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Die Geschichte hinter den 20,8 Milliarden

Der BMBF-Haushalt steigt auf ein Allzeithoch. Doch wie bedeutsam ist diese Zahl wirklich? Und kann Anja Karliczek sie für sich reklamieren?

Was ist wofür? Auf der Webseite des Bundesfinanzministeriums kann man es herausfinden.

DIE GUTE NACHRICHT ging fast ein wenig unter: Der Haushalt des Ministeriums von Anja Karliczek (CDU) soll nächstes Jahr auf 20,8 Milliarden Euro steigen – ein Allzeithoch. Doch von der Opposition und in den meisten Medienberichten (auch hier im Blog) wurden vor allem die Sperrung von 190 Millionen Euro aus dem Hochschulpakt thematisiert – und die Ansage des Haushaltsausschusses, künftig Gelder aus Bund-Länder-Programmen grundsätzlich erst freizugeben, nachdem ihn die Bundesregierung "angemessen" informiert und beteiligt habe. 

 

20,8 Milliarden Euro für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) – das sind fast 80 Prozent mehr als vor zehn Jahren und nochmal 500 Millionen mehr als noch im September vorgesehen. Beeindruckend vor allem vor dem Hintergrund einer schrumpfenden Wirtschaft und wegbrechender Steuereinnahmen. Der Beweis, dass die Bundesregierung in Zeiten einer Rekordverschuldung zugleich beherzt in die Zukunft investiert? Und: Ein persönlicher Erfolg Anja Karliczeks? 

 

Ganz so strahlend war die haushaltspolitische Bilanz der 2018 ins Amt gekommenen Ministerin bislang nämlich nicht. Der Haushaltsansatz für 2017, dem letzten Amtsjahr ihrer Vorgängerin Johanna Wanka (CDU), hatte bei 17,65 Milliarden gelegen. Für die Folgejahre 2018 und 2019 war dann für Karliczek kaum mehr drin gewesen als Stagnation: 17,62 Milliarden für 2018; 18,27 Milliarden für 2019. Wobei es sich wie gesagt jeweils um die Haushaltsansätze handelt. Denn die tatsächlichen Ausgaben entwickelten sich noch verhaltener: Hatte Wanka im Wahljahr 2017 370 Millionen Euro nicht ausgegeben, gingen in Karliczeks erstem Jahr als Ministerin 460 Millionen zurück ans Finanzministerium, 2019 dann sogar 810 Millionen Euro. Obwohl die ersten Amtsjahre einer Ministerin ja besonders von einem Aufbruch geprägt sein sollten.

 

Bei Karliczeks Vorgängerinnen wuchs
der Haushalt noch schneller

 

Zum Vergleich: Wanka hatte in ihren ersten drei Amtsjahren jeweils mindestens so viel und 2013 sogar 110 Millionen mehr als veranschlagt ausgegeben. Auch hatte Wanka es geschafft, den BMBF-Haushalt gegenüber 2012, dem letzten Schavan-Jahr, bis 2014 um 8,6 Prozent zu steigern – bis 2016 sogar um 26,7 Prozent. Übrigens konnte Karliczeks Vorvorgängerin Annette Schavan zuvor teilweise sogar noch höhere Wachstumsraten verbuchen.

 

Bei Karliczek dagegen stand nach den ersten zwei Jahren ein veranschlagtes Haushaltsplus von 3,5 Prozent in den Büchern (bei den tatsächlichen Ausgaben +1,0 Prozent). Mit dem vor dem Wochenende beschlossenen Rekordhoch von 20,8 Milliarden für 2021 brächte es das BMBF dann innerhalb von vier Jahren Karliczek auf ein Plus von 20,3 Prozent.

 

Respektabel – allerdings muss man auch hier den größeren Kontext sehen: Parallel zu den 26,7 Prozent BMBF-Wachstum zwischen 2013 und 2017 legte der Bundeshaushalt insgesamt nur um 6,8 Prozent zu. Die Investitionen in Bildung und Forschung entwickelten sich also stark überdurchschnittlich – wie schon seit Mitte der Nullerjahre. Anders dann zwischen 2017 und 2019: Den 3,5 Prozent mehr beim BMBF standen 7,9 Prozent beim Gesamt-Bundeshaushalt gegenüber. Und nimmt man die gesamten vier Jahre bis 2021, werden die 20,3 Prozent (+1,62 Milliarden) zusätzlich für Karliczeks Ministerium von schwindelerregenden 50,6 Prozent (+167 Milliarden) für alle Ressorts gemeinsam in den Schatten gestellt.

