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"Die Lücke schließen"

Schulfinanzierung per Crowdfunding? Susanne Maurer von der Berliner Quinoa-Schule erklärt, wie das gehen soll.

Vor der Bundestagswahl diskutierten Quinoa-Schüler mit den Kandidaten – und forderten sie mit ihren Fragen.
Foto: Quinoa

Frau Maurer, für die Quinoa-Schule in Berlin verantworten Sie eine Crowdfunding-Kampagne. 60.000 Euro an Spenden haben Sie sich als Ziel gesetzt bis zum 18. Mai. Sind die Berliner Schulen jetzt so arm, dass sie betteln gehen müssen?

 

Es geht nicht ums Betteln, es geht darum, neue pädagogische Ideen zu finanzieren. Quinoa ist keine staatliche Schule, ganz bewusst nicht. Wir wollen eine andere Form von Unterricht machen, und wir wollen Beziehungen zu unseren Schülern aufbauen. Als private Schule bekommen wir aber nicht 100 Prozent unserer Ausgaben durch den Staat finanziert. Die Lücke müssen wir selbst schließen.

 

Die Quinoa-Schule, gegründet 2014 im Berliner Wedding, will helfen, den Hunger nach Bildung zu bekämpfen in einem Stadtbezirk, dessen Schüler bislang regelmäßig am Ende der Bildungsstatistiken auftauchen. Eine "Schule für alle" wollen Sie sein.

Susanne Maurer. Foto: privat
Susanne Maurer. Foto: privat

Was uns wohl nicht zur stereotypischen Privatschule macht, auch unsere Kinder und Jugendlichen sind nicht so, wie die meisten Leute sich die Klientel von Privatschulen vorstellen. Die meisten stammen aus Familien, die als sozial benachteiligt gelten, und dadurch, so formulieren wir das, haben sie einfach andere Bedürfnisse: das bezieht sich auf das Lernumfeld und auch auf den Umgang der Lehrkräfte mit ihnen. Denen begegnen wir durch spezielle Tutorenprogramme, durch Projektunterricht und durch Mentoren, die unsere Schüler über die Quinoa-Zeit hinaus in die Ausbildung oder in die Oberstufe begleiten. Jeder dieser pädagogischen Bausteine, vor allem aber der grundsätzliche Beziehungsaufbau kosten zusätzliches Geld, und da nur 17 Prozent unserer Eltern überhaupt Schulgeld zahlen können, müssen wir die Lücke zwischen den staatlichen Zuschüssen und dem tatsächlichen Aufwand anders schließen.

 

Crowdfunding für Bildung – läuft das denn überhaupt?

 

Zumindest gibt es Vorbilder. Kiron Open Higher Education hat 2014 angefangen, ihre Studienangebote für geflüchtete Menschen über Crowdfunding zu finanzieren, das hat uns inspiriert. Natürlich wollen wir unsere Kampagne auch nutzen, um auf unser Ziel chancengerechter Schulbildung aufmerksam zu machen, damit noch mehr Schüler von unserer Schule erfahren. Genau wie die Spender und Unterstützer, die wir brauchen. >>


Aufgeschlossene Gesellschaft 

Im vergangenen Herbst habe ich die Quinoa-Schule besucht. Was ich dort erlebt habe, können Sie in der Süddeutschen Zeitung nachlesen. 


>> Wenn man Ihnen zuhört, sind 60.000 Euro plötzlich gar nicht mehr so viel.

 

Aber schwer genug zu erreichen. Momentan stehen wir erst bei gut 10.000 Euro. Schaffen wir bis zum 18. Mai nicht die 60.000 Euro, lösen sich alle bisherigen Spendenzusagen in Luft auf. Das sind die Regeln bei einer Crowdfunding-Kampagne.

 

Und warum 60.000 Euro?

 

Momentan hat Quinoa 110 Schüler. Wir wollen in einem ersten Schritt auf 130 anwachsen. Die Finanzierungslücke pro Platz und Jahr liegt bei rund 3000 Euro: mal 20, und Sie haben unser Ziel.

 

Gibt es eine Mindesthöhe für Einzelspenden?

