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Von Kafka lernen

Die Erwartungen an eine WissZeitVG-Reform sind da zur Enttäuschung verurteilt, wo das Gesetz etwas leisten soll, wofür es nicht gemacht sein kann. Wie wir die Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft wirklich verbessern können: ein Gastbeitrag von Laura Kraft.

Die Literaturwissenschaftlerin Laura Kraft ist Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen, Obfrau im Forschungsausschusses und Berichterstatterin ihrer Fraktion für das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Foto: Stefan Kaminski.

WER POLITIK VERSTEHEN WILL, liest am besten Kafka. Und Kafka versteht man zuweilen besser, wenn man in der Politik tätig ist. So eignet sich das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ("WissZeitVG") als Paradebeispiel für gelebte Praxis kafkaesker Gesetzgebungsverfahren. 

 

Wer seit 2021 die "#IchbinHanna-Debatten" und jüngst die heftigen Reaktionen auf die vom BMBF veröffentlichten Eckpunkte zum WissZeitVG verfolgt hat, weiß, welche Sprengkraft hierin liegt. Sie hat ihre Ursache in der jahrelangen, unsäglichen Dauerbefristungs-Praxis, die die Beschäftigten im wissenschaftlichen Mittelbau ausgezehrt und perspektivlos zurückgelassen hat. Hinzu kommt die ambitionslose Politik der vergangenen Jahre, die wesentliche Verbesserungen nicht einmal glaubwürdig angestrebt hat. Von einem Twitter-User wurde das drastisch auf den Punkt gebracht: Es gebe keinen Vertrauensvorschuss mehr für die Politik, wenn es um das WissZeitVG geht. Gar keinen. 

 

Die Debatte erinnert
an die "Türhüterlegende"

 

Das ist umso misslicher, weil das Ziel guter Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft bei der Bundespolitik verortet wird, aber zeitgleich gar nicht in deren alleinigem Handlungsradius und erst recht nicht vor allem in der Reform des WissZeitVG liegt. Die Debatte rund um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erinnert insofern an Kafkas "Türhüterlegende": Vor dem Gesetz steht ein Türhüter, von dem ein Mann vom Lande Eintritt verlangt. Der Türhüter lässt ihn aber nicht passieren, sondern verweist stattdessen auf die weiteren Tore hinter eben jenem Tor, wo jeweils ein noch viel mächtiger Türhüter stehen soll. Der Mann vom Lande versucht alles Mögliche, um Eintritt zum Gesetz zu erlangen, aber es gelingt ihm bis zum Schluss nicht. Dabei steht wohlgemerkt das Tor zum Gesetz offen und "das Gesetz soll doch jedem und immer zugänglich sein". 

 

Die überhöhten Erwartungen an eine Reform des WissZeitVG sind da zur Enttäuschung verurteilt, wo das Gesetz etwas leisten soll, wofür es nicht gemacht sein kann. Man will ein Gesetz, das für alle Hochschultypen, Karrierewege, Zielgruppen und Fächerkulturen unseres Wissenschaftssystems anwendbar ist. Mit bestmöglicher Anschlussfähigkeit an die internationale Akademia.

 

Gleichzeitig soll es unsere nationalen Besonderheiten berücksichtigen (Habilitation, Juniorprofessur etc.) und möglichst durchlässig planbare, sichere Karrierewege bieten. Es soll so flexibel sein wie der Arbeitsmarkt in der freien Wirtschaft (Festanstellung), aber im öffentlichen Dienst (ohne betriebsbedingte Kündigungen oder Lohnkürzungen). Und das alles in einem System, das zwar nach Exzellenz strebt und sich gern mit der anglo-amerikanischen Wissenschaftslandschaft vergleichen möchte, gleichzeitig aber in Laufbahnen (TVÖD!) denkt, beharrlich Erbhöfe verteidigt und Prekariat mit Innovation verwechselt. Wie soll das gelingen?