 

Anders formuliert: Die krisenbedingt explodierten Bundesausgaben haben diesmal den BMBF-Haushalt mitgezogen – aber unterdurchschnittlich. Während bis 2017 der BMBF-Haushalt weit über ein Jahrzehnt lang teilweise dreimal so schnell und mehr wuchs als das Gesamtbudget der Bundesregierung. Plötzlich sehen die vor allem von den Chefhaushältern der GroKo-Fraktionen ermöglichten 20,8 Milliarden  eher wie ein Trostpreis aus – nach den aus Sicht des BMBF enttäuschenden Haushaltsjahren 2019 und 2018.

 

Schon 2017 hatte sich ein Prioritätenwechsel 
der Bundesregierung angekündigt

Wobei weder das große Plus für 2021 noch die verhaltene Entwicklung zuvor vorrangig Karliczeks Verantwortung ist: Nach den vielen aus Sicht des BMBF fetten Haushaltsjahren hatte sich schon zu Ende von Wankas Amtszeit eine Konsolidierung angedeutet. Es zeigte sich, dass die Bundesregierung die Ausgaben für Bildung und Forschung auf hohem Niveau halten, aber zugleich auch wieder andere Prioritäten setzen wollte. Karliczek muss sich indes vorhalten lassen, dass sie diesen Trend nicht hat drehen können. Und auch das kräftige Plus 2021 hätte es ohne die Krise nicht gegeben – wobei diese Feststellung nicht die bewusste Prioritätensetzung der Politik für Wissenschaft und Innovation inmitten der Pandemie relativieren soll.

 

Interessant ist übrigens der Blick auf die großen Aufgabenfelder im BMBF und wie sie sich in den vergangenen Jahren entwickelt haben. Dabei fällt auf, dass laut Bundesfinanzministerium zwischen 2017 und 2020 besonders das Feld "Forschung für Innovationen und Hightech-Strategie" stark zugelegt hat – um 2,1 auf 8,2 Milliarden Euro. Ein Großteil des Wachstums (810 Millionen) geht dabei zugunsten der Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft. 400 Millionen zusätzlich sind beispielsweise auch zur "Unterstützung der anwendungsorientierten Forschung" für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen vorgesehen – ein von den Hochschulen wegen seiner Einseitigkeit scharf kritisierter Bestandteil des Corona-Konjunkturpakets. Ebenfalls mehr Geld erhielten Helmholtz (+282 Millionen) und die Fraunhofer-Gesellschaft (+105 Millionen) – wie im Pakt für Forschung und Innovation mit seinem regelmäßigen Plus für die "Außeruniversitären" verabredet.

 

Im Gegenschnitt stagnieren seit 2017 bei gut sieben Milliarden die BMBF-Ausgaben für die "Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Innovationssystems", worunter als größter Posten der Hochschulpakt aufgeführt wird. So sanken die Ausgaben für dieses Bund-Länder-Programm von 2,8 Milliarden Euro 2017 auf knapp 2,2 Milliarden Euro im laufenden Jahr (jeweils inklusive DFG-Programmpauschalen). Zugelegt haben dagegen (der Pakt für Forschung und Innovation lässt erneut grüßen) die Ausgaben für die "DFG–laufende Zwecke" (+193 Millionen) oder auch für die Max-Planck-Gesellschaft (+150 Millionen).

 

Ein geringes Wachstum auf 5,4 Milliarden verzeichnete zwischen 2017 und 2020 das Aufgabenfeld "Leistungsfähigkeit des Bildungswesens, Nachwuchsförderung" – wobei sich die zusätzlichen 580 Millionen sehr ungleich verteilen. Machte das Schüler- und Studierenden-BAföG 2017 mit 2,5 Milliarden noch deutlich mehr als die Hälfte dieses Ausgabenfeldes aus, sank es bis 2020 auf 2,15 Milliarden – während 2020 1,25 Milliarden in den Ausbau von Ganztagsschulen und Kitas flossen – Posten, die 2017 noch gar nicht existiert hatten. 

 

2020 fiel (wie seit Jahren geplant) übrigens ein anderer großer Ausgabenposten weg: rund 695 Millionen Euro Kompensationsmittel für den Hochschulbau, die der Bund den Ländern befristet zahlen musste. Sie sind jetzt nicht mehr im BMBF-Haushalt enthalten – was den Sprung von 2019 (18,27) auf 2020 20,31 Milliarden noch beeindruckender aussehen lässt. 

 

In der Gesamtschau ist auch das Allzeithoch von 20,8 Milliarden respektabel und nach der Stagnation in den ersten Jahren ihrer Amtszeit eine wirklich gute Nachricht für Anja Karliczek. Zu den alten Wachstumsraten lässt es den BMBF-Haushalt jedoch nicht zurückkehren. 

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