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Tatkraft und Zuversicht

Wenn es um die Pandemie-Eindämmung geht, denkt die Bundesregierung zuerst an Kita- und Schulschließungen. Wenn sie über Perspektiven nach Corona spricht, vergisst sie die Kinder und Jugendlichen dagegen häufig – oder beschränkt sich auf Unkereien.

BUNDESKANZLERIN ANGELA MERKEL erwartet im Herbst eine "schwierige Situation" an den Grundschulen. Diesen Sommer könnten zwar Teenager zwischen 12 und 15 geimpft werden, doch bei den Unter-12-Jährigen, sagte die Bundeskanzlerin laut RTL, könne es bis zu einer Impfung noch "sehr lange" dauern, und damit meine sie: "Nicht vor Frühjahr 2022" – weshalb Deutschland sich auf den Grundschul-Betrieb mit ungeimpften Kindern einstellen müsse.

Ich gebe zu: Diese Unkerei stört mich inzwischen gewaltig – so wie es die Fixiertheit großer Teile der Bundesregierung auf Kinder als das Problem in der Corona-Krise schon länger tut. Sobald neue Eindämmungsmaßnahmen anstanden, fielen der GroKo als erstes stets die Kitas und Schulen ein. Und wenn die Länder nicht mitziehen wollten, wurden sie für ihr Zaudern öffentlich an den Pranger gestellt. Was ja noch stimmig hätte sein können, wenn der Bund nicht gleichzeitig selbst so gebremst hätte, was härtere Maßnahmen für Betriebe und Erwachsene anging. Eine nächtliche Ausgangssperre? Gab es lange nur für Hochinzidenzen ab 200. Eine Testpflicht auch Mitarbeiter? Auf keinen Fall! Es waren Bundesländer, nicht der Bund, die sich hier und da entschlossen, mehr zu machen. So wie Bremen, das alle Arbeitnehmer, die sich nicht im Homeoffice befinden, jetzt wie die Kinder zweimal die Woche zu Corona-Tests verpflichtet.

Sobald es aber um Lockerungen geht, vergessen viele Bundespolitiker die Kinder plötzlich wieder. Zum Beispiel, als Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz neulich sagte, er wolle, "dass wir als Regierung klare Öffnungsschritte für den Sommer festlegen". Scholz sprach von Restaurants, Urlaubsreisen, Konzerten, Theater und sogar Fußball im Stadion. Und was ist mit Kitas und Schulen? Kein Wort.

Härte bei der Schließung, Inkonsequenz bei der Öffnung?

Was die Kinder, Familien, Kitas und Schulen brauchen, ist keine Unkerei, sondern Tatkraft. Wenn die Inzidenzen regional unter 100 fallen, müssen alle Bundesländer bereit sein, die dortigen Grundschulen aus dem Wechselunterricht in den vollen Präsenzunterricht wechseln zu lassen. Das dürfen sie dann nämlich, eigentlich sogar alle Schulen – unter den nötigen Hygienevorkehrungen. Es lässt sich sonst schlicht nicht erklären, warum die Politik bei der Schließung Härte zeigt, bei der Öffnung aber Konsequenz vermissen ließe. Erst recht vor dem Hintergrund der eindringlichen Berichte von Bildungsforschern und Jugendmedizinern über die pädagogischen, sozialen und psychologischen Folgen der schon viel zu langen Schulschließungen.

Ebenfalls eine Frage der Tatkraft: Warum dauert es denn so lange, bis Kinder geimpft werden können? Weil Politik und Wissenschaft an der Stelle zu spät aufgewacht sind. Jetzt geht es darum, so viel Tempo zu machen wie nur möglich.

Die Kinder, Familien, Kitas und Schulen brauchen auch Zuversicht: Die allermeisten Corona-Fälle bei den Unter-12-Jährigen verlaufen unkritisch, worauf Jugendmedziner immer wieder hinweisen. Hinzu kommt: Vergangenen Sommer, als die gesellschaftlichen Inzidenzen niedrig waren, waren sie es auch unter Kindern und Jugendlichen. Das wird wieder so sein – wie bereits der Blick ins weitgehend durchgeimpfte Israel zeigt.

Es wäre erfreulich, wenn eine Bundeskanzlerin genau diese Botschaft senden würde: Wir schaffen das, auch an den Grundschulen. Auch den vollen Präsenzunterricht mit ungeimpften Kindern. Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln. Wenn wir nur wollen. Und wenn die Bundespolitik dies endlich zu ihrer Priorität macht.

Dieser Kommentar erschien zuerst in meinem heutigen Newsletter.

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