 

Wir freuen uns über jeden Euro. Aber um unser Engagement anschaulicher zu machen, können Sie auf der Crowdfunding-Website einzelne Pakete buchen: von 7,50 Euro über 125 Euro für ein Zwei-Wochen-Stipendium bis hin zu einem halben oder sogar einem vollen Schulplatz. Eine Anerkennung gibt es für die Spender auch: einen Quinoa-Turnbeutel zum Beispiel für 80 Euro, ein gemeinsames Abendessen für 90 Euro, und wer einen ganzen Schulplatz bezahlt, der bekommt unter anderem die Möglichkeit, selbst bei einer Unterrichtseinheit in unseren Fächern "Interkulturelles Lernen" oder "Zukunft" mitzumachen.

 

"Thrive, Education for the Future – A New Job Description for Schools": Das ist das Motto der Kampagne.

 

In der wir eine Reihe von Fragen an uns und an die Gesellschaft insgesamt formulieren: Wie können wir unsere Schüler auf eine Zukunft vorbereiten, in der sie konfrontiert sind mit den Folgen der digitalen Transformation, von Klimawandel, Flüchtlingsströmen und gesellschaftlichen Spannungen? Welche Haltungen und Fähigkeiten braucht die junge Generation? Was muss Schule für die Zukunft vermitteln? Und wie schaffen wir es, dass alle von Bildung profitieren und unsere Gesellschaft engagiert gestalten? Über diese Fragen wollen wir mit den Menschen ins Gespräch kommen und ihnen vor Augen führen, wie wichtig ihr Engagement ist.

 

Aber wie kommen Sie denn an all die potenziellen Spender ran? Nur eine Website online stellen wird nicht reichen.

 

Wir fangen ja nicht bei null an. Wie gesagt: Unsere Schule ist von Anfang an auf Spenden angewiesen gewesen. Wir haben einen großen Kreis von Unterstützern, die unsere Botschaft über ihren Bekanntenkreis weiterverbreiten. Und wir arbeiten gerade jetzt eng mit den verschiedensten Netzwerken aus dem Bildungsbereich und (Social) Start-Up Umfeld zusammen. Da werden wir sehr engagiert unterstützt. 

 

Das Netzwerk On Purpose zum Beispiel, das Menschen die Chance bietet, einen Jobwechsel zu machen, wenn Sie eine – Zitat – "Karriere mit Sinn" anstreben: weg aus dem Hamsterrad der Wirtschaft, rein in gemeinnützige Organisationen. Sie selbst sind so für sechs Monate an die Quinoa-Schule gekommen.

 

Und manage jetzt die Kampagne, genau. Solche Netzwerke helfen ungemein. Aber wir machen natürlich auch klassische PR. Zum Beispiel indem wir Interviews mit Journalisten wie Ihnen führen. Das ist natürlich alles ein bisschen auf Sicht, die Öffentlichkeitsarbeit können Sie im Vorfeld einer solchen Kampagne gar nicht planen, die muss live sein.

 

Welche Lektionen haben Sie schon lernen müssen?

 

Zum Beispiel, dass Geld bei unseren Unterstützern nicht die wertvollste Ressource ist. Das ist auch die Zeit. Und darum hilft es der Verbreitung unserer Botschaft ungemein, wenn wir den Leuten schon Vorlagen oder sogar fertige Posts für Facebook und Twitter zur Verfügung stellen. Für uns ist das jede Menge Detailarbeit. Man unterschätzt einfach, wieviel Aufwand es kostet, so eine Kampagne zu starten und am Laufen zu halten.

 

Und all der Stress, damit am Ende der Kampagne sofort wieder das Geld alle ist? Die 60.000 Euro reichen doch ohnehin nur für ein Jahr, haben Sie gesagt.

 

In der Crowdfunding-Szene sagt man: Nach der Kampagne ist vor der Kampagne. Am liebsten ist uns natürlich, wenn möglichst viele Spender durch die Kampagne auf den Geschmack kommen, dabeibleiben und ihre Beiträge allmählich steigern. Unser nächstes Ziel sind 240.000 Euro für dann 80 zusätzliche Plätze.

 

Die Kampagne als Einstiegsdroge?

 

So könnte man das sagen. Am Ende hätten wir gern jede Menge Heavy-User-Spender.


Zur Website der Quinoa-Kampagne
geht es hier.

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Kommentare: 1
  • #1

    Klaus Hekking (Mittwoch, 25 April 2018 14:11)

    Tolle Initiative für mehr Bildungsvielfalt. Die Diversifikation des Bildungssystems kommt voran, langsam zwar, aber immerhin