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Die Corona-Zahlen fallen weiter, besonders bei Kindern und Jugendlichen

Erstmals seit vielen Monaten infizierten sich nachweislich mehr über 60-Jährige als unter 15-Jährige. Kinderärzte fordern Gleichbehandlung für Schüler in der Pandemie.

DIE OFFIZIELLEN CORONA-ZAHLEN fallen seit einigen Tagen mit immer größerer Geschwindigkeit. Heute Morgen meldete das Robert-Koch-Institut eine deutschlandweite 7-Tages-Inzidenz von 1.394. 30 Punkte weniger als gestern und 339 (19,9 Prozent) weniger als vor einer Woche. In den meisten Bundesländern geht es teilweise deutlich abwärts, nur in Hamburg stagnieren die Zahlen. 

 

Das RKI sah schon vergangenen Donnerstag den Höhepunkt der BA.2-Welle als möglicherweise überschritten. Doch ist der schnelle Rückgang echt, oder wird er dadurch überzeichnet, dass sich womöglich immer weniger Menschen testen lassen, weil der Druck der Corona-Regeln nachlässt?

 

Die aktuellen Testzahlen hat der Laborverband ALM heute vorgelegt, sie zeigen für die vergangene Woche weniger Test, aber auch eine Rückgang der Positivquote. Auch eine weitgehende Analyse der von den Gesundheitsämtern ans RKI übermittelten Corona-Meldungen spricht dafür, dass die Abwärts-Dynamik echt ist. Da nur noch Kinder in fast allen Bundesländern flächendeckend und anlasslos in Kitas und Schulen getestet werden, müsste sonst ihr Anteil an allen gemeldeten Neuinfektionen einen Sprung nach oben machen. 

 

Das war aber nicht der Fall in der vergangenen Kalenderwoche. Im Gegenteil: Zum wiederholten Male sank der Anteil der unter 15-Jährigen an allen registrierten Neuinfektionen. Er liegt jetzt noch bei 16,0 Prozent – nach mehr als 28 Prozent vor neun Wochen. Kinder und Jugendliche machen 13,8 Prozent der Wohnbevölkerung in Deutschland aus.

 

Die 7-Tages-Inzidenz nähert sich in
großen Schritten der von Erwachsenen an

 

Die Entwicklung ist beachtlich. Denn nähert sich die 7-Tages-Inzidenz der Kinder und Jugendlichen nicht nur immer stärker der der Erwachsenen an, sondern erstmals seit über einem Jahr infizierten sich in der vergangenen Kalenderwoche nachweislich weniger unter 15-Jährige als über 60-Jährige. Deren Anteil an allen Neuinfektionen stieg nämlich erneut kräftig auf zuletzt 16,2 Prozent. Auch hier der Vergleich zu Ende Januar: 7,5 Prozent.

 

Da in den meisten Bundesländern am Montag endgültig die meisten Corona- und Testpflichten für Erwachsene weggefallen sind, sind zwei Effekte in den nächsten Tagen und Wochen wahrscheinlich. Erstens: Die offiziellen Infektionszahlen werden zunächst noch weiter in den Keller gehen – bevor sie, wegen dem deutlichen Mehr an ungeschützten Kontakten noch dazu ungetesteter Personen, wieder klettern dürften. Zweitens: Mit dem Rückgang der Tests bei den Erwachsenen geht der Anteil der Kinder und Jugendlichen erstmal wieder nach oben, womöglich stark sogar.

 

Es wäre schön, wenn dann nicht wieder dieselben Debatten losbrechen würden, ob sich Kinder und Jugendliche in den Schulen besonders häufig infizieren. Die statistische Empirie hat nun zum wiederholten Male gezeigt: Das Gegenteil ist der Fall. Regelmäßig war es seit Einführung der Testpflicht in den Schulen so, dass der Anteil nachweislich corona-infizierter unter 15-Jähriger an allen gemeldeten Neuinfektionen ein paar Wochen nach den Schulferien seinen Höhepunkt erreichte und danach zurückging. Wie stark dieser Effekt nach den Weihnachtsferien war, habe ich oben dargestellt. 