 

Wenn manche Stimmen unter anderem aus der "#IchbinHanna"-Bewegung argumentieren, die Arbeit in der Wissenschaft sei analog einer Beschäftigung in der freien Wirtschaft zu betrachten und entsprechend zu be- bzw. entfristen, so ist dies fraglich: Die zunehmende Ökonomisierung und Fokussierung auf Output und Verwertbarkeit in der Wissenschaft ist doch eben Teil des Problems. 

 

Ein Gesetz, das Befristungen regelt,
kann keine Dauerstellen schaffen 

 

Das WissZeitVG regelt das Sonderbefristungsrecht für die Wissenschaft. Ein Gesetz, das Befristungen regelt, kann keine Dauerstellen schaffen. Es kann keine strukturellen Probleme an den Hochschulen lösen, keine steilen Hierarchien abbauen oder Finanzierungsschwierigkeiten ausräumen. Das WissZeitVG ist zu einer Chiffre für tieferliegende, strukturelle Probleme in unserem Wissenschaftssystem geworden. Oder um es mit Kafka zu sagen: "Richtiges Auffassen einer Sache und Missverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus." 

 

Die SPD forderte jüngst ein Modell für die Postdoc-Phase, das maximal zwei Jahre Befristung nach der Promotion vorsieht und danach eine weitere Befristung nur ermöglicht, wenn eine Anschlusszusage für ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Entscheidende Punkte bleiben auch hier offen, denn es ist nicht sicher, ob sich nicht der Druck statt auf die Hochschulleitungen eher auf die Beschäftigten erhöht –auf Postdocs, aber auch schon auf die Promovierenden.

 

Dasselbe könnte bei einem Vorschlag passieren, der eine Verkürzung der Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase auf vier Jahre vorsieht. Eine Verlagerung auf Drittmittel statt einer Entfristung wäre ein negativer Effekt, der mit einer so angelegten Reform einhergehen könnte. Die befürchteten Effekte kann man allerdings kaum über Regelungen im WissZeitVG ausräumen, weil diese mitunter in Gesetzgebungskompetenzen der Länder liegen.

 

Was zu einem
echten Wandel führt

 

Auf längerfristige Sicht brauchen wir einen Struktur- und Kulturwandel in der deutschen Wissenschaft, der weiter greift, als die Höchstbefristungsgrenze auf die eine oder andere Anzahl von Jahren zu verschieben und den man auch nicht über das WissZeitVG verordnen kann. Der Wissenschaftsrat hat dazu einen wichtigen Prozess angestoßen, der in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen ist. Ich bin überzeugt: Ein Wandel, der mehr als nur auf dem Papier steht, geht nur mit einem breiten Instrumenten-Koffer abseits des Gesetzes. 

 

Deshalb brauchen wir jetzt ein Bund-Länder-Programm für moderne Governance- und Personalstrukturen. Analog zur Verstetigung des Programms für Tenure-Track-Professuren brauchen wir ebenso einen längst überfälligen "Tenure-Track-Mittelbau". Es bedarf klarer qualitäts- und leistungsorientierter Zielvereinbarungen in der Postdoc-Phase, die die Länder auch in Zielvereinbarungsregelungen ihrer Ländergesetze umsetzen müssen. Adäquate Mindestvertragslaufzeiten und eine Engführung des Qualifizierungsbegriffs neben angemessenem Stellenanteil und -umfang müssen im WissZeitVG verankert werden. Sinnvolle Höchstbefristungsquoten können eine positive Wirkung entfalten, wenn sie zukünftig im "Zukunftsvertrag Studium und Lehre" sowie im "Pakt für Forschung und Innovation" verankert werden. 

 

Der Wissenschaftsrat könnte begleitend angemessene Zielzahlen und Zeithorizonte für Universitäten, Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erarbeiten. Darüber hinaus könnten Bund und Länder mit einer Weiterentwicklung des Kapazitätsrechts über die Reduzierung von Lehrdeputaten Anreize für Entfristungen setzen. Die Schieflage im Verhältnis von Grundmitteln zu Drittmitteln muss endlich aufgelöst und ebenso müssen die Programmpauschale für forschungsbezogene Projektfinanzierung angehoben werden. 

