deutschsprachige Angebote. Und ja: im Sinne der Attraktivität für internationale Studierende und Lehrende sind solche Studiengänge natürlich absolut notwendig.

  • #3

    Susanne Hensel-Börner (Freitag, 25 Oktober 2019 16:00)

    Gutes Statement und Denkanstoß zu englisch- bzw. deutschsprachigen Studiengängen.
    Ein Politikum vielerorts, das meines Erachtens nicht ausreichend reflektiert und diskutiert wird.
    Nach 10 Jahren Lehre in beiden Sprachen im Bachelor und Master in einer Bandbreite von internationalen Studiengruppen bis hin zu Statistik auf Englisch für 28 deutsche Studierende, habe ich mich sehr bewusst für deutsch als Lehrsprache im Masterprogramm M.Sc. Digital Transformation & Sustainability entschieden.
    Auch wenn dies im ersten Schritt ein Hindernis für international Incomings darstellt. Kein Zweifel.
    Dennoch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass gerade bei der Studierendengeneration Smartphone Denken und Reflektieren lehren und lernen schon in der Muttersprache eine noch anspruchsvollere und zugleich spannendere Herausforderung geworden ist.

  • #4

    McFischer (Mittwoch, 30 Oktober 2019 13:47)

    @Hensel-Börner: Ihre Überlegungen finde ich beachtenswert. Allerdings dennoch drei (zugegeben kritische) Fragen:

    1. Ist im angeführten und von Ihnen gelehrten Masterprogramm allen 'Incomings' (und auch deutschen Studierenden) klar, dass hier wesentlich auf Deutsch gelehrt wird? (Ich stelle mir gerade mich als Studenten vor, der nach Finnland geht um dort einen Master 'International Peace Research' zu studieren - und bekomme dann am ersten Tag gesagt, dass alles in finnischer Sprache ist...)

    2. Suggeriert die englischsprachige Studiengangsbezeichnung z.B. Arbeitgebern nicht irgendwie, dass die Absolventen auch im Englischen fit sind, weil sie einen englischsprachigen Master durchlaufen haben?

    3. Den letzten Satz bezüglich Studierendengeneration/ Smartphone/ Herausforderung verstehe ich nicht - sprachlich wie inhaltlich.