 

Anteil der über 60-Jährigen an allen
Hospitalisierungen steigt auf zwei Drittel

 

Übrigens werden absolut und relativ gesehen auch seit Wochen immer weniger Kinder und Jugendliche mit einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert. Nach den aktuellsten RKI-Zahlen waren es in der vorvergangenen Kalenderwoche 12 gut 480, was 6,2 Prozent aller Hospitalisierungen entsprach. Auch hier der Gegenschnitt: Gut 5.100 über 60-Jährige mussten im gleichen Zeitraum stationär aufgenommen werden, 66,0 Prozent aller Einweisungen. Auch hier steigt der Anteil der Senioren seit vielen Wochen höher und höher.

 

Dank der Impfungen führen die hohen Inzidenzen bei den Älteren nicht mehr zu so vielen schweren Erkrankungen, und auch die meisten Krankenhausaufenthalte verlaufen ohne lebensbedrohliche Zuspitzungen. Das zeigt sich vor allem an der Zahl der auf den deutschen Intensivstationen behandelten Corona-Infizierten, die gestern mit 2.234 um 120 niedriger lag als vor einer Woche – und halb so hoch wie vor einem Jahr.


Klar ist aber auch: Wenn jetzt die allermeisten Corona-Regeln fallen und gerade auch umgeimpfte Ältere sich nicht mehr regelmäßig testen lassen müssen, könnten nicht nur die Corona-Infektionen bei den Senioren stark zunehmen, sondern auch die schweren Verläufe. Dass der Anteil der über 60-Jährigen schon jetzt so hoch ist unter den Krankenhauseinweisungen, ist ein Warnsignal. 

 

Für die Debatte über eine Impfpflicht für über 50-Jährige bedeuten das zusätzliche Pro-Argumente. Für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen bedeutet das: Wir dürfen sie nicht länger anders als die Erwachsenen behandeln.

 

"Wo bleiben die Kinder?",
fragen die Kindermediziner

 

Darauf wiesen gestern in einer gemeinsamen Pressemitteilung auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Berufsverband der deutschen Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und die Deutsche Gesellschaft für Pädriatrische Infektiologie (DKPI) hin. Unter der Überschrift "Wo bleiben die Kinder?" kritisierten DGKJ, BVKJ und DKPI, dass die Verpflichtung zu Selbsttests in Schulen bei gleichzeitigem Verzicht auf Masken in Schulen "fachlich nicht nachvollziehbar" sei. "Testverfahren können Infektionen entdecken, aber wer positiv getestet wurde, kann die Infektion vorab schon übertragen haben." Zudem lasse die Empfindlichkeit der Antigen-Schnellteste deutlich zu wünschen übrig. "Maskentragen in den weiterführenden Schulen dagegen ist einfach, es schützt andere vor einer Infektion, zusätzlich aber auch den Träger selbst vor einer Infektion durch andere." 

 

Durch die Beibehaltung der Pflichttests seien es wieder die Kinder, "die am Ende der Kette stehen. Sie werden noch auf längere Zeit von Isolation/Quarantäne und Sonderbestimmungen betroffen sein, einfach aufgrund fehlender Beachtung ihrer besonderen Lebensphase. Der Gesetzgeber scheint sie erneut vergessen zu haben." Bereits im Vorfeld des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes hätten DGKJ und andere Fachgesellschaften auf diesen Missstand hingewiesen, die Einwände seien aber unbeachtet geblieben.

 

Die Kultusminister haben sich indes darauf geeinigt, den Möglichkeiten im Infektionsschutzgesetz entsprechend die Tests an Schulen bis spätestens Mai überall auszusetzen. Schleswig-Holstein setzt den Beschluss als erstes Bundesland seit 21. März um, Rheinland-Pfalz folgt am 4. April. Und gestern beschlossen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern trotz Protesten von Patientenschützern, dass sich Corona-Infizierte vom 1. Mai an nicht mehr verpflichtend isolieren müssen. Ein weiterer einschneidender Wendepunkt im Umgang mit der Pandemie.



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