 

Zu viel Zeit wurde schon mit ausufernden Debatten von mehr oder weniger reformwilligen Akteuren um einzelne Aspekte des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vergeudet. Wer eine wirkliche Veränderung will, nimmt das große Ganze in den Blick und holt alle an den Tisch, vor allem auch die Länder. Nachhaltige Reformen sind dringender denn je, damit der Wissenschaftsstandort Deutschland attraktiv, innovativ und exzellent bleibt – und damit die Talente im wissenschaftlichen Mittelbau unserer Hochschulen endlich ihr volles Potenzial entfalten können. Denn denen erging es in der Wissenschaft bisher nur allzu oft wie dem Mann in Kafkas "Türhüterlegende", der trotz offenem Tor bis zu seinem Lebensende vergeblich versuchte, ganz allein Eintritt zum Gesetz zu erlangen– um schließlich vom Türhüter gesagt zu bekommen: "Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn."


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Kommentare: 13
  • #1

    Carola Jungwirth (Montag, 22 Mai 2023 16:56)

    Die Problembeschreibung des Artikels (das Wissenschaftszeitvertragsgesetz als mit überhöhten Erwartungen befrachtete eierlegende Wollmilchsau ) ist wirklich eindrücklich und gelungen. ("Die überhöhten Erwartungen an eine Reform des WissZeitVG sind da zur Enttäuschung verurteilt, wo das Gesetz etwas leisten soll, wofür es nicht gemacht sein kann. Man will ein Gesetz, das für alle Hochschultypen, Karrierewege, Zielgruppen und Fächerkulturen unseres Wissenschaftssystems anwendbar ist. Mit bestmöglicher Anschlussfähigkeit an die internationale Akademia.") Möge dieser differenzierte Blick in die Lösungsfindung einfließen.

  • #2

    Johannes Freudenreich (Montag, 22 Mai 2023 18:22)

    Danke für diesen wertvollen Beitrag. Ich stimme Ihnen zu. Das war ja gerade das Erschreckende an dem vorgelegten Eckpunktepapier und an der Kommunikation durch das BMBF: Natürlich kann das WissZeitVG nur ein Baustein sein, aber flankierende Maßnahmen fehlten vollständig. Eine wirkliche Initiative, die weitere Bausteine liefert, ist leider nicht in Sicht. Ein Bund-Länder-Programm für moderne Governance- und Personalstrukturen wäre hier aus meiner Sicht eine sehr gute Idee. Die Karrierewege der Forschenden müssten dabei aber im Mittelpunkt stehen. Ansonsten wird ein solches Programm nicht die gewünschte Wirkung entfalten.

  • #3

    na ja (Montag, 22 Mai 2023 18:42)

    Die einfachste Lösung ist: Abschaffung des WissZeitVG.

    Niemand wird gezwungen, befristete Verträge anzunehmen. Aber jeder sollte selbst entscheiden dürfen, ob er das tun möchte, und dann auch die Verantwortung dafür übernehmen. Das nennt man Erwachsensein.

  • #4

    Michael Liebendörfer (Montag, 22 Mai 2023 19:32)

    Die Aussage, dass nicht alle Erwartungen erfüllbar sind, ist berechtigt. Ab da hat der Beitrag für mich aber die falsche Flughöhe. Anstatt wolkig zu formulieren, was alles Gutes so passieren könnte, hätte man doch auch konkret werden können:

    1. Was sind die zentralen Zielkonflikte?
    2. In welche Richtung will man sie auflösen?
    3. Wenn muss man dafür noch gewinnen (Länder, Hochschulen, ...)?
    4. Was sind die nächsten Schritte der Bundesregierung?

    Natürlich, Politik muss Leute enttäuschen. Wenn es eine Lösung gibt, die für alle super ist, dann finden wir die auch schon selbst.

    Dass aber eine verantwortliche Politikerin schreibt, man wolle ja, aber könne nicht, es sei so kompliziert, aber keine Sorge, es müsse dann eben eine Spur größer werden und mit anderen Politiker: innen — das ist in der Tat ein kafkaesker Akt.

  • #5

    Bernhard Emmer (Montag, 22 Mai 2023 19:58)

    Arbeitsverträge sind Deutschland (und in Europa) grundsätzlich entfristet. Das schützt Arbeitnehmer*innen als potentiell Schwächere vor unfairen Bedingungen im Sinne der sozialen Marktwirtschaft. Das WissZeitVG räumt der Wissenschaft ein Sonderbefristungsrecht ein. Das ist auch nötig. Obige prinzipielle Schutzfunktion gerade in dem von besonderen Abhängigkeiten geprägten Wissenschaftsystem abzuschaffen, verstärkt in meinen Augen (aus 15 Jahren Mittelbauvertretung) die prekären Verhältnisse.

  • #6

    Heidi Scheuch (Montag, 22 Mai 2023 21:46)

    Was will die Verfasserin des Artikels eigentlich sagen? Das Wissenschaftszeitgesetz führt dazu, dass wissenschaftl. Mitarbeiter bei den prekären Arbeitsverträgen ausgesprochene Idealisten in ihrem Job sein müssen. Wer sich das nicht antun will - kurzfristige Arbeitsverträge, ständiges Umziehen, geringes Gehalt, kaum Familienleben - geht aus der Wissenschaft oder ins Ausland. Und das führt kurz über lang dazu, dass man Deutschland als Wissenschaftsstandort vergessen kann, sollte sich an den Vertragsbedingungen für Wissenschaftler nicht grundsätzlich etwas ändern.

  • #7

    Johanna (Dienstag, 23 Mai 2023 01:56)

    Statt darüber zu lamentieren, dass eine Novelle des WissZeitVG nicht die Lösung der vielfältigen Missstände in der Wissenschaft sein kann - weil es als Sonderbefristungsrecht schlicht diese Missstände mit hervorgerufen hat (und auch die letzte Novelle daran nicht maßgeblich etwas ändern konnte, logisch) - und die Erwartungen zu hoch seien, wäre es für eine Politikerin wie Laura Kraft, die als GRÜNE Berichterstatterin mit am Verhandlungstisch beim BMBF saß und sitzt, angebracht, einerseits eine deutliche Stimme in der Ampel zu sein und andererseits die weiteren notwendigen Maßnahmen zügig (gern mit den Ländern) anzugehen. Das alles bitte gemeinsam mit Kai Gehring (wo steckt der überhaupt in dieser Frage?), dem GRÜNEN Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung.

  • #8

    Maren (Dienstag, 23 Mai 2023 09:36)

    Der Artikel suggeriert, dass nun wieder ein langjähriger Klärungs- und Diskussionsprozess angesetzt werde soll? Möglichst breit? Wie bitte? - Diesen hat es doch bereits vielfach gegeben: beim Bund, in einigen Ländern. In Brandenburg etwa wird seit fast drei Jahren mit allen Stakeholdern gesprochen. Ergebnisse wurden noch nicht kommuniziert Wann ringt sich die Politik denn nun zu Entscheidungen durch? - Vermutlich erst viel zu spät,wenn der Fachkräftemangel um 2030-2035 seinen Höhepunkt erreicht, die besten Leute schon längst mit den Füßen abgestimmt und die Wissenschaft verlassen bzw. nie betreten haben (letzteres ist ohnehin seit Jahren der Fall). - Was mich an der Diskussion am meisten stört, ist das Menschenbild, das Wissenschaftspolitiker:innen und Unileitungen offenbar vom Mittelbau haben: Als ob Promovierte nach 12 Jahren zum alten Eisen gehören würden bzw. sich als Spezialist:innen für die dynamische Neuausrichtung von Forschung nicht mehr eignen würden. Welch ein Quatsch. Auch Wissenschaftler:innen in mittleren Karrierestufen sind immer am aktuellen Forschungsstand, bilden sich quasi jeden Tag selbst weiter und sind hochqualifizierte Expert:innen, die viele Methoden beherrschen und auch in der fachlichen Breite weiterqualifizierbar und einsetzbar sind. Mitarbeiterentwicklung statt -entsorgung ist das Stichwort. Die meisten Unis sind einfach schlechte Arbeitgeber, die das Potenzial von gutem Personal nicht sehen. Diesen von der Professorenmehrheit dominierten Institutionen ist die Verfügungsgewalt an den Lehrstühlen über das Personal offenbar wichtiger als die Qualität des Personals. Erfahrene, evtl. Gleichaltrige Mitarbeiter:innen werden von den Profs rausgeworfen. Lieber werden Junge, Unerfahrene eingestellt und patriarchal als ungefährlicher eigener "Nachwuchs" aufgezogen. Verständlich: Wer wegen der Karriere oft kinderlos bleibt, will zumindest im Beruf eigenen "Nachwuchs" statt Adoption der erwachsenen Kinder des Vorgängers/der Vorgängerin. - Die Institution Universität braucht hier endlich einen Kulturwechsel in jeglicher Hinsicht! Die Politik muss mit scharfem Schwert intervenieren, was die Institution Universität selbst nicht aus eigener Kraft leisten kann. Ein Anfang wären die Erhöhung der Haushaltsmittel (unter Absenkung der Kurzzeitprojektfinanzierung) gebunden an einen Anteil von mind. 50% unbefristeter Normalarbeitsplätze im wiss. Mittelbau sowie ein demokratischeres Departmentmodell. Patriarchat/Matriachat ist einfach yesterday!

  • #9

    Günter Tolkiehn (Dienstag, 23 Mai 2023 15:34)

    Mir ist das zu breit und zu abstrakt angesetzt. Natürlich kann man mit dem WissZeitVG nicht Probleme lösen, deren Ursachen anderswo liegen, z.B. in den mittlerweile leider allein zuständigen, aber unterfinanzierten Ressorts der Länder. Seine Existenzberechtigung, die Ermöglichung von zweckentsprechend langen befristeten Beschäftigungen für den Sonderfall der hochkompetitiven akademischen Qualifikationsphasen zur Promotion und Habilitation, ist aber unbestritten und ebenso der Reformbedarf wegen seiner Schwachpunkte. Die streift die Autorin auch kurz. Mit meinen Worten:
    - Die Gestattung der längeren Befristung ist nicht klar und streng genug an die Voraussetzung des wissenschaftlichen Qualifikationsvorhabens gebunden (§ 2 Abs. 1 S. 1 und 2), so dass sogar Fachhochschulen ohne Promotionsrecht sich berechtigt fühlen.
    - Die unlimitierte Freigabe befristeter Beschäftigung bei Drittmittelfinanzierung (§ 2 Abs. 2). Diese wissenschaftlich völlig unbegründete, auf rein kaufmännischer Logik beruhende Schlechterstellung der Drittmittelbeschäftigten öffnet Tür und Tor für langfristig prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
    Beide Probleme sind lange bekannt. Frau Krafts Lebenslauf deutet auch auf eigene Erfahrungen damit hin.
    Eine Überarbeitung dieser beiden Normen könnte ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses sein.
    Dazu konkrete Überlegungen anzustellen, wäre nach meinem Verständnis der Job der Autorin als MdB und der Mühe wert. Das lehnt sie aber ausdrücklich ab. Statt dessen spekuliert sie über "das große Ganze" und was andere vielleicht zur Lösung aller Probleme tun könnten. Das finde ich, bei aller Wertschätzung für Kafka, ehrlich gesagt etwas wenig für unser Geld.

  • #10

    Julius (Dienstag, 23 Mai 2023 21:12)

    Liebe Frau Kraft, Ihr Vergleich hinkt m.E. an manchen Stellen, und ich frage mich, ob Sie hier zum Türsteher (Pardon, zur Türsteherin!) geworden sind. An einer Stelle gibt es sogar einen Denkfehler: Sie sehen die Forderungen nach regulären Beschäftigungsbedingungen außerhalb der Wissenschaft (bei Ihnen "in der freien Wirtschaft") und stellen dazu als Kontrast fest, dass die Ökonomisierung der Wissenschaft doch eben Teil des Problems sei. Ja, die Ökonomisierung der Wissenschaft ist ein großes Problem. Aber wenn die Arbeitsbedingungen außerhalb der Wissenschaft, in der freien Wirtschaft, bessere sind als in der Wissenschaft, dann zeigt das vor allem eines: Die Arbeitsbedingungen an Hochschulen sind NOCH VIEL SCHLIMMER als in der freien Wirtschaft. Es zeigt, dass auch nach einer Teil-Ökonomisierung es der Wissenschaft nicht gelungen ist, was in der freien Wirtschaft gelingt: Hervorragenden Leuten Perspektiven zu geben, damit sie geniale Ergebnisse (ja, Output!) liefern. Es zeigt, dass die Ökonomisierung der Wissenschaft mit einem WissZeitVG als Hire-und-Fire-Gesetz gescheitert ist. Anders als von Ihnen argumentiert, ist die Ökonomisierung der Wissenschaft also kein Gegenargument, um die Forderungen nach innovativen Arbeitsbedingungen zu hinterfragen. Sie vergessen dabei vielleicht, dass die Grundlage für Innovationen Arbeitsbedingungen sind, die ein Tüfteln, das dauerhafte Fragen, das Vertiefen ermöglichen. Und offensichtlich ist dies in der "freien Wirtschaft" immer noch besser möglich als in Hochschulen.

  • #11

    Go out (Mittwoch, 24 Mai 2023 10:33)

    Da fragt man sich doch, ob deutsche Politiker wirklich Ahnung vom echten Leben haben?!

    "Es soll so flexibel sein wie der Arbeitsmarkt in der freien Wirtschaft (Festanstellung), aber im öffentlichen Dienst (ohne betriebsbedingte Kündigungen oder Lohnkürzungen). "
    Auch im öffentlichen Dienst kann man kündigen. Festanstellungen in der freien Wirtschaft kann man auch kündigen.
    Nur wird Innovation in der Industrie nicht als Durchlauferhitzer betrieben, weil man seine assets nicht verlieren möchte.
    Die deutsche Wissenschaft ist eigentlich nur noch armselig und sicherlich nicht mehr Weltspitze. Das liegt an der jahrelangen Unterfinanzierung.
    Da zeige ich in Zukunft Deutschland den Rücken, verdiene meine Brötchen im Ausland, und zahle weniger Steuern im Ausland.

  • #12

    Ralf Meyer (Mittwoch, 24 Mai 2023 13:32)

    Nur die Bundesländer können zusätzliche Dauerstellen schaffen — der Bund finanziert ja nur befristete Projekte. Insofern kann der Bund nur indirekt darauf einwirken. Mögliche Hebel hierzu sind die befristeten Drittmittel, die er vergibt. So kann man von einer exzellenten Universität durchaus eine nachhaltige Finanzierung und eine darauf aufbauende gesunde Personalstruktur verlangen. Bisher wird im Wettbewerb dagegen auf hohe Drittmitteleinwerbungen gesetzt, was insbesondere einen hohen Anteil an befristet Beschäftigten mit sich bringt. Auch bei Kofinanzierungen von Projekten könnte der Bund von den Ländern Leistungen im Bereich dauerhafter Stellen und gesunder Personalstruktur verlangen, statt einen Beitrag der Länder zu den befristeten Projekten. Selbst bei riskanten Projekten sollte es ja eine faire Chance geben, dass das Projekt, wenn es erfolgreich ist, dauerhaft fortgeführt werden kann. Statt einer Kofinanzierung der Länder für Programme im Bereich Lehre könnte der Bund durchaus verlangen, dass die Länder sich dazu verpflichten, solche Verstetigungen von Projekten im Erfolgsfall sicherzustellen.

  • #13

    Konrad Wolf (Mittwoch, 24 Mai 2023 18:44)

    Einer der klügsten Beiträge, die mir zu diesem Thema in den vergangenen zwei Jahren begegnet